In der Regel ist es mit Eröffnungsreden auf internationalen Konferenzen nicht weit her. Meist sind noch nicht einmal alle Teilnehmer angereist und die Nachzügler stehen noch Schlange an den Anmeldeschaltern während die Eröffnungsredner im Saal bereits ihre Begrüßungsworte abspulen. Sehr viel anders startete auch die PVSEC-17 in Fukuoka, Japan, nicht. Die Veranstaltung im Dezember 2007 rühmt sich zwar damit, eine der wichtigsten Photovoltaikkonferenzen im asiatischen Raum zu sein, ist mit 1.400 Teilnehmern und rund 50 Ausstellern aber deutlich kleiner als ihre europäischen Gegenparts. Gewissermaßen im Vorzeigeland der Photovoltaik wolle man so einen Schlusspunkt unter das laufende Geschäftsjahr der Solarbranche setzen, hieß es aus Veranstalterkreisen.
Während also die Teilnehmer nach und nach im Kongresszentrum der südjapanischen Hafenstadt Fukuoka eintreffen, spricht im Großen Saal bereits Takashi Tomita, ehemals Chef der Solarsparte bei Sharp und heute verantwortlich im Bereich Forschung und Entwicklung des japanischen Großkonzerns. Was er zu sagen hatte, war denn auch eine für jene Eröffnungsreden typische Mischung aus freundlichen Begrüßungsworten, Dank an die Ausrichter und einem inhaltlichen Resümee, das gewissermaßen den Rahmen und den inhaltlichen Fahrplan der Folgetage vorgeben sollte. Alles recht ty-pisch für solche Veranstaltungen, alles auch recht typisch für die Branche – nur eines war eben so gar nicht typisch an Tomitas Rede. Vor allem nicht typisch für die Photovoltaikbranche.
Befürchtungen bestätigt
Denn: In seinem Vortrag kam Tomita auch auf das zu sprechen, was alle – besonders aber die ausländischen Solarexperten – so brennend interessiert. Die Entwicklung des japanischen Solarmarktes 2007, nach dem Auslaufen des NEDO-Förderprogramms (New Energy and Industrial Technology Development Organization) für Solaranlagen auf Wohngebäuden. Das „Residential PV Dissemination Program“, das 1994 ins Leben gerufen wurde, um den Ausbau photovoltaischer Anlagen zu befördern, lief unter der Aufsicht der New Energy Foundation (NEF) bis 2005 und gilt als eines der erfolgreichsten Programme der Solarförderung. In gestrichelter Linie und versehen mit dem ausdrücklichen Zusatz „Vorhersage“ zeugte der unscheinbare Excel-Balken, den Tomita in seiner Eröffnungspräsentation zeigte, von eben jenem Einbruch auf dem japanischen Solarmarkt, den Experten bereits seit langem befürchtet hatten.
25 Prozent Rückgang
Tomitas Grafik zufolge wurden laut dem „National Survey Report of PV Power Applications in Japan“ im Jahr 2006 noch PV-Systeme mit einer Leistung von 286.6 Megawatt neu installiert. 2007 waren es nach ersten Schätzungen der Japanese Photovoltaic Energy Association (JPEA) nur 215 Megawatt. Das entspräche immerhin einem Einbruch um 25 Prozent in einem Jahr. Eine Aussage mit erheblicher Sprengkraft, die schlagartig für angespannte Stille im Saal sorgte. Nach der 2005 ausgelaufenen Solarförderung und einer gerade erst überwundenen Stagnation des Marktes im Vorjahr gestehen die Experten nun erstmals den befürchteten Rückgang auf dem Binnenmarkt ein.
Wenig überzeugend wirken da auch Takashi Tomitas Erklärungen, der japanische Solarmarkt schrumpfe, weil erstmals seit Jahren auch die Zahl der Neubauten im Land wieder rückläufig sei. Eine einmalige Entwicklung in der Baubranche, wie sich der Sharp-Manager zu erklären bemüht. Die kürzlich ausgesetzte Förderung für Solaranlagen auf Wohngebäuden spiele da eher eine untergeordnete Rolle – so zumindest die offizielle Sprachregelung im Land.
