Reifenhersteller Pirelli hat Dieburg als strategischen Standort für seine Europazentrale auserkoren. Die hessische Kleinstadt hat nur etwas mehr als 15.000 Einwohner und liegt rund 15 Kilometer östlich von Darmstadt. Der wohl bekannteste Sohn der Stadt ist Jörg Roßkopf, seinerzeit einer der weltweit besten Tischtennisspieler. Er wuchs hier auf.
Das Ende 2014 mit 90.000 Quadratmetern eingeweihte Logistikzentrum ist deshalb bedeutsam für Dieburg. 90 Liefereingangstore führen auf das Gelände, dessen Fläche zwölf Fußballfeldern entspricht. Der Eigentümer, die Fiege-Gruppe aus Osnabrück, investierte rund 60 Millionen Euro. Reifenhersteller Pirelli ist von Beginn an Mieter des Logistikzentrums. Für das Unternehmen liegt die Halle strategisch gut, nur wenige Kilometer von seiner Reifenproduktion entfernt.
Künftig könnte Dieburg nicht mehr nur Tischtennisfans und Pirelli-Mitarbeitern ein Begriff sein, sondern auch innerhalb der Solarbranche durchaus bekannt werden. Denn in der hessischen Kleinstadt steht die erste Dachanlage Deutschlands, die den Zuschlag bei einer Ausschreibung über die Bundesnetzagentur gewinnen konnte.
Kurzer Draht in die Logistikbranche
Unser Unternehmen Maxsolar hat als verantwortlicher Projektierer diese drittgrößte Dachanlage Deutschlands, im Bundesland Hessen sogar die größte Dachanlage, geplant und gebaut: eine aus zwei Teilen bestehende Photovoltaikanlage auf dem Hallendach, die Mitte März 2019 ans Netz angeschlossen wird.
Maxsolar pflegt seit Langem enge Kontakte in die Logistikbranche. Vor rund zwei Jahren realisierten wir als Generalunternehmen bereits ein ähnliches Projekt in Frankenthal, um den Internethändler Amazon mit grünem Strom vom Hallendach zu beliefern. Mittlerweile haben wir eine neue Unternehmenstochter gegründet: Greenrock Management. Auch deshalb kennen wir die Anliegen und Themen der Logistiker aus dem Effeff. Aus unserem Branchennetzwerk heraus entstand auch der Kontakt zur Union Investment Real Estate und zum Eigentümer des Logistikgebäudes in Dieburg.
Für Gewerbestromprojekte gibt es keine Energielösung von der Stange, und das wird auch künftig so bleiben. Photovoltaikanlagen betrachtet man längst nicht mehr isoliert. Der Stromverbrauch eines Logistikbetriebs ist zum Beispiel geringer als bei einem produzierenden Gewerbe, eine Solarstromanlage sollte deshalb nicht überdimensioniert für den Eigenverbrauch geplant werden. Maxsolar weiß das und bettet die Anlage schon bei der Planung in ein schlüssiges Gesamtkonzept ein.
Die Herangehensweise ist dabei häufig gleich: Unser Beraterteam beginnt mit einer ersten Bestandsaufnahme vor Ort und verfasst eine Machbarkeitsstudie. So können mögliche K.-o.-Kriterien bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt ermittelt werden, bevor überhaupt hohe Kosten für Planung und Prüfung entstanden sind. Auch deshalb benötigen Projekte dieser Größenordnung häufig anderthalb bis zweieinhalb Jahre inklusive Vorbereitung, bis eine Anlage gebaut ist und ins Netz einspeist.
Bevor es an die Umsetzung geht, ermitteln wir den Stromverbrauch und das damit einhergehende Lastprofil des Unternehmens. Dachanlagen mit einer Leistung wie in Dieburg sind mit Solarkraftwerken, die früher auf einer Freifläche gebaut wurden, vergleichbar. Für das Gebäudedach und dessen Statik bedeutet das eine Herausforderung, zumal wenn gleichzeitig die geltenden Vorschriften für sicheren Blitz- und Brandschutz einzuhalten sind.
Zwei separate Anlagenteile
Und immer wieder beeinflussen auch Gesetzesnovellen die Planung. Das im Jahr 2017 geänderte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) legte fest, dass nur noch Anlagen bis 750 Kilowatt Leistung eine Einspeisevergütung ohne Ausschreibung bekommen können. Aufgrund dieser Vorgaben hätte es für das Projekt in Dieburg theoretisch acht Jahre gebraucht, um eine Solaranlage in der geplanten Größenordnung schrittweise aufzubauen.
