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Je flexibler, desto besser

Hierzulande sind in den vergangenen 15 Jahren rund 76,6 Gigawatt Leistung aus Wind- und Sonnenenergie ans Netz gegangen. „Und das praktisch störungsfrei“, kommentiert Professor Jochen Kreusel und ergänzt: „Noch vor zehn Jahren hätte das kaum jemand für möglich gehalten.“ Denn Unkenrufe gab es nicht wenige. Kreusel leitet das weltweite Smart-Grids-Programm des ABB-Konzerns und den Innovationskreis des Verbands der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik (VDE).

Allerdings lägen die „wirklichen Herausforderungen der Systemintegration“ noch vor uns, wenn es darum gehe, das nächste Viertel der Erneuerbaren zu integrieren, gibt Kreusel auf der Tagung „Zukünftige Stromnetze für erneuerbare Energien“ in Berlin zu bedenken. Also wenn es darum geht, den derzeitigen Ökostromanteil am Strommix von 25 auf 50 Prozent zu steigern.

Immerhin ist das Ziel der Bundesregierung, diesen Anteil bis 2050 auf mindestens 80 Prozent hochzufahren. Denn nur so wird das vereinbarte Klimaziel erreicht. Niedrige Auslastungsdauer und hohe Einspeisespitzen nehmen also weiter zu. Bislang würden die Erneuerbaren nach „alter Philosophie“ in das bestehende System integriert, erklärt Kreusel. „Netz- und Systemdesign sollten künftig zwar nicht exklusiv auf erneuerbare Energien ausgerichtet sein“, sagt er, „aber sie sollten als inzwischen sehr großer und weiter wachsender Systembestandteil berücksichtigt werden.“ Nur so lasse sich „ein Gesamtoptimum“ mit einer bezahlbaren, zuverlässigen und nachhaltigen Energieversorgung erreichen. Das klassische Zieldreieck der Energieversorgung gelte weiterhin – und unverändert.

Innovationen sparen Kilometer

Bis zu 120.000 Kilometer. Oder eine Fahrt drei Mal um die Erde. Das entspricht der Strecke, um die das Stromnetz allein auf der Niederspannungsebene ausgebaut werden müsste, um den Ökostrom in den kommenden Jahren zu integrieren. Jedenfalls wenn das Netz weiter traditionell geplant und betrieben wird. Sprich, wenn weiter alle Lastspitzen – also Extremfälle – integriert werden.

Die Mitte September 2014 vorgestellte Verteilnetzstudie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) kommt auf Ausbaukosten für die Verteilnetze von mindestens 23 Milliarden Euro bis 2032. „Innovative Betriebsmittel und Betriebsführungsprinzipien sparen Kosten und Netzkilometer“, weiß der Co-Autor der Studie, Jens Büchner. Er ist Geschäftsführer von E-Bridge Consulting aus Bonn. Allerdings bekommen das die Netzbetreiber nicht vergütet.

Durch innovative Planungskonzepte wird der Verteilnetzausbau zwar um mehr als 60 Prozent und die Gesamtkosten um ein Fünftel gesenkt. Es findet aber in der Regel eine Verschiebung zu höheren Betriebskosten statt. So erhöhen sich die Betriebskosten an den Ausbaukosten auf bis zu 40 Prozent, verglichen mit rund 16 Prozent beim konventionellen Netzausbau, errechnet Büchner.

Die Rendite zählt

Das heutige Anreizsystem fokussiert sich allein auf eine Eigenkapitalrendite und auf kurzfristige Gewinne. Die werden unter anderem durch geringere Betriebskosten erzielt. Fazit der Studie: „Maßnahmen, die zu langfristig sinkenden Kapitalkosten und steigenden Betriebskosten führen, sind für einen Verteilernetzbetreiber im aktuellen Regulierungsrahmen weniger interessant, selbst wenn durch diese Maßnahmen die Gesamtkosten sinken.“ Die heutige Regulierung gebe deshalb nur bedingt ein Signal für die Kostenoptimierung. Dies wäre aber nötig, um die Verteilernetze günstiger aus- und umzubauen. Um den Netzausbau zu reduzieren, gebe es laut Büchner vier Maßnahmen: Erzeugungs- sowie Lastmanagement, Maßnahmen zur Spannungshaltung und regelbare Ortsnetztransformatoren.

Ein Regler hält die Spannung

Denn durch die schwankende Einspeisung von Ökoenergien aus Sonne und Wind stoßen viele Netze mittlerweile an Grenzen. Begrenzender Faktor ist meist nicht die Übertragungsfähigkeit der Leitung an sich, sondern die Einhaltung des zulässigen Spannungsbandes. Dies gilt insbesondere für den ländlichen Raum, in dem rund 80 Prozent des Ökostroms erzeugt werden. Die entstehenden Spannungsprobleme könnten durch den konventionellen Ausbau des Netzes gelöst werden. Beispielsweise durch neue Kabel mit einem größeren Querschnitt. Das ist allerdings teuer.