Eine Ansicht, die der aus Deutschland angereiste Bundestagsabgeordnete und Energieexperte Hans-Josef Fell (Bündnis 90 / Die Grünen) und die übrigen Branchenvertreter aus Übersee naturgemäß nicht teilen wollten. Ausdrücklich warnte Fell im Rahmen seiner Eröffnungsrede davor, den Weltmarkt durch ein Zurückschrauben der japanischen Förderungen unter Druck zu setzen. Auch Quotenregelungen und Zertifikate seien der falsche Weg.
Insgesamt monierte Fell auch die auffällige Abwesenheit von japanischen Politikern. Japan müsse insgesamt zu einer einheitlicheren Gangart bei den Erneuerbaren finden, meinte er. Dabei solle der Inselstaat in Zukunft aktiv für eine gesetzlich festgeschriebene Förderung – etwa mittels ei-nes Energiegesetzes wie dem deutschen EEG – eintreten. Auch der Vorsitzende der PVSEC-17, Professor Masafumi Yamagichi vom Toyota Technological Institute unterstrich auf Nachfrage, dass er sich ein verlässliches Fördersystem nach dem Vorbild der europäischen Einspeisetarife wünsche. Die starken japanischen Energieversorger seien dafür aber gewiss nicht zu gewinnen, befürchtet Yamagichi.
Bislang galt Japan als Vorzeigeland in Sachen Solarenergie. Sowohl im Bereich der Technologieführerschaft als auch im Bereich der Förderpolitik war der Marktführer der weltweiten Zellproduktion – diesen Titel darf das Land nämlich vorerst noch für sich beanspruchen – eine Musternation. Diese starke Stellung gerade im Bereich der Zellproduktion zeigt, dass sich japanische Hersteller wie Sharp, Kyocera, Sanyo oder Mitsubishi Electric trotz leichter politischer Erschütterungen auf dem heimischen Markt mehr als komfortabel aufgestellt sehen. Immerhin kamen 2006 noch rund 930 Megawatt der weltweit geschätzten 2.521 Megawatt Zellkapazitäten aus dem Land der aufgehenden Sonne. Eine Produktionssteigerung um mehr als elf Prozent verglichen mit einer Produktion von 832 Megawatt im Jahr 2005. Ob sich solche Produktionszahlen künftig halten lassen, sehen Marktbeobachter allerdings kritisch. Die hatten schon in der Vergangenheit immer wieder die Methoden des japanischen Siliziumeinkaufs kritisiert. Asiatisch verhalten kommentierten demnach die Marktteilnehmer auch alle Fragen aus dem Ausland, die die Markt- und Absatzentwicklung in Japan selbst betreffen und verwiesen stattdessen immer wieder auf zurückliegende Erfolge der NEDO Förderprogramme und die eigenen, glänzenden Exportquoten.
Sharp bleibt Weltmeister
Für die Photovoltaik ging die Sonne in Japan schon vor 30 Jahren auf, als die ersten japanischen Firmen mit Unterstützung der 1980 gegründeten NEDO auf dem Feld der Solarenergie aktiv wurden. Was gewissermaßen als Suche nach Erdöl-Alternativen begann, hat sich inzwischen zu einem starken und zukunftsträchtigen Industriezweig entwickelt. Aus dem Kreise der insgesamt sieben großen japanischen Zellhersteller zählen alleine vier Unternehmen – gemessen an ihren Produktionskapazitäten – inzwischen zu den Top Ten der Welt. Wenig verwunderlich, dass auch die Nummer eins im Jahr 2006 aus Japan kam. Gut 17 Prozent oder 434 Megawatt aller weltweit abgesetzten Solarzellen kamen demnach aus der Produktion von Branchenprimus Sharp Solar. Das ergeben aktuelle Berechnungen des ebenfalls in den 80ern gegründeten Solar-Beratungsbüros RTS Corporation mit Sitz in Tokio.
Dennoch bleibt die Frage nach dem Schaden, den die 2005 ausgelaufene Solarförderung für den heimischen Markt bedeuten könnte. Hiroshi Matsukawa, Chefentwickler bei der RTS Corporation, spricht aus, was viele Marktteilnehmer anscheinend nicht wahrhaben wollen: „Der Markt für Solaranlagen auf Wohngebäuden ist in Japan seit 2006 rückläufig.“ Sind 2005 noch rund 72.000 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 258 Megawatt im Land installiert worden, von denen allerdings nur 50 Prozent in den Genuss der Wohngebäude-Förderung gekommen sind, so waren es 2006 – ganz ohne Förderung – bereits 10.000 Anlagen weniger. Das entspricht einem Minus von etwa 35 Megawatt.