Maxsolar hat deshalb zwei Anlagenteile kombiniert und angewandt, was die EEG-Clearingstelle als idealtypisches Vorgehen beschrieben hatte. Mittlerweile ist diese Herangehensweise auch bei den Netzbetreibern akzeptiert. Allerdings benötigte die Klärung der räumlichen Nähe zweier Anlagen einige Monate zusätzlich und verlängerte damit die Projektphase. Heute handelt es sich um zwei komplett getrennte Anlagen, die separat im Stammdatenregister der Bundesnetzagentur eingetragen sind. Die kleine Anlage mit 748 Kilowatt Leistung haben wir im September 2018 aufgebaut. Sie agiert vollkommen eigenständig, erhält elf Cent pro Kilowattstunde und soll langfristig, nach der EEG-Einspeisung, den Eigenverbrauch des Gebäudes decken.
Überdurchschnittliche Rentabilität
Die große Anlage mit 5.666 Kilowatt Leistung musste erst über eine Ausschreibung im März 2017 den Zuschlag erhalten, bevor sie realisiert werden konnte. Sie wurde Mitte November 2018 fertiggestellt und erwirtschaftet weniger als 5,5 Cent pro Kilowattstunde, also nur etwa die Hälfte der EEG-Vergütung der kleineren Anlage.
Die Gesamtleistung beider Anlagen summiert sich auf 6,414 Megawatt, die Ertragsprognose geht von 6,5 Gigawattstunden Sonnenstrom jährlich aus. Das Logistikzentrum spart somit pro Jahr 3.193 Tonnen Kohlendioxidemissionen. Dank der Kombination der beiden unterschiedlichen Finanzierungsmodelle arbeitet die Anlage dennoch rentabel: Bei einem überschaubaren Risiko ist ein höherer durchschnittlicher Vergütungssatz pro Kilowattstunde und damit die nötige Rendite für den zukünftigen Erneuerbaren-Energien-Fonds garantiert.
Die Anlage musste zwar neu und individuell geplant werden, bei den Komponenten konnte Maxsolar jedoch auf bewährte Qualitätsprodukte zurückgreifen: Die 20.365 verbauten Module vom Typ Q-Peak Duo-G5 mit je 315 Watt Leistung lieferte die Firma Hanwha Q-Cells. Die Unterkonstruktion Fix Grid stammt von Schletter, ebenfalls aus der bayerischen Nachbarschaft kommen die trafolosen Stringwechselrichter Blueplanet mit 50 Kilowatt Leistung vom Hersteller Kaco New Energy aus Neckarsulm. Alle Komponenten und Hersteller haben sich bereits in erfolgreich umgesetzten Projekten wie dem Logistikzentrum von Amazon bewährt.
Eigenverbrauch antizipieren
Auch wenn wir die Hersteller der Komponenten bereits gut kennen und die Rahmenkonstellation in Dieburg – die Interessen des Anlagenbetreibers, des Gebäudebesitzers und des Gebäudemieters – der anderer Projekte ähnelte: Eine Dachanlage zu errichten, ist weitaus aufwendiger als der Bau einer Freiflächenanlage. Besonders anspruchsvoll war der Netzanschluss der kleineren Solaranlage, der das Logistikgebäude auch mit Eigenstrom versorgen soll. Aktuell sind über die Bundesnetzagentur bezuschlagte Anlagen vom Eigenverbrauch ausgenommen.
Um die 748-Kilowatt-Anlage irgendwann für den Eigenverbrauch nutzen zu können, musste die Trafostation am Einspeisepunkt von vornherein so gebaut werden, dass der Hallenmieter künftig angeschlossen werden kann und über einen Stromliefervertrag vom eigenen Dach versorgt werden kann. Um perspektivisch den Eigenverbrauch gewährleisten zu können, wurde das Arealnetz auf dem Pirelli-Gelände samt der Versorgungsübergabestation mit einem entsprechenden Verknüpfungspunkt für das Verteilnetz ausgebaut.
Fokus auf AC-Netzanschlüsse
Die Kosten für diesen Drehstromanschluss belaufen sich immerhin auf rund 15 Prozent der Projektkosten, die ebenfalls von den Erträgen der Solarstromgeneratoren mitfinanziert werden müssen. Die Netzverknüpfung für den späteren Eigenverbrauch ist ein zunehmend wichtiger, äußerst komplexer Aspekt.
