Wer hätte das gedacht: In Wien gehen Konservative und Grüne eine gemeinsame Regierung ein. Bis 2030 will das Alpenland seinen Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugen. Und bis 2040 kein Kohlendioxid mehr freisetzen.
Die Woche war voll mit Schreckensnachrichten, bad news are good news: In Australien brennt der Busch, eine Fläche so groß wie Belgien ist bereits vernichtet. Tausende Einheimische und Touristen sind auf der Flucht, werden vom Militär übers Meer evakuiert.
In Bagdad wurde der ranghöchste Militär des Iran gegrillt, von einer US-amerikanischen Drohne. Riesengezeter im Nahen Osten, alle Zeichen stehen auf Krieg. Dagegen klangen die Meldungen aus Wien eher langweilig. Doch die neue Koalition der ÖVP unter Ex-Kanzler Kurz und den Grünen ist ein politisches Erdbeben.
Ende eines Wunschtraums
Denn es beendet alle Wunschträume, die akute Krise der Zivilisation mit ultrarechten Konzepten zu bekämpfen. Was in Deutschland die AfD, ist in Österreich die FPÖ, die seit dem Videoskandal ihres Ex-Chefs Strache abgetaucht ist. Bei den Neuwahlen wurde die FPÖ glasklar abgestraft. Das zwang die Politiker der anderen Parteien zu neuem Denken.
Dass nun eine schwarz-grüne Koalition auf dem Weg ist, zeigt, wie robust Demokratie sein kann. Sie verliert keine Zeit mehr mit Ideen von gestern, sondern wagt den Blick nach vorn. Man muss kein Prophet sein: Ausgerechnet im konservativen Österreich zeigt sich eine politische Linie, die bald auch in Deutschland auf der Tagesordnung stehen wird.
Der Kredit ist verspielt
Stehen muss, und zwar mit den Grünen an der Spitze. Das ist der Unterschied zwischen Wien und Berlin. In Deutschland haben die Unionsparteien durch die lange Regierungszeit von Angela Merkel ihren Kredit komplett verspielt, ob nun AKK, Markus Söder oder Fritze Merz als Kanzlerkandidaten antreten.
Die Grünen hingegen haben das wirtschaftsstärkste Bundesland – Baden Württemberg – bereits fest in ihrer Hand, einst die Domäne der CDU. Im Osten ist eine Regierung ohne die Grünen überhaupt nicht mehr möglich, wenn man die AfD draußen halten will. Und mit Robert Habeck hat die Partei einen Frontmann, der als Kanzler durchaus über Parteigrenzen hinweg akzeptabel ist.
Wie lange hält die Groko?
Die Frage ist eigentlich nur, wie lange die unsägliche Groko in Berlin noch hält. Das neue Führungsduo der Sozialdemokraten war als neue Besen angetreten, die bekanntlich gut kehren. Herausgekommen ist ein Rohrkrepierer, diese SPD wird bei der nächsten Wahl jämmerlich untergehen. Sie muss untergehen, weil ihre Politik von gestern ist. Erneuerung – wenn überhaupt – ist nur in der Opposition und durch eine Fusion mit den Linken möglich.
So bleiben nur die Grünen als Partner einer demokratischen Regierung, denn sie verknüpfen ökologische, ökonomische und soziale Fragen miteinander. In Baden-Württemberg erweist sich, dass die Grünen in Wirtschaftsfragen mittlerweile eine höhere Kompetenz haben als CDU und CSU.
Ein Mammutressort für die Grünen
Auch im Berliner Senat wird das Wirtschaftsressort von einer Grünen geführt, die für ihre Politik viel Lob aus der Unternehmerschaft erntet. Und jetzt in Wien bekommen die Grünen ein neues Mammutressort für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, kurzum: Wirtschaft, Umwelt und Energie in einem Ministerium.
Grünen-Chef Werner Kogler soll als Vizekanzler für Sport, öffentlichen Dienst, Kunst und Kultur zuständig sein. Der ÖVP um Kanzler Sebastian Kurz bleiben die Ressorts für Inneres, Finanzen, Verteidigung und Außenpolitik. (HS)