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Faule Äpfel liegen unten

Bei Tests werden üblicherweise zwei oder drei Module unter die Lupe genommen. Was sagt ein Test an so wenigen Exemplaren überhaupt aus?

Eine Serienfertigung zeichnet sich dadurch aus, dass die Produkte eine sehr hohe Homogenität aufweisen. Das Produkt, das im November vom Band lief, sollte gleich sein wie das, das im September vom Band lief. Die Photovoltaikbranche ist aber eine sehr junge Branche und funktioniert noch anders. Es gibt Hersteller, die hochmodernes, vollautomatisches Equipment haben. Unsere Messungen zeigen, dass bei deren Produkten die Varianz von Produktparametern sehr klein ist, wie man es bei einer Serienfertigung erwartet. Auf der anderen Seite gibt es noch viele Hersteller mit einem hohen Anteil von Handarbeit. Da sehen wir bei entscheidenden Qualitätsparametern extrem große bis hin zu nicht zu vertretenden Schwankungsbreiten an Materialparametern. Und hier kommt jetzt die Stichprobengröße ins Spiel. Wenn ich eine Fertigung habe, von der ich weiß, dass sie in sehr engen Toleranzen fertigen kann, dann reichen verhältnismäßig kleine Stichproben. Wenn ich dagegen eine Fertigung habe, die selbst bei absolut lebensdauer- und qualitätsentscheidenden Parametern schon bei kleinen Stichproben von sagen wir mal zehn Stück Abweichungen von 30 Prozentpunkten auf zentrale Parameter aufweist, dann sagen Tests an zwei Prüflingen fast nichts über dieses Produkt aus. Es ist für den Kunden dann sowieso eine Lotterie, was er bekommt.

Wenn die Ergebnisse an den Modulen eines Typs sehr eng beieinander liegen, ist das nicht ein positiver Anhaltspunkt?

Die Aussagekraft ist auch dann eingeschränkt. Die Stückzahlen der sehr großen Modulhersteller gehen inzwischen in die Millionen. Und zwei aus einer Million ist eine Stichprobe, die praktisch überhaupt keine Aussage über die Gesamtheit der Produkte zulässt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Wir hatten kürzlich Messungen, bei denen bei zwei von 15 Modulen die Messwerte vollkommen außerhalb der Spezifikation lagen. Jetzt wissen wir nicht, wie repräsentativ diese 15 waren. Aber dass ich wirklich eines von diesen zweien bei einer Zweierstichprobe aus der Produktion erwische, ist sehr unwahrscheinlich.

Was ist das Aussagekräftigste an dem Test, den vor kurzem die Zeitschrift Ökotest veröffentlicht hat und mit dem Solarteure öfter konfrontiert werden dürften?

Für die Beurteilung von Modulen ist der Schwachlichtwert viel interessanter als der Leistungswert bei der hohen Einstrahlung, wie sie in den Standardtestbedingungen festgelegt ist. Und ich sehe es als ein großes Verdienst von Ökotest, dass bei dem Test der Aspekt der Schwachlichtleistung in den Fokus gerückt wird, also wirklich ein belegbares und messbares Qualitätsmerkmal, das sehr, sehr wichtig ist. Wir müssen daran arbeiten, dass mehr und mehr solche Qualitätsmerkmale in den Fokus rücken (siehe Kasten Seite 120).

Wie homogen ist das Schwachlichtverhalten bei einem Hersteller?

Das kann man so global nicht beantworten. Das hängt von den Vorprodukten ab. Also von Zelle, Wafer und dem eingesetzten Silizium. Und da sich die Fertigungslose sehr stark darin unterscheiden, ist es in einem ganz großen Maße Firmenstrategie. Es hängt davon ab, wie die Firma ihre interne Qualität definiert. Eine Firma, die sehr strenge Richtlinien hat, wird dem Kunden eine andere Gleichförmigkeit an Qualität liefern als ein Unternehmen, das einen eher laxen Umgang mit dem Qualitätsgedanken hat.

Aber diese Firmenstrategie spiegelt sich im Test mit kleinen Stichproben, die vielleicht sogar noch aus der gleichen Ferti

gungsreihe kommen, ja nicht wieder. Woran kann sich der Kunde orientieren?

