Die neue Ampelkoalition wird mit den Vorhaben im beschlossenen Koalitionsvertrag die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens nicht umsetzen können. Dies ist das Ergebnis einer Studie von Forschern der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin.
Abgesehen von weiteren Schwächen im Vertrag fehlt schon die Grundlage: Der Ausbau von Ökostromanlagen als zentrale Säule der Energiewende reicht nicht aus. Denn um die Klimaschutzziele einzuhalten, müsste der Solarstromausbau in Deutschland bis 2035 auf mindestens 590 Gigawatt verzehnfacht werden. Das bedeutet, auch der jährliche Zubau der Photovoltaik muss sich in den nächsten zwölf Jahren verzehnfachen: auf 45 Gigawatt pro Jahr. Die Pläne im Koalitionsvertrag sehen aber nur einen jährlichen Zubau von durchschnittlich 16 Gigawatt vor.
290 Gigawatt in nur fünf Jahren
Immerhin sieht der Plan der neuen Regierungskoalition einen Ausbau auf 200 Gigawatt bis 2030 vor. Die sei ein guter Anfang, reiche aber nicht aus, um die 590 Gigawatt nur fünf Jahre später zu erreichen, betonen die Forscher. Denn dann wäre in den Jahren zwischen 2030 und 2035 ein Zubau von weiteren 290 Gigawatt notwendig. „Um überhaupt auf den Pfad des Pariser Klimaschutzziels zu kommen, ist mindestens die doppelte Photovoltaikleistung erforderlich“, erklärt Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin und Mitautor der Studie. Um den Ausbau zu beschleunigen, müssen vor allem die Rahmenbedingungen verbessert werden. Dies zeigt die Forschungsgruppe Solarspeichersysteme der HTW Berlin in der Studie anhand von unterschiedlichen Szenarien auf.
270 Gigawatt Windkraft notwendig
Zur zehnfachen Solarleistung muss auch die Windkraft an Land stärker ausgebaut werden. Die Forscher haben ausgerechnet, dass mindestens 200 Gigawatt an Land und 70 Gigawatt auf See notwendig sind. Daran führe kein Weg vorbei. Denn mit der von den Forschern berechneten Anlagenleistung könnte die Elektrifizierung des Gebäude- und Verkehrssektors gestemmt werden. Diese ist wiederum unumgänglich, um vor allem im Verkehr den Bedarf an grünem Wasserstoff nicht zu stark ansteigen zu lassen.
Gebäude und Verkehr elektrifizieren
Die Wasserstoffproduktion mit Ökostrom muss ohnehin ausgebaut werden. Denn die Energiewende sei in der Kürze der Zeit ohne grünen Wasserstoff nicht mehr realisierbar. Dessen Bedarf sei umso höher, je länger Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor fahren und Gebäude konventionell beheizt würden. Die Autoren der Studie rechnen mit 31 Millionen Elektroautos und zwölf Millionen Wärmepumpen im Jahr 2035. Voraussetzung hierfür: Ab 2025 dürften keine neuen Benzin- und Dieselautos sowie Öl- und Gasheizungen mehr verkauft werden.
Fachkräfte ausbilden
Die Forscher haben aber auch ein weiteres Nadelöhr nicht aus dem Blick verloren: Die Antwort auf die Frage, wer die ganzen Anlagen aufbauen soll? Deshalb müsse die Bundesregierung neben dem Abbau bürokratischer Hürden zur Beschleunigung des Zubaus von Erzeugungsanlagen auch einen Schwerpunkt auf die Qualifizierung von Fachkräften legen. „Allein in der Photovoltaikbranche erwarten wir mehr als 250.000 Arbeitsplätze. Um einem massiven Fachkräftemangel vorzubeugen, muss die Regierung umgehend eine breit angelegte Ausbildungsoffensive starten“, weiß Volker Quaschning.
Sie finden die Studie auf der Internetseite der HTW Berlin zum kostenlosen Download. (su)
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