Gleich neben der Zufahrt zum Warenlager beginnt die Hinterhofidylle: Üppig wucherndes Efeu, blau blühende Topfpflanzen, ein runder Holztisch, gusseiserne Klappstühle und ein Gartengrill. „Wenn es noch etwas wärmer wird, sitzen wir hier manchmal nach Feierabend zusammen“, erzählt Matthias Kaiser, Marketingleiter der Phaesun GmbH. Auch das Büro von Geschäftsführer Tobias Zwirner versprüht an diesem Aprilnachmittag Familienatmosphäre. Die siebenjährige Tochter Emma konzentriert sich am Rand seines Schreibtischs auf ihre Schulbücher und Vokabelhefte, Papi telefoniert nebenan. Mutti bearbeitet am gegenüberliegenden Schreibtisch Excel-Tabellen – sie ist die Buchhalterin des Unternehmens.
Global aufgestellt
Spätestens beim Blick auf die vier Weltuhren am Kopfende des benachbarten Hauptbüros, die die Zeit am Standort der Firmenvertretungen in Eritrea, den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Kuwait und Panama anzeigen, wird jedoch klar, dass der Memminger Mittelständler global aufgestellt ist. Innerhalb von sieben Jahren entwickelte sich Phaesun zu einem der führenden Anbieter von netzunabhängigen PV-Anlagen. Allein im vergangenen Jahr stieg der Umsatz um 30 Prozent. Grundlagen des Geschäfts sind der Großhandel mit etwa 2.500 Komponenten und die Planung, Installation und Wartung von Anlagen. In den vergangenen Jahren wurden schon hunderte von Projekten, beispielsweise im Bereich der ländlichen Elektrifizierung, der Bewässerung oder Telekommunikation realisiert. Mittlerweile werden Kunden in über 80 Ländern betreut. Drei Teams beantworten im Schichtbetrieb telefonisch und online Anfragen, ihre Arbeitsplätze sind mit Sichtschutzscheiben voneinander abgetrennt. So bunt gemischt wie die Hautfarben der Mitarbeiter des Servicecenters sind auch ihre Herkunft und Sprache: Aus der Ecke von Amar Chikha und seiner Frau Meriem ist in gedämpfter Lautstärke Arabisch zu hören; aufgewachsen sind beide in Algerien. Russom Semere kommt aus Eritrea, er berät gerade einen dortigen Kunden in der Landessprache Tigrinya. Sinan Erki spricht türkisch, deutsch und englisch. Seine spanischsprachige Kollegin nutzt eine kurze Pause für einen Schluck Kaffee, bevor das Telefon wieder klingelt.Offgrid von A bis Z
Im Warenlager geht es um diese Uhrzeit am späten Nachmittag ruhig zu. In Dutzenden von Regalen stapeln sich Wechselrichter, Batterien, Solarlampen, Laderegler, Energiesparlampen, Kabel, Pumpen, Stecker und Module mit einer Leistung von 5 bis 140 Watt. „Wir führen das komplette Sortiment an Komponenten für kleine und mittlere Offgrid-PV-Anlagen“, sagt Marketingleiter Kaiser und streicht sich eine Strähne aus der Stirn. Module deutscher Hersteller sind auf den ersten Blick in den Regalablagen jedoch nicht zu sehen. Ins Auge springen Kartonbeschriftungen mit Suntech und ET Solar.„Die meisten deutschen Hersteller sind kaum in der Lage, uns etwa 100 Stück Module mit zehn Watt Leistung in höchster Qualität zu einem akzeptablen Preis zu liefern. Die konzentrieren sich meist auf größere Serien mit höherer Wattzahl“, begründet Kaiser die Präferenz für die beiden chinesischen Hersteller. Als amorphe Variante führe man allerdings Schott-Module sowie für EU-Ausschreibungen kristalline Module der italienischen Istar Solar. Bei den übrigen Komponenten, die zu Tausenden in dem schmucklosen Raum lagern, finden sich mehr deutsche Namen, beispielsweise Elektronikzubehör oder Gleichstrom-Kühlschränke der benachbarten Memminger Steca, Wechselrichter von SMA, Batterien von Hoppecke oder der Intact- Serie der örtlichen Keckeisen Akkumulatoren sowie Wasserpumpen von Lorentz oder Grundfos. Doch besonders häufig sind Produkte von Sundaya zu sehen. Seit fünf Jahren kooperiert Phaesun mit dem indonesischen Hersteller und vertreibt dessen PV-Sortiment exklusiv in Europa, Lateinamerika und Afrika.
