13 Tipps für Menschen, die wirklich unabhängig sein wollen. So richtig unabhängig, nicht nur bei der Wärme für den Winter. Der technische Fortschritt macht es möglich: Kombiniert man Solarstrom mit einem ausreichend großen BHKW und Stromspeichern, können Sie Ihr Eigenheim autark versorgen, energetisch gesehen. Richtig wirtschaftlich wird das, wenn auch die Autos elektrisch betrieben werden – mit selbst erzeugtem Strom. Aber: Die Idee hat einige Fallstricke, die man unbedingt beachten sollte.
In der Wärmeversorgung gilt die Autonomie längst als Standard, in diesem Segment ist die Versorgung über Netze (Fernwärme) lediglich in manchen Städten ein Thema. Anders beim Strom: Bis vor wenigen Jahren kam elektrischer Strom übers Stromnetz ins Haus. Mit der Photovoltaik ändert sich das. Nun kann Jeder seinen eigenen Strom erzeugen. Was liegt näher, als sich komplett abzunabeln?
1. Kosten und Risiken der Netzversorgung analysieren!
Wer sich in der Stromversorgung wirklich unabhängig machen möchte, sollte zunächst ermitteln, welche Kosten und Risiken im Netzanschluss stecken. Die meisten Eigenheime in Deutschland sind an dreiphasige Niederspannungsnetze angeschlossen. Der Hauszähler gehört in aller Regel dem regionalen Grundversorger. Solange das Hausnetz über diesen Zähler am Stromnetz hängt, kassiert der Staat bei jeder Kilowattstunde selbsterzeugtem Solarstrom mit, hält er bei jeder Kilowattstunde die Hand auf, die man in die Solarbatterie einlagert. Auch die Mehrwertsteuer auf Strom wird fällig, weil Wechselstrom theoretisch gehandelt werden kann – auch wenn man ihn im eigenen Haus nutzt. Ganz zu schweigen von der Zählermiete und den Netzgebühren. Letztere dürften in den kommenden Jahren weiter steigen.
2. Dächer und andere Flächen ermitteln!
Um sich unabhängig zu machen, braucht man möglichst viel Fläche, die sich für Solargeneratoren nutzen lässt. Man braucht mindestens so viel, dass im Sommer der gesamte Bedarf an Haushaltsstrom und Warmwasser gedeckt wird, bis möglichst weit in die Übergangszeit hinein. Auch der Strom für elektrische Fahrzeuge (Rollstühle, Rasenmäher, Pedelecs, Autos und so weiter) sollte man möglichst lange mit Photovoltaik abdecken. Je mehr die Solargeneratoren abdecken (auch in kühlen oder regnerischen Jahren), desto weniger muss man aus einem zweiten Generator erzeugen.
3. Strombedarf im Winter ermitteln!
Kritisch ist die komplette Eigenversorgung im Winter, wenn der Sonnenstrom vom Dach nicht mehr ausreicht. Dann muss in der Regel ein Blockheizkraftwerk (BHKW) einspringen. Es nutzt Diesel oder Erd- und Biogas als Brennstoff, um Strom und Heizwärme zu erzeugen. Die Heizwärme ist die Abwärme des Motors, der den Generator treibt. Diese Wärme lässt sich gut zur Heizung nutzen. Der Drehstrom aus dem BHKW versorgt das Gebäude in der lichtschwachen Jahreszeit, und wenn Schnee auf den Solarmodulen liegt.
4. Das richtige Tandem finden!
Ohne Photovoltaik ist Unabhängigkeit nur möglich, wenn man viel Gas oder Diesel verbrennt. Deshalb gilt: Je mehr Solargeneratoren installiert werden, desto kleiner kann das BHKW ausfallen. Die Grenze für das BHKW ist der Bedarf des Hauses an Heizwärme - wenn die Heizung mit klassischen Radiatoren oder anderen wassergeführten Heizkörpern ausgeführt wird. Wird das Haus ausschließlich elektrisch beheizt, entscheidet der Winterstrombedarf über die elektrische Leistung und damit über die Größe des BHKW, das mindestens benötigt wird.