Eine Alternative gibt es in der Eifel zu besichtigen: Ein Netzbetreiber testet einen Mittelspannungsregler. Die RWE-Tochter Westnetz investiert nach eigenen Angaben mehrere Hunderttausend Euro für einen neuen Regler und dessen Systemeinbindung. Dieser ist ans Verteilnetz mit einer Spannung von 20.000 Volt zwischen Bitburg und Biersdorf angeschlossen. Die Technik ist innovativ. Denn die Pilotinstallation ändert das Spannungsniveau bei Bedarf zwischen plus und minus zehn Prozent. Der Regler hält damit die Spannung im Verteilnetz stabil. Denn bei einer größeren Abweichung aus dem Spannungsband besteht die Gefahr, dass elektrische Geräte beschädigt werden. Der Mittelspannungsregler ist in einer Betonkonstruktion eingegossen. Ein Vorteil der Konstruktion: Techniker können die Betonstation später einfach an einen anderen Standort versetzen.

Intelligente Zähler

„Die Transformation des Stromsystems ist allerdings nicht nur technisch zu verstehen“, sagt Marco Nicolosi, Geschäftsführer der Beratung Connect aus Berlin. „Sondern das betrifft genauso Regulierungsvorgaben.“ Diese Vorgaben sind keine Naturgesetze, sondern von Menschen gemacht. Beispielsweise sei der Preis für Regelenergie, entgegen allen früheren Befürchtungen, nicht explodiert. „Sondern der Preis ist heute niedriger als je zuvor, weil nun auch kleinere Marktteilnehmer diese Leistung anbieten können“, erklärt Nicolosi. Nun gelte es also, die Rahmenbedingungen parallel zu entwickeln.Das Potenzial einer Lastverschiebung von großen Industriebetrieben gilt es künftig ebenfalls zu erschließen, wenn es nach der Bundesregierung geht. Voraussetzung dafür sind intelligente Messsysteme und Zähler. Die Regierung will sie ab 2017 für Verbraucher von mehr als 20.000 Kilowattstunden einführen. Das Kabinett soll die Vorgabe noch im Sommer 2015 beschließen.

Der Plan: Smart Meter helfen den Erneuerbaren bei der künftigen Marktintegration. Denn über die Kommunikationseinheit, den sogenannten Smart Meter Gateway, werden künftig kleine Erzeugungsanlagen, Elektromobile, Wärmepumpen und Nachtspeicherheizungen in ein intelligentes Energie- und Kommunikationsnetz eingebunden. Dies ermöglicht dem Netzbetreiber und Direktvermarkter eine bessere Steuerung von Ökostromanlagen. Zudem können Smart Meter durch unterschiedliche Preistarife die Stromnachfrage steuern.

Wirkungsvoller Hebel

Je direkter Preissignale auf die Stromnachfrage von Unternehmen einwirken, desto besser. Die Ökoenergieerzeugung wird so sicherer und preiswerter. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie, die das Fraunhofer IWES und das Beratungsunternehmen Energy Brainpool im Auftrag des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) erstellt hat. Das bedeutet, in Zeiten starker Nachfrage die Preise zu erhöhen und eine geringe Nachfrage über entsprechende Preissignale anzukurbeln. Kostenvorteile der Stromerzeugung aus Erneuerbaren werden so an den Endkunden weitergegeben.

Die Wirtschaftlichkeit jeder einzelnen flexiblen Option bestimmt ihren Einsatz. So kann eine schwankende Stromproduktion über entsprechende Preissignale ausgeglichen werden. Anstatt Überschüsse zu exportieren, können sie beispielsweise in den Wärmesektor verschoben oder durch flexible Industrieanlagen verbraucht werden. „Die Stromnachfrage kann systematisch und dauerhaft an die fluktuierende Erzeugung von Wind- und Solarenergie angepasst werden“, erklärt Malte Jansen vom Fraunhofer IWES. Das senke sowohl die Spitzenlast als auch den Bedarf an gesicherter konventioneller Leistung erheblich.

Allerdings: „Am Spotmarkt sind derzeit nur geringe Preisspreads zwischen den einzelnen Stunden vorzufinden“, heißt es in der Studie. Eine Synchronisierung in der Erzeugung bei Herstellung und Verbrauch senke Kosten und baue Markthemmnisse ab, sagt Hermann Falk, Geschäftsführer des BEE. Ein flexibler Strommarkt sei eine Grundlage, um Sonnen- und Windstrom günstig zu nutzen.

Erneuerbare tragen Verantwortung

„Für die Energiewende ist das entscheidend“, sagt BEE-Geschäftsführer Hermann Falk. „Damit kann sich das Marktsystem auf die erneuerbaren Energien ausrichten und die Erneuerbaren können zugleich mehr Verantwortung übernehmen.“ Fazit: Der Ausbau erneuerbarer Energien führt zu einer wachsenden Bedeutung der Netze auf allen Ebenen. Der Grund liegt im synchronen Auftreten lokaler Einspeisespitzen. An der norddeutschen Küste gibt es naturbedingt viel Wind, während sich die Photovoltaikeinspeisung im Süden des Landes konzentriert – wenn auch etwas besser verteilt. Eine bessere Abstimmung innerhalb des Systems zwischen Erzeugung, Netzen und Verbrauchern wird künftig wichtiger.

