Das Bild einer Glaspyramide mit photovoltaischen Verschattungselementen schmückt den Umweltbericht des Energiekonzerns Vattenfall Berlin. Räumlich betrachtet steht die Solarpyramide allerdings eher im Abseits, nämlich im Innenhof des Firmensitzes in der Puschkinallee, verborgen vor den Blicken der Öffentlichkeit und im Winter sogar im Schatten der umgebenden sechsgeschossigen Bürogebäude. Nicht mehr als ein Public-Relation-Projekt hat sich der damalige Berliner Energieversorger Bewag Mitte der 90er Jahre geleistet und sein Budget lieber in das 1.000-Dächer-Programm gesteckt. Trotzdem ist der skulpturale Erweiterungsbau der Vattenfall-Kantine eine der gestalterisch interessanteren Solarstromanlagen der Hauptstadt.
Gilbert Janßen, Umweltingenieur und Solarteur, hat diese ausgefallene Anlage für die Bewag geplant und realisiert. „Die Pyramide war ein anspruchsvolles Projekt, weil viele Sondermodule entworfen werden mussten“, erklärt Janßen. Er hat die Wünsche des Architekten mit den Möglichkeiten des Modulherstellers in Einklang gebracht und verkörperte so die Schnittstelle zwischen Planung und Umsetzung. Die schlanken, rahmenlosen Glas-Glas-Module in zwölf verschiedenen Formaten sind jeweils nur an zwei Punkten mit der Unterkonstruktion verbunden. „Die Glaselemente sollten die Spitze der Süd-West-Fassade ausbilden, die Fugen das Raster der Fassadenkonstruktion aufnehmen“, erläutert Janßen 15 Jahre später. „Also haben wir in jeder zweiten Reihe die Zellen der Rand module so angeordnet, dass es aussieht, als gäbe es auch dort eine Fuge, die konstruktiv nicht notwendig war.“
Planungsaufträge für solch komplexe Anlagen sind jedoch eher die Ausnahme im Alltagsgeschäft der Akut Solar- und Haustechnik GmbH. „Das Buttergeschäft machen wir nach wie vor mit privaten, ökologisch interessierten Bauherrn“, resümiert Janßen. Die Ausführung von Aufdachanlagen auf Einfamilienhäusern macht den Großteil seiner Aufträge aus. Reich werde man nicht als Betreiber einer Solarstromanlage, und das kommuniziert er auch deutlich im Kundengespräch. „Eine Solarstromanlage bringt über 20 Jahre ähnliche Rendite wie ein Sparbuch.“ 5.000 Euro sei ein realistischer Preis für ein Kilowattpeak installierter Leistung, rund 8.000 Euro bekommt der Betreiber über 20 Jahre durch das EEG vergütet. „Viel günstiger kann man die Anlagen nicht installieren, auch wenn die Photon das fordert. Das ist nicht seriös.“ Seinen Kunden bietet er in der Regel drei verschiedene Modultypen mit unterschiedlicher Leistung zur Auswahl an. Dass die Wechselrichter vorzeitig ausgetauscht werden müssten, kann er nicht bestätigen. Aus seiner Erfahrung sind sie genauso langlebig wie die Module.
Vom Wohnprojekt zum Kollektiv
Begonnen hatte alles an einem Schreibtisch unter Janßens Hochbett. 1988 beschlossen vier Kommilitonen, ihre Energien nicht nur in der Eigensanierung ihres Weddinger Wohnprojekts zu bündeln, sondern nach Studienabschluss gleich eine gemeinsame Firma zu gründen. Das Ingenieurkollektiv Akut wurde aus der Taufe gehoben. Gemeinsam deckten die Umweltingenieure der Technischen Universität Berlin damals die Bereiche Solar, Wasser und Gewerbeenergieberatung ab. „Klein, aber fein“, lautete Janßens Devise in Sachen Photovoltaik von Anfang an. Dementsprechend baute er seine erste Solarstromanlage schon multifunktional, Sonnenschutz und Stromgewinnung in einem Element vereint. Sie produziert heute noch einwandfrei Strom aus Sonnenlicht.
Auch wenn sich bei Akut organisatorisch während der letzten 20 Jahre einiges verändert hat, ist die Firma der Berliner Umweltingenieure einer der weni gen Solarhandwerksbetriebe der ersten Stunde, die noch immer am Markt sind. Unter anderem, weil die Ingenieure erkannt haben, wie wichtig der Zusammenschluss Gleichgesinnter für die sich neu bildende Branche ist. „Wir haben damals den Landesverband der DGS (Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie, Anm. d. Red.) gegründet. Die Firmen haben dafür richtig zusammengelegt“, erinnert sich Janßen. Gründungsmitglied des Unternehmensverbands Solarwirtschaft, heute Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar), ist er ebenfalls.