5. Die Speicher genau auslegen!
Wie gut Solargeneratoren und Motorgeneratoren miteinander agieren, hängt entscheidend von den verfügbaren Speichern für den erzeugten Strom und die Abwärme des BHKW ab. Prinzipiell können Photovoltaikanlage und BHKW in die gleiche Solarbatterie speisen. Dabei wird die Solaranlage über Wechselstrom an den Akku geführt. Das sollte dann ein dreiphasiger Akku sein, ausreichend groß, um auch viel Sonnenstrom im Sommer gut zu puffern. Der thermische Pufferspeicher für die Heizung im Winter bemisst sich nur nach der Abwärme des BHKW (thermische Leistung) und dem Heizregime im Haus. Warmwasser sollte stets elektrisch erzeugt werden, um das thermische System und das BHKW im Sommer komplett stilllegen zu können.
6. Unbedingt auf Elektromobilität umsteigen!
Besonders wirtschaftlich ist die Selbstversorgung, wenn man auch die Autos und alle anderen Fahrzeuge im Haushalt auf elektrische Antriebe umstellt. Dann kann man die Autobatterien als Zwischenspeicher für den Strom nutzen. Mit bidirektionalen Ladesystemen kann ein solches Elektroauto ins Haus zurückspeisen. Der Vorteil: Man kann den stationären Stromspeicher im Haus viel kleiner bauen, spart an dieser vergleichsweise teuren Komponente. Das meiste Geld geben private Haushalte in der Regel für Aufwendungen aus, die mit dem Auto zusammenhängen. Das ist in erster Linie der Sprit. Tankt das Auto seine Energie direkt am Haus, kann sich ein solches Selbstversorgungssystem innerhalb weniger Jahre rechnen.
7. Auf minimalen Brennstoffbedarf auslegen!
Ein BHKW braucht einen Brennstoff, er muss ins Haus kommen. Das können Tanks (Diesel, Gas) sein, oder verrohrte Leitungen zum örtlichen Gasnetz. Die Preisentwicklung fossiler Brennstoffe ist schwer vorherzusagen. Deshalb sollte das Gesamtsystem auf minimalen Brennstoffbedarf ausgelegt sein. Lieber mehr Photovoltaik auf die Dächer bringen, lieber den Stromspeicher etwas größer wählen! Die Tanks brauchen regelmäßige Durchsicht, auch die Gasleitungen müssen einmal im Jahr von einem Experten begutachtet werden. Alle zwölf Jahre ist die Gasanlage testweise abzudrücken.
8. Abwärme nicht unterschätzen!
Ein BHKW mit Verbrennungsmotor erzeugt Abwärme, auch wenn man sie nicht braucht. Der Motor ist wassergekühlt, wenn man die Abwärme für die Heizung nutzen will. Luftgekühlte Motoren sind die Ausnahme, weil man sehr große Ventilatoren und entsprechende Luftmengen braucht (große Querschnitte der Zuluftkanäle, störende Geräusche), um die Wärme abzuführen. Man sollte sich vor Kauf des BHKW genau überlegen, auf welche Weise sich die Abwärme nutzen lässt. Wer keine klassische Heizung im Haus hat und elektrisch heizen will, sollte lieber eine Brennstoffzelle nutzen.
9. Brennstoffzellen: Kalte BHKW sind noch sehr teuer!
Brennstoffzellen sind BHKW ohne Abwärme. Mittlerweile sind sie technisch ausgereift, aber in der Anschaffung noch sehr teuer, viel teurer sogar als Lithiumspeicher. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Preise langsam und stetig sinken. Brennstoffzellen nutzen die kalte Fusion von Wasserstoff und Sauerstoff an einer Membran aus, um elektrische Energie zu gewinnen. Doch Wasserstoff ist ein gefährliches Gas, das niemand gern im Haus hat (Knallgasgefahr). Deshalb nutzen die meisten am Markt verfügbaren Brennstoffzellen das bekannte Erdgas als Brennstoff. Zunächst wird es durch einen Reformer geleitet, in dem die Kohlenwasserstoffe (zum Beispiel Methan) in Wasserstoff und Sauerstoff reduziert werden. Der unschlagbare Vorteil dieser Geräte: Brennstoffzellen bleiben kalt, es gibt kein Problem mit der Abwärme. Kombiniert man sie mit Photovoltaik, kann man Strom, Heizwärme, Warmwasser und Mobilität komplett mit elektrischer Energie abdecken – im Sommer mit Solargeneratoren, im Winter mit Brennstoffzelle, in der Nacht aus dem Stromspeicher. Dann gibt es auch kein Problem mit Abgasen mehr.