Dezentral und europäisch

„Die bisherige Praxis, dass die Netze dem durch Erzeugung und Verbrauch vorgegebenen Bedarf folgen, wird dem nicht gerecht“, erläutert ABB-Mann Kreusel. Das zeigt einerseits, dass es noch Forschungsbedarf bei den verschiedenen Themen gibt. Andererseits spielt der Aus- und Umbau des Stromnetzes für viele verschiedene Akteure eine Rolle. Die Energieversorgung der Zukunft ist dezentral und sollte auch im europäischen Kontext gedacht werden. Kreusel: „Deutschland kann froh sein, an vier Grenzen mit großen Nachbarländern und Energiemärkten verbunden zu sein.“

https://www.bee-ev.de/

OTTI-Konferenz

Zukunftsnetze für Ökostrom

Rund 120 Experten haben Ende Januar 2015 im Berliner Hilton Hotel über den Aus- und Umbau des deutschen Stromnetzes diskutiert. Das verkündete der Veranstalter, das Ostbayerische Technologie-Transfer-Institut (OTTI). Es trafen Vertreter der klassischen Energiewirtschaft wie RWE, ABB und Siemens auf Vertreter der neuen Akteure wie SMA Solar und Windkraftpionier Enercon. „Das zeichnet gerade die Veranstaltung aus“, sagt der fachliche Leiter der Konferenz, Jochen Kreusel von ABB. Es gehe nicht darum, sich die eigene Meinung zu bestätigen, sondern anderen Argumenten zuzuhören. Jetzt schon vormerken: Die Konferenz wird im Januar 2016 zum dritten Mal ausgetragen.

http://www.zukunftsnetz.net

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Smart Meter helfen Ökostrom

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat die Eckpunkte für das Verordnungspaket Intelligente Netze veröffentlicht. In einem System mit immer mehr Sonnen- und Windstrom ist es eine Herausforderung, Angebot und Nachfrage nach Strom in Einklang zu bringen. „In der Stromversorgung der Zukunft werden netzdienliche und marktlich induzierte last- wie erzeugerseitige Steuerungshandlungen zum Tagesgeschäft gehören“, erklärt BMWi-Staatssekretär Rainer Baake. Um das System auch künftig sicher zu führen, bräuchte man eine sichere und moderne Mess- und Steuerungstechnik im Stromversorgungsnetz, die zuverlässige Einspeisewerte und Infos über den Netzzustand liefert, sagt Baake weiter.

„Intelligente Messsysteme sollen für unter 100 Euro pro Jahr eingebaut und betrieben werden“, heißt es in dem Eckpunktepapier der Regierung. Für Erzeuger ab sieben Kilowatt installierter Leistung plant die Regierung den Messeinsatz. Haushalte, die weniger als 6.000 Kilowattstunden Strom im Jahr verbrauchen, sind von dieser Einbaupflicht ausgenommen. Ein Haushalt verbraucht hierzulande im Schnitt 3.500 Kilowattstunden. Für sie ist langfristig ein kostengünstiger Zähler vorgesehen, der den Verbrauch veranschaulicht. Noch vor der Sommerpause 2015 will das BMWi die Pläne ins Kabinett einbringen.

„Intelligente Messsysteme sollen für unter 100 Euro pro Jahr eingebaut und betrieben werden“, heißt es in dem Eckpunktepapier der Regierung. Für Erzeuger ab sieben Kilowatt installierter Leistung plant die Regierung den Messeinsatz. Haushalte, die weniger als 6.000 Kilowattstunden Strom im Jahr verbrauchen, sind von dieser Einbaupflicht ausgenommen. Ein Haushalt verbraucht hierzulande im Schnitt 3.500 Kilowattstunden. Für sie ist langfristig ein kostengünstiger Zähler vorgesehen, der den Verbrauch veranschaulicht. Noch vor der Sommerpause 2015 will das BMWi die Pläne ins Kabinett einbringen.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßt den Smart-Meter-Rollout in Deutschland. Die intelligenten Messsysteme werden schrittweise eingeführt: Das beginnt 2017 für Verbraucher mit mehr als 20.000 Kilowattstunden pro Jahr, 2019 werden die Messsysteme der Gruppe von mehr als 10.000 Einheiten angepasst. 2021 schließlich soll die letzte Stufe bei den Verbrauchern mit mehr als 6.000 Kilowattstunden starten. Mittel- und Großabnehmer seien die „Elefanten“ in den Verteilnetzen – dort läge das größere Potenzial zur Lastverlagerung, denn sie ständen zwar nur für rund zwei Millionen Zählpunkte, bezögen aber zwei Drittel des gesamten Stroms aus diesen Netzebenen, sagt VKU-Chef Hans-Joachim Reck. Es sollte jedoch eine Revisionsklausel für die Verbraucher ab 6.000 Kilowattstunden geben, warnt Reck und betont: „Einen Automatismus darf es hier nicht geben.“

http://www.bmwi.de

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