Vielleicht hilft ein Vergleich mit Staubsaugern oder Waschmaschinen. Seit 15 Jahren testet die Stiftung-Warentest die Modelle, und es sind immer die zwei gleichen Staubsauger- oder Waschmaschinenmarken ganz oben. Irgendwann merkt man: Das kann kein Zufall mehr sein. Aber dann kommt vielleicht irgendwann auf Platz drei einmal eine Firma, die zwei Jahre später wieder hinten auf Platz 15 ist. Da sagt der dritte Platz dann relativ wenig über die Qualität aus. Letztlich erweist sich für den Konsumenten über die Konstanz der Anbieter in solchen Tests die Qualität. Ich hoffe deshalb, dass wir im Laufe der Zeit noch viele andere Tests an Photovoltaikmodulen sehen.

Oft vergleichen Tester – auch Ökotest –, ob die getestete Leistung der Module der angegebenen Nennleistung entspricht. Wie viel sagt dieser Vergleich über die Qualität aus?

Stellen Sie sich vor, Sie kaufen beim Obsthändler eine Kiste Äpfel. Die Tests des Leistungsverhaltens der Module entsprechen der Frage, wie viele Äpfel in der Kiste drin sind. Sie beantworten nicht die Frage, wie lange die Äpfel halten. Dass so viel Wert auf solche Leistungsparameter gelegt wird, ist sehr schade. Dadurch wird aufgrund von Pseudogenauigkeiten bei Parametern eine Rangfolge aufgestellt, während möglicherweise viel wichtigere Parameter überhaupt keine Erwähnung finden.

Warum ist das eine Pseudogenauigkeit?

Die Toleranz bei den Leistungsangaben der Hersteller liegt in der Größenordnung von einigen Prozent. Da mein Messgerät,üblicherweise ein Flasher, aber auch nur auf ein bis drei Prozent genau misst, ist das problematisch. Die Messungenauigkeit sollte eine Größenordnung besser sein als die Abweichungen vom Messwert, die man kontrollieren will. Das ist eine goldene Regel der Messtechnik, aber leider, leider schaffen wir das nicht in der Photovoltaik. Unabhängig davon wäre es viel wichtiger, zum Beispiel die EVA-Vernetzung zu untersuchen, die unterhalb gewisser Werte Hinweise auf Risiken hinsichtlich der Lebensdauer liefert.

Das beeinflusst die Qualität, also die Lebensdauer des Moduls?

Genau. Sehr viele Tests konzentrieren sich sehr auf kurzfristige Kriterien wie Leistung oder Schwachlichtverhalten, hinterfragen aber nicht, wie lange die zu erwartende Lebensdauer des Produkts ist. Das hängt natürlich damit zusammen, dass solche Untersuchungen extrem teuer und aufwändig sind. Das sind meist zerstörende Prüfungen, und sie werden zum Beispiel in Klimakammern durchgeführt.

Wie kann der Kunde oder der Solarteur trotzdem die Haltbarkeit von Modulen einschätzen?

Der Privatkunde hat kaum eine Chance, eine wirklich aussagekräftige Qualitätsmessung zu finanzieren. Für den privaten Kunden ist deshalb ein vernünftiger Weg, sich am Firmenimage zu orientieren. Das heißt, als privater Kunde muss ich überlegen, kaufe ich mein Modul von einem Hersteller, von einer Marke, die ich noch nie gehört habe. Oder kaufe ich mein Modul von einer Firma, von der ich schon in anderen Zusammenhängen gehört habe, und vermute, dass sie ihre Garantieversprechen auch in 20 Jahren noch einhält. Das ist sicherlich eine gute Leitlinie für den privaten Kunden, der eine kleine Anlage auf das Hausdach bauen will.

Was ist der Weg, wenn ich viel Geld investiere?

Ganz anders sieht es bei großen Anlagen aus. Bei den Megawattanlagen setzt sich inzwischen eine externe Qualitätssicherung durch, die auch immer mehr von den Banken als Standard gefordert wird, wenn sie die Anlage finanzieren sollen. Da arbeitet man inzwischen auch mit ganz anderen Stichprobengrößen.

Wie groß müssen die Stichproben denn sein?

Bei einer kleinen Megawattanlage sind inzwischen Stichproben zwischen 80 und 200 Modulen üblich. Und das ist natürlich dann bezogen auf eine Grundgesamtheit zum Beispiel 3.000 bis 20.000 Module eine Stichprobe, die schon eine wesentlich belastbarere Aussage trifft als zwei Stück aus einer Jahresproduktion. Die sind dann aus einem eingeschränkten Produktionszeitraum. Und damit ist das noch trennschärfer.

Das Gespräch führte Michael Fuhs.