Umstrukturierung notwendig
Die Umstrukturierung begann bei Akut 1994 mit der Gründung des Mobilen Umwelttechnik-Zentrums Mutz. Für das EU-geförderte Projekt gab es unter anderem großzügige Personalmittel. Damit konnte Akut weitere Ingenieure mit ins Boot holen und eine neue Firma ins Leben rufen. Mit dem speziell ausgerüsteten Reisebus, eine aufklappbare Photovoltaikanlage auf dem Dach, führt Mutz deutschlandweit Umweltkampagnen durch, bietet aber auch Blowerdoor-Tests und Thermographiegutachten an. Das Kollektiv war mittlerweile auf neun Teilhaber angewachsen, zwei davon betreiben seither das Mutz. Da der Begriff des Kollektivs seit der Wende nicht mehr so gut ankommt und das Themenfeld der Ingenieurgemeinschaft immer breiter wurde, besannen sich die Akteure auf ihre Spezialgebiete zurück.
2003 splittete Akut sich auf und setzte seine Arbeit in Form von drei Ingenieurgesellschaften fort. Mit seinem Partner Christoph Massei leitet Janßen seitdem die Akut Solar- und Haustechnik GmbH, die die Bereiche Gebäudetechnik, Heizung und Lüftung abdeckt. Auch Klein-BHKWs, Brennwerttechnik und Pellets stehen mit auf dem Programm. Die Akut Partner haben sich hingegen auf Abwasserreinigung und internationalen Wissenstransfer spezialisiert. Akut Umweltschutz GmbH bietet schlüsselfertige Klär- und Biogasanlagen. Von der Bezeichnung als Kollektiv habe man sich zwar verabschiedet, trotzdem bleibe der Gedanke einer gleichberechtigten Partnerschaft bestehen, sagt Janßen. Die Umwelttechniker arbeiten weiterhin in den gemeinsamen Büroräumen in der Berliner Wattstraße. Durch den täglichen persönlichen Kontakt ergeben sich vielfach Synergien, auch gemeinsame Projekte werden hier angestoßen.
Solares Zeichen Kirchturmspitze
Für die Photovoltaik ist Janßen bei der Akut Solar- und Haustechnik allein verantwortlich, während Massei fünf Installateure und eine Projektassistentin im Bereich Wärme beschäftigt. Die Hälfte des Umsatzes macht das Unternehmen mit der Installation von Solarstromanlagen.
Regelmäßig nimmt Janßen Praktikanten von Unis und Fachhochschulen mit auf die Berliner und Brandenburger Dächer seiner Kunden. „Die Tagesschau liefert der Solarbranche täglich den besten Werbespot in Form des aktuellen Ölpreises“, freut sich Janßen. In seinen Augen drückt die Photovoltaik in erster Linie Umweltbewusstsein und den Wunsch nach einer dezentralen Energieversorgung aus. Und mit jeder Realisierung kommen wir diesem Ziel ein Stückchen näher. „Es wird viel Papier produziert. Schön ist es, wenn man nicht in den Konzepten stecken bleibt“, kommentiert der Tüftler. Das gilt besonders für Projekte wie die solare Kirchturmspitze am Potsdamer Kirchsteigfeld. Sie wurde vom Investor eines komplett neu gebauten Wohnviertels, Klaus Groth, für die neu errichtete Kirche bestellt. Semitransparente Glas-Laminat-Module mit einer installierten Gesamtleistung von 8,2 Kilowattpeak bilden die Ost-, Süd- und Westseite der Kirchturmspitze. Auf der Nordseite wird die Modulstruktur durch bedruckte Glaselemente imitiert. „Das ist natürlich kein Großgenerator, sondern ein Zeichen“, sagt Janßen. Ein ähnliches Modell konnte er für Groth auch im Berliner Norden realisieren. Die solare Turmspitze ist von innen beleuchtbar. „Das sieht abends wunderschön aus. Aber scheinbar möchte die Gemeinde das Geld lieber sparen, ich durfte die Beleuchtung nur einmal für die Fotos einschalten.“
Photovoltaik wird Normalität
Auch der Bund stellt seine Solarstromanlagen nicht gerade ins Rampenlicht. Die „Bundesschlange“ am Moabiter Werder, ursprünglich gedacht als Woh nungsbauprojekt für Bonner Beamte, die nach Berlin umzogen, hat Janßen ebenfalls mit einer anspruchsvollen Photovoltaikanlage bestückt. Auf dem Dach des geschwungenen Ziegelbaus hat er 1.000 Module kreuz und quer verschaltet, weil die komplizierte Verschattungssituation durch die ebenfalls geschwungene, hohe Attika und die Lüftungsauslässe berücksichtigt werden musste. Die Module sind aber selbst vom S-Bahn-Viadukt aus nicht einsehbar. „Die Bundesbauten verstecken alle ihre PV-Anlagen“, merkt Janßen an. „Die Architekten wollten keine sichtbaren Module an den Gebäuden.“ Mit dieser Haltung konnte sich die Marke „Berlin – Solarhauptstadt“, die in den 90er Jahren von der Politik angestrebt wurde, nicht durchsetzen. Über die Zukunft der blauen Zellen macht sich der Berliner Unternehmer dennoch keine Sorgen. „Die Solartechnik wird immer selbstverständlicher“, merkt er im täglichen Geschäft. „In zehn Jahren wird die Photovoltaik als Teil des Gebäudes Normalität sein, so wie es heute der Heizkörper ist.“