Das Fachforum FNN im Ingenieurverband VDE will demnächst die Vielzahl der aktuell gültigen Anschlussvorgaben in der Mittelspannung reduzieren. Die VDE-AR-N 4110 wird am 27. April 2019 in Kraft treten. Ergänzende technische Bestimmungen des jeweiligen Netzbetreibers kommen noch dazu. Maxsolar wird sich deshalb künftig verstärkt auf die AC-Anschlussbedingungen bei Großprojekten spezialisieren, auch das Thema Fernwirktechnik wird als Dienstleistung angeboten.
Denn der Zeitgeist ändert sich. Immer mehr Gewerbebetriebe fragen, wie können wir unseren eigenen Strom produzieren, wie Elektrofahrzeuge laden und wie Energie kostengünstig speichern? Die erneuerbaren Energien sind ein sich sehr dynamisch entwickelnder Zweig und das wird sich in den Baustandards widerspiegeln. Gebäude- und Anlagenplaner müssen sich kontinuierlich neues Fachwissen aneignen.
Neuer Schub für die Energiewende
Maxsolar will die Fragen der Kunden ganzheitlich beantworten und selbst zum Bauherrn werden, getreu dem Motto: Theorie ist gut, Praxis ist besser. Deshalb planen wir über unsere Firmentochter ein eigenes Logistikzentrum mit 10.000 Quadratmetern Fläche.
Im März 2019 wird es gemäß KfW-55-Standard errichtet. Das bedeutet, es darf nur 55 Prozent des jährlichen Primärenergiebedarfs eines vergleichbaren Neubaus haben. Unsere Logistikzentrale wird 1,2 Megawatt Photovoltaik auf dem Dach haben, ein BHKW an die Seite gestellt bekommen und einen Batteriespeicher mit 1,2 Megawatt Leistung betreiben. Die geplante Ladeinfrastruktur wird sowohl elektrische Lkw als auch Pkw versorgen, unsere Energieversorgung umfassend sein. Doch müssen große Batteriespeicher, anders als Photovoltaikanlagen, 24 Stunden am Tag überwacht werden. Unsere Schwesterfirma Smart Power wird deshalb neben der technischen auch die kaufmännische Betriebsführung des Strompuffers verantworten.
Unser Asset Management wird das ganze Gebäude verwalten, ein Trend, den wir auch beim Aufbau unseres neuen Leitstands in München und Hamburg berücksichtigen. Die Immobilienwirtschaft wird der Solarbranche einen weiteren Schub verleihen. Umgekehrt würde eine dank Solarenergie kohlendioxidfreie Immobilienwirtschaft das Erreichen der Klimaziele enorm erleichtern. Und dahin wollen wir letztendlich.
Maxsolar
Ingenieursdienstleister aus Traunstein
Die Firma Maxsolar mit Hauptsitz im oberbayerischen Traunstein sowie Sitz in München und Hamburg gilt als unabhängiges Generalunternehmen und Planungsbüro für die Errichtung und Optimierung von Photovoltaikanlagen, Speicher und Ladeinfrastruktur. Das auch international agierende Unternehmen errichtet schwerpunktmäßig Photovoltaikanlagen, übernimmt die technische und kaufmännische Betriebsführung sowie die Instandhaltung.
Weiterer Beratungsschwerpunkt der Dienstleistungen für Unternehmen ist der ganzheitliche Ansatz der Erneuerung der Energieversorgung durch Erzeugung über BHKW und Photovoltaik, Speicherung und Vermeidung von Lastspitzen und deren Optimierung sowie die Integration von Elektromobilität inklusive Ladepunkt- beziehungsweise Energiemanagement.
Der Autor
Christoph Strasser
arbeitet seit über zehn Jahren in der Erneuerbaren-Branche, seit 2014 für Maxsolar. Mit der Übernahme der Geschäftsführung im vergangenen Jahr verlagerten sich die Tätigkeitsschwerpunkte vor allem in die Umsatz- und Ergebnisverantwortung sowie Strategie- und Geschäftsentwicklung. Weitere Schwerpunkte, wie das Management der Betreibergesellschaften sowie die Refinanzierung von Projektentwicklungen und neuen Geschäftsmodellen im Bereich der erneuerbaren Energiewirtschaft, ergänzen sein Tätigkeitsfeld. Als stellvertretender Vorstandsvorsitzender und einer der Mitgründer ist er zudem für die Energiegenossenschaft Inn-Salzach, eine der am schnellsten im operativen Geschäft wachsenden Bürgerbeteiligungen Deutschlands, mitverantwortlich.