Dass dieser Wachstums-Knick mit dem Ende der Förderung von Wohngebäudeanlagen zusammenfällt, erscheint zumindest Außenstehenden als so gut wie sicher. Fasst man jedoch alle Installationen, Wohngebäude und industriell genutzten Anlagen beider Jahre zusammen, so zeigt sich ein weniger deutlicher Marktrückgang als bei den Wohngebäudeanlagen – doch eine Stagnation bleibt. Lag die neu installierte Leistung in Japan 2005 noch bei 290 Megawatt, waren es 2006 nur noch 287 Megawatt. Noch deutlicher ist der Einbruch bei der für 2007 geschätzten, neu installierten Leistung von 230 Megawatt. „Es kommt zu einer Verschiebung von Wohngebäudeanlagen hin zu Großanlagen, wie sie etwa in Wakkanai, Hokkaido oder Hokuto, Yamanashi stehen“, erklärt Matsukawa. Eine solche Entwicklung sei von der Regierung durchaus gewünscht.
Für den Bereich der öffentlichen Großanlagen und industriell genutzten Frei flächenanlagen rechneten Experten daher unlängst mit einem Marktvolumen von jeweils 100 Megawatt bis 2010. Das „Sunshine Target“, das erklärte Ziel die Marktgröße bis dahin auf insgesamt 4.8 Gigawatt zu steigern, halten Experten trotz der beschnittenen Förderung dennoch für realistisch. Auch darüber hinaus hält die Regierung an ihren Energiezielen fest. Bis 2030 sollen demnach landesweit 100 Gigawatt installiert sein und zehn Prozent des gesamten Energiebedarfs durch Solarstrom gedeckt werden. Dann, so erste Berechnungen, solle eine Kilowattstunde umgerechnet maximal 0.04 Euro kosten.
PV als Statussysmbol
Neben den Wohngebäudeanlagen, die derzeit den Großteil des Marktes ausmachen, sollen weitere 300 Regierungsgebäude mit Solar ausgestattet werden. Zehn Megawatt sind hierfür eingeplant. Die ehrgeizigsten Ziele formulierte die 35-Millionen-Stadt Tokio. Bis 2020 will man im Stadtgebiet der Megacity ein Gigawatt photovoltaischer Leistung verbauen, so sieht es das „Carbon Minus 10 Year Project“ der Tokioter Stadtverwaltung vor. Der 10-Jahresplan, den die Stadtverwaltung im Juni 2007 beschlossen hat, soll dazu beitragen, die Kohlendioxid-Emissionen im Großraum Tokio drastisch zu senken. Klare Emissionsvorgaben sucht man in dem Papier vergebens, dafür formulierten die Verantwortlichen gleich fünf Kernstrategien, mit dem Ziel, Tokio zum Motor einer landesweiten Klimaschutzpolitik zu machen.
Neben Effizienzmaßnahmen für Industrie und Wohngebäude soll auch der Stadtverkehr künftig weniger Kohlendioxid ausstoßen. Eine weitere Maßnahme ist die Energiegewinnung mittels Sonnenkraft. Bis auf weiteres wird also der Großteil der japanischen Solaranlagen auch weiterhin auf Wohngebäuden stehen. Aktuell machen diese Systeme rund 92 Prozent am Gesamtmarkt aus. Nur jede fünfte Anlage davon sei aber auf Neubauten installiert, schätzen Experten. Interessant ist dabei ein Aspekt der typisch japanisch zu sein scheint. „Solaranlagen sind in Japan irgendwie auch eine Art ökologisches Statussymbol“, erklärt ein Konferenzteilnehmer, der seit Jahren in Japan aktiv ist. „Integrierte Anlagen etwa, die auf den Gebäuden wenig auffallen sollen, sind hier gar nicht so gefragt. Man zeigt eben gerne, dass man einen grünen Lifestyle und ein grünes Gewissen pflegt.“