Neuheiten für die Intersolar
Auf der Intersolar präsentieren die Memminger die neue Sundaya-Ulitium-Serie. Sie umfasst LED-Lampen mit einem Wirkungsgrad von 23 Prozent, LCD-Fernseher und Solarmodule. Die Elektronik und ein Lithium-Ionen-Akku sind bereits in die Geräte integriert. Über eine Verteilerbox kann das Solarmodul direkt angeschlossen werden, ein Laderegler ist überflüssig. Bei einer Leuchtstärke von 240 Lumen kann man bis zu 7,5 Stunden Licht erzeugen. Der Akku hält bis zu sechs Jahre und kann dann problemlos getauscht werden. „Solche Systeme, die sich einfach montieren lassen und langlebig sind, sind ideal für sich entwickelnde Märkte wie in Afrika“, sagt Kaiser. Auf eine einfache Handhabbarkeit kommt es auch bei den Emergency Kits an, die in Holzkisten verpackt, in einer Ecke des Lagerraums aufgestapelt sind. In den kleineren Kisten sind die Batterien und Laderegler, in den größeren Kisten die Module untergebracht. „Die gehen für Katastropheneinsätze ans Internationale Rote Kreuz in Genf, mit denen haben wir einen Rahmenvertrag“, erzählt Jürgen Grosser, Direktor Systeme and Projekte bei Phaesun. Der drahtige Mittfünziger ist ein alter Hase im PV-Geschäft, schon vor 20 Jahren war er für Siemens Solar weltweit unterwegs. Nun pendelt der gelernte Elektrotechniker zwischen Memmingen, Kuwait, Kamerun oder Bolivien, um bei Bedarf Kunden vor Ort zu betreuen und zusammen mit örtlichen Partnern bei Installationen zu helfen.Lange Erfahrung mit Offgrid
„Bei uns bringt jeder viel Erfahrung mit“, sagt Geschäftsführer Tobias Zwirner. Zwölf Jahre lang arbeitete er beim Memminger Elektronikhersteller Steca und baute dort die internationale Solarsparte für Offgrid- Anwendungen auf, bevor er 2001 zusammen mit sechs Gesellschaftern die Phaesun GmbH gründete. „Ich wollte eigentlich etwas ganz anderes machen“, erinnert sich der heute 41-Jährige, „doch ein griechischer Kunde von Steca, Panagiotis Sigalas, der damals schon seine eigene Solarfirma hatte, überzeugte mich, weiter bei der Photovoltaik zu bleiben.“ Auf einer Überfahrt mit der Fähre nach Santorin entstand dann der Name Phaesun, abgeleitet vom griechischen Wort Phaethon, dem Sohn des Sonnengotts Helios. „Unsere Grundidee war, nicht nur wie andere Unternehmen einzelne Komponenten, sondern ganze Systeme für Offgrid-PV anzubieten“, erzählt Tobias Zwirner.Als erster Teilhaber stieg der Sohn des Ideengebers, Mario Sigalas, in das Unternehmen ein. Über gegenseitige Kontakte und Geschäftsbeziehungen kamen bald noch weitere Partner ins Spiel: Helmut Zeltner, der jetzige Geschäftsführer von Frankensolar in Nürnberg, der Pumpen-Experte Francis Hillmann aus Eritrea, Hassan Abdalla aus dem Sudan, ein Experte für Telekommunikationsanwendungen, sowie Finanzfachmann Jörg Hardt, mittlerweile Unternehmensberater bei Ernst & Young.
Internationales Netzwerk zählt
Das breite Know-how und das internationale Netzwerk des Gründerteams machten sich bald bezahlt. Nachdem der Grundstock für die Memminger Zentrale in einem angemieteten Gebäude gelegt war, wurde schon nach wenigen Monaten die erste ausländische Niederlassung in Eritrea gegründet. Es folgten die ersten großen Projektaufträge wie für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zur ländlichen Elektrifizierung im Sudan, und der Produktverkauf wurde aufgebaut. Mittlerweile gehen die ausländischen Delegationen in der Memminger Luitpoldstraße ein und aus. So etwa sechs Vertreter des irakischen Ministeriums für Elektrizität, die vor kurzem eine Woche lang in Memmingen in Sachen Offgrid-PV geschult wurden. „Der Kontakt zum Irak kam über unsere Vertretung in den Vereinigten Arabischen Emiraten zustande“, erzählt Zwirner. Dort gründete Phaesun vor zwei Jahren ein Tochterunternehmen.Eine wichtige Rolle beim Knüpfen von Geschäftsbeziehungen spielen auch Messen wie die Intersolar in München. Zudem beteiligt sich Phaesun regelmäßig an Ausschreibungen für internationale Projekte der Vereinten Nationen, des Internationalen Roten Kreuzes oder der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). „Viele unserer Aufträge laufen jedoch über alte Kontakte, die Solartechnik kommt ja aus dem Inselbereich, früher haben sich da fast alle persönlich gekannt“, betont der Geschäftsführer. Das passt gut zu einem der Unternehmensmottos von Phaesun, das eingerahmt im Büro von Zwirner hängt. „We are the off-grid family“.