Kohleausstieg: Wie auch immer er gestaltet wird – wenn erneuerbare Energien in den Revieren in großem Maßstab ausgebaut werden sollen, müssen die Kohlepläne geändert werden. Fachanwalt Siegfried de Witt erläutert, was der Gesetzgeber tun kann.
Petra Franke: Wer regelt die Flächenverwendung für die Braunkohleunternehmen?
Siegfried de Witt: Die jetzt im Braunkohlebergbau aktiven Unternehmen sind an die geltenden Braunkohlepläne gebunden, die der Landesgesetzgebung entspringen. Sie sehen für bereits im Abbau befindliche, aber auch für die Abbaukippen bestimmte Ziele vor. Wenn Sie sich diese Pläne für die Lausitz anschauen, dann sind da Restlöcher, die zu Seen werden sollen, Landwirtschafts- und Forstflächen und etwas Naturschutz. Mehr ist den Planern tatsächlich nicht eingefallen.
Was wäre zu tun, um daran etwas zu ändern?
Der Gesetzgeber hat durchaus die Möglichkeit, Änderungen der Braunkohlepläne vorzunehmen. Er könnte Vorrangflächen für Wind oder Photovoltaik festlegen. Das ginge übrigens auch im Rahmen der Regionalplanung für die Flächen, die von der LMBV saniert werden. Der jeweilige Landesgesetzgeber hat also einen sehr starken Einfluss auf die künftige Nutzung.
Haben die Braunkohleunternehmen ein Mitspracherecht?
Die Leag beispielsweise ist ja Grundstückseigentümer und kann deshalb auch entscheiden, was auf ihren Flächen im Rahmen der Pläne passiert oder nicht. Wenn das Unternehmen keine Photovoltaik bauen will, kann man es nicht zwingen. Deshalb wäre ein weiterer wichtiger Punkt hilfreich: Es müsste gesetzlich geregelt werden, dass ein Solar- oder Windpark ab einer bestimmten Größe dem Allgemeinwohl dient. Dann nämlich könnte die Gemeinde eine entsprechende Bauleitplanung machen und diese Flächen sogar enteignen, um sie als Photovoltaik- oder Windpark zu nutzen.
Welche Argumente sprechen für das Gemeinwohl eines Solarparks?
Das ist eine politische Entscheidung. Wenn man für die künftige Energieversorgung erneuerbare Energien nutzen will, könnte es im Interesse des Gemeinwohls sein, sie dort zu produzieren, wo die Infrastruktur bereits besteht. Anders formuliert: Ein Solarpark auf einer dieser Flächen mit einer Mindestgröße von beispielsweise fünf Hektar dient dann dem Wohl der Allgemeinheit. Voraussetzung ist aber die Änderung des Braunkohleplans für zukünftige und bereits aktive Abbauflächen.
Die Restlöcher, die zu Seen werden, könnten ja mit schwimmender Photovoltaik ausgestattet werden. Gäbe es für solche Ideen andere Wege?
Wenn das Restloch zum Kraftwerk mit schwimmender Photovoltaik auf der Wasseroberfläche wird, gilt das gleiche Prinzip. Der Kohleplan müsste diese Fläche von der Erholungsfläche zur Kraftwerksfläche umwidmen. Und da in der Lausitz bereits viele Seen als Erholungsfläche ausgewiesen sind, gibt es da sicher Möglichkeiten für solche Flächennutzungen.
Was sind die anstehenden praktikablen Schritte?
Eine Gesetzesinitiative auf Landesebene ist ein realistischer Schritt. Die Änderung des Braunkohleplans sollte sich allerdings nicht auf die noch nicht aufgeschlossenen Flächen beschränken, sondern auch die bereits abgebauten einbeziehen. Der Braunkohleplan wirkt wie ein Regionalplan. Da kann eine Gemeinde keine konträre Bauleitplanung aufstellen. Deshalb muss der Braunkohleplan zuerst geändert werden.
Wären bei einem vorzeitigen Kohleausstieg Entschädigungen an die Braunkohleunternehmen zu zahlen?
Ohne Entschädigung wird es nicht gehen. Das sind genehmigte Anlagen. Das Argument, dass die Anlagen bereits abgeschrieben sind, wirkt nicht. Diese Frage stand auch beim ersten Atomausstieg im Raum: Wie lange müssten die Meiler laufen, bis sie entschädigungslos enteignet werden können? Das kann man letztlich erst wissen, wenn man das Bundesverfassungsgericht mit einem Urteil verlässt. Eine Vertragslösung mit allen Eigentümern und Betreibern wäre der richtige Weg. (PF)
Lesen Sie das vollständige Interview in der Dezemberausgabe der photovoltaik, die am 13.12.2018 erscheint.
Siegfried de Witt ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte heute ist das Umwelt-, Energie- und Atomrecht. Er beriet unter anderem Gemeinden und Bürger in der Lausitz bei Umsiedlungs- und Entschädigungsvereinbarungen. Anfang der 2000er-Jahre arbeitete er als Berater für die rot-grüne Bundesregierung und war an der Ausarbeitung des Atomkonsens beteiligt.
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