10. Das Abgas ist der Pferdefuß eines BHKW!
Womit wir beim Abgas wären. Jeder Brenner braucht Sauerstoff (Luftzufuhr), und er braucht eine Abgasleitung, unter Umständen sogar eine Abgasreinigung. Deshalb ist unbedingt von BHKW abzuraten, die Holz(pellets) verbrennen. So etwas wird am Markt angeboten, doch das Feinstaubproblem verschweigen die Hersteller gern. Feinstaub und Ruß sind bei Dieselaggregaten ebenfalls ein Problem, aber durch die übliche Abgastechnik recht gut gelöst. Die geringsten Emissionen setzen Gasmotoren frei, aber sauber kann man sie deshalb trotzdem nicht nennen. Generell braucht ein BHKW für den Anschluss und Betrieb die Freigabe des zuständigen Kaminkehrers, auch Schornsteinfeger genannt. Er schlappt regelmäßig durchs Haus, um das Aggregat, die Abgasleitungen, Kamine und gegebenenfalls Filter zu überprüfen.
11. Wartungskosten vorher ermitteln!
Photovoltaik braucht Wartung, aber nur wenig. Ein BHKW hingegen muss alle paar Monate durchgesehen und gesäubert werden. Die Verbrennung im Innern erreicht mehr als tausend Grad Celsius, Zündung und Kontakte sind zu pflegen. Alle zwei Jahre wird ein BHKW gründlich durchgesehen, um Verschleißteile auszuwechseln, das Spiel der Lager neu einzustellen und so weiter. Das heißt: Wer wirklich unabhängig sein will, muss sich auf vielfältigen Besuch durch Fachinstallateure oder den Kaminkehrer einstellen. Zudem ist das BHKW eine kritische Komponente, wie der Wechselrichter der Photovoltaikanlage: Wenn es ausfällt, gibt es keine Energie. Dann wird es dunkel im Haus, dann läuft auch die Heizung nicht mehr. Glücklich ist, wer dann noch so viel Strom im Akku seines Handys hat, dass er den Technikservice anrufen kann.
12. Notstrom und andere Backups planen!
Deshalb sollte man unbedingt einplanen, dass es bei Ausfall der Technik eine gewisse Überbrückung gibt. Im Sommer ist es unter Umständen kein Problem, für ein paar Stunden auf Strom zu verzichten, Wärme wird ohnehin nicht benötigt. Außerdem gibt es ja den Stromspeicher (Solarakku), der Notstrom liefern kann. Im Winter hingegen kann die Sache kritisch werden. Wenn das BHKW aus irgendeinem Grund seinen Geist aufgibt, stehen weder Strom noch Wärme zur Verfügung. Auch kann man ein BHKW aufgrund der aufwändigen Verrohrung (Wasserkühlung, Abgas, hydraulische Anschlüsse an den Pufferspeicher) nicht einfach austauschen. Dafür sollte ein kleiner Notfallbrenner (Gastherme) oder ein Scheitholzkamin (mit Wassertasche) bereitstehen. Kleine Notstromaggregate für Benzin gibt es für wenige hundert Euro zu kaufen. Sie lassen sich im Ernstfall schnell anwerfen, um zumindest den Notstrom abzudecken und den Batteriespeicher neu zu laden.
13. Installation dem Fachhandwerker überlassen!
Für die Planung eines Systems zur vollständigen Selbstversorgung brauchen Sie unbedingt erfahrene Planer, die sich in diesem Metier auskennen, auch mit BHKW und den einschlägigen Vorschriften. Der Einbau der Komponenten und Geräte sollte von Fachhandwerkern erledigt werden. Die Installateure und Anlagenplaner kennen meteorologische und regionale Eigenheiten, haben oft schon ähnliche Systeme gebaut und Häuser damit ausgestattet. Ein gutes System lässt sich innerhalb eines Tages installieren und in Betrieb nehmen, das ist kein Hexenwerk. Der Installateur kann auch die Wartung übernehmen und die regelmäßigen Durchsichten erledigen.
Einen guten Installationsbetrieb erkennt man – neben seinen Referenzen – daran, dass er die Anlagenwartung nach der Inbetriebnahme und den Blitzschutz für die Photovoltaik von vorneherein mit anbietet. Auch sollte der Betrieb den Anlagenpass (Dokumentation der Solaranlage) und den Speicherpass (Stromspeicher für Gebäude) des Solarverbandes BSW Solar ausstellen – und zwar ungefragt. (Heiko Schwarzburger)
Diese und weitere Tipps unseres Autors rund um die effiziente Versorgung von Wohngebäuden mit erneuerbaren Energien finden Sie hier.