Die Frankfurter Odersun ist ein Kind der Region. Schon zu Vorwendezeiten gab es hier eine Konzentration der Halbleiterforschung und -produktion. Die Branche wurde nach der Wende allerdings zügig abgewickelt und es lag viel Wissen brach in Brandenburg.
In dieser Umbruchphase hatte der Kristallograf Jürgen Penndorf die Idee einer Solarzelle auf Kupferbasis. Nach ein paar Jahren, die er der Familie und vor allem seiner jüngsten Tochter widmete, gründete Penndorf mit einigen Partnern Mitte der neunziger Jahre das Institut für Solartechnologien, um dort seine Idee bis zur Marktreife zu entwickeln: Eine Solarzelle vom Band so zu sagen. Auf eine dünne Kupferrolle werden Indium und Schwefel mit aufgebracht, die unter Sonnenlicht mit dem Kupfer reagieren.
Fast zur gleichen Zeit träumten auch zwei junge Wissenschaftler in der Schweiz davon, dünne flexible Solarmodule in Serie zu produzieren. Der Physiker Alexandre Closset hatte seine ersten Berufsjahre unter anderem in Norwegen verbracht, und sich hauptsächlich mit der Technologie von Brennstoffzellen beschäftigt. In Lausanne traf er auf den Solarexperten Diego Fischer. Am Institut für Mikrotechnologie der Universität Neuchâtel entwickeln auch sie eine dünne flexible Zelle aus amorphem Silizium, aufgebracht auf eine Folie aus Polyimid – ein flexibles Substrat aus Kunststoff.
Bettelbriefe erst erfolglos
Beide Teams machen schnell Fortschritte und schon bald stehen kleine Pilotproduktionen in den Laboren der Institute. „Aber jetzt begann eigentlich erst die richtig schwere Zeit“, sagt Frederic Bichsel, heute Buisiness Development Manager der Firma Flexcell, die aus Fischers Projekten hervorging “Gemeinsam mit der Universität hat man nach Investoren gesucht und das war sehr schwierig zu der Zeit.“
Auch Penndorf und seine Kollegen, die bereits eine kleine Fertigungsstraße im Keller stehen hatten, schrieben geradezu Bettelbriefe an Investoren, aber erfolglos. „Eine gute Erfindung ist eben noch keine Innovation“, sagt Korinna Penndorf, Tochter des Gründers und Pres sesprecherin von Odersun. "Das wird erst eine, wenn auch das Geld da ist, das umzusetzen.“ Für Vater Penndorf ändert sich die Situation erst als einer der Briefe auf dem Tisch von Ramin Lavae Mokhtarie landet. Der ist zu dieser Zeit Manager beim Energieriesen Eon und begeistert von den Ideen und Möglichkeiten der Brandenburger. Trotzdem kann er seinen Arbeitgeber nicht überzeugen. So zieht er eine mutige Konsequenz: Mokhtarie kündigt und zieht vom Rhein in den Osten Deutschlands. Gemeinsam mit den Entwicklern vom Institut für Solartechnologien gründet er das Unternehmen Odersun. Inzwischen schreibt man bereits das Jahr 2002.
Zu dieser Zeit gibt es seit zwei Jahren ein Spin-off-Unternehmen der Universität Neuchatelle: VHF Technologies. Die Firma hat ebenfalls ein im Prinzip fertiges Produkt anzubieten: mattenartige Solarmodule. Aber auch für sie geht es erst ab 2002 richtig voran. Erste Investoren steigen ein, die Produkte werden später unter dem Markennamen Flexcell verkauft.
In Frankfurt setzt Ramin Lavae Mokhtarie all seine Erfahrungen und Kontakte ein. Ihm gelingt es tatsächlich, internationales Geld nach Ostbrandenburg zu holen. 2005 und 2006 werden Verträge mit der Londoner Beteiligungsgesellschaft Doughty Hanson Technology Ventures und Advanced Technology & Materials (AT&M) gemacht. Letzterer ist ein chinesischer Investor, der auch strategischer Partner ist. Optimismus macht sich breit an der Oder. „Alles ist komplett aus dem Halbleiterwissen von damals entstanden und hier weiterentwickelt worden“, sagt Mokhtarie. Die Frankfurter sind stolz auf ihren Erfolg, der ihr ganz eigener ist. Deswegen hat man sich bislang auch noch nicht an die Konkurrenz verkauft, obwohl es laut Mokhtarie genug Nachfragen gibt.
Einen etwas anderen Weg geht man in der Schweiz. Die Großen, die bisher hauptsächlich auf kristallines Silizium gesetzt haben, beobachten die Szene und schlagen zu. 2005 kauft Q-Cells 58 Prozent von Flexcell. Jetzt ist genug Geld da, Fabriken zu bauen und Pilotlinien zu installieren.
Während Odersun also ein autonomes Unternehmen bleibt, wird flexcell Teil von Q-Cells. Beide Firmen profitieren davon, dass das Kapital allmählich Vertrauen schöpft und einen Markt für flexible Zellen sieht.