Ökotest-Test

Die Zeitschrift Ökotest hat in ihrer Ausgabe 4/2010 einen Test von zehn Modulen veröffentlicht. Da viele photovoltaik-Leser bei ihren Gesprächen mit Endkunden damit konfrontiert werden dürften, gehen wir darauf ein, wie die einzelnen gemessenen Parameter einzuschätzen sind, und geben Argumentationshilfe, wie man solche Tests benutzen kann.

Wie man falsche Schlüsse aus Tests vermeidet

Messungenauigkeit stellt Ergebnisse in Frage
Bei jeder Messung geben Physiker an, wie groß die Messungenauigkeit ist. Denn nur dieser Wert sagt etwas darüber aus, welche Schlüsse aus einem Messwert gezogen werden können.
Die Leistungsmessung von Modulen wird mit einem Flasher durchgeführt. Er hat ein Lichtspektrum, das ähnlich dem der Sonne ist, aber nicht gleich. Deshalb müssen die Experten etliche Tricks anwenden, um eine genaue Messung zu erreichen. Wie genau diese Art Messung ist, zeigt das Forschungsprojekt Charakterisierung von PV-Modulen. Darin haben das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE, der TÜV Rheinland und acht Modulhersteller verglichen, wie gut die Messwerte ihrer Flasher bei denselben 24 Modulen verschiedenen Typs übereinstimmen.
Obwohl sich die Beteiligten vermutlich viel Mühe gegeben haben, wichen die Messwerte bei der Hälfte der Hersteller um drei, im schlechtesten Fall sogar um sieben Prozent von denen der Institute ab. Was noch beunruhigender ist: Diese Abweichungen variierten von Modultyp zu Modultyp. Das liegt daran, dass Module unterschiedlich auf die Abweichungen des Lichtspektrums des jeweiligen Flashers von dem vorgegebenen Wert reagieren. So wich zum Beispiel bei dem Flasher eines Herstellers ein Modul um rund 1,7 Prozent nach oben, ein anderes Modul um zirka 0,4 Prozent nach unten im Vergleich zu den Institutswerten ab. In einem Test mit diesem Flasher hätte es also keine Aussagekraft, wenn ein Modul zwei Prozent schlechter abschneidet als ein anderes.
Die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts stammen zwar aus dem Jahr 2005 und wahrscheinlich sind die Messmethoden besser geworden. Um Module, die um einige Prozent in ihrer Leistung voneinander abweichen, in einem Test zu klassifizieren, muss man aber eine Fehlerbetrachtung durchführen. Sie ist sehr aufwändig, und deshalb ist es kein Wunder, dass sie bei dem Ökotest-Test fehlt. Dadurch lassen sich die Ergebnisse nicht eindeutig werten.
Schwachlichtverhalten wichtig für den Ertrag
Wenn die Sonnenintensität unter den in den Standardtestbedingungen festgelegten Wert sinkt, sinkt meist auch der Wirkungsgrad. Je weniger das der Fall ist, umso besser ist das Schwachlichtverhalten.
Kleine Shuntwiderstände (deutsch: Parallelwiderstände), die zu einem schlechten Schwachlichtverhalten führen, können auf Prozessfehler hinweisen, auf verunreinigtes Silizium oder auf eine schlechte Qualitätskontrolle. Man könnte auf die Idee kommen, aus dem Schwachlichtverhalten auf die Qualität zu schließen.
Das ist aber nicht ganz richtig. Ein Modul, dessen Schwachlichtverhalten schlechter ist als das eines anderen Moduls, hat vielleicht einen niedrigeren Shuntwiderstand. Aber vielleicht auch nur einen niedrigeren Serienwiderstand. Oder beides kommt zusammen.
Ein niedriger Serienwiderstand ist dabei eigentlich sogar ein gutes Zeichen, da dann die Verluste insgesamt geringer sind als bei einem höheren Serienwiderstand. Es sei denn, in dem Modul sind dünne Zellen verbaut und die Verbinder zwischen den Zellen sind dick, so dass sie gut leiten und für den niedrigen Serienwiderstand verantwortlich sind. Denn solche dicken Verbinder können mechanische Spannungen verursachen, die die Lebensdauer beeinträchtigen. In so einem Fall wären dünnere Verbinder unter Umständen besser, auch wenn der Serienwiderstand steigt.
Ein gutes Schwachlichtverhalten sagt also nicht direkt etwas über die Qualität eines Moduls aus. Trotzdem ist es zu begrüßen, weil es gut ist für den Ertrag im schwachlichtgeplagten Deutschland.

Michael Fuhs

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