Der Fußball in Deutschland wird immer grüner. Ein Satz, der im ersten Moment sehr merkwürdig erscheint. Dennoch, er stimmt. Denn immer mehr namhafte Fußballvereine setzen auf erneuerbare Energien: Werder Bremen, SC Freiburg, SC Paderborn, Arminia Bielefeld. Ihre Solargeneratoren stammen aus einer Ära, als es lukrative Einspeisevergütungen gab. Jetzt schlägt die Stunde der kleinen Vereine, der Tausenden Kicker in diesem Land, von den Steppkes bis zu den „Alten Herren“. Jetzt schlägt die Stunde der Installateure, die Sonnengeneratoren auf Vereinsheime und Sporthallen bringen. Denn die Stromkosten zehren die Vereinskassen aus, auch sind die kommunalen Träger der Sportstätten klamm.
Besonders lohnend wird die Sache, wenn das Vereinsheim saniert werden muss. Für viele, oft ehrenamtliche Vereinsvorstände eine kaum zu überwindende Hürde. Nicht für den SV Degerschlacht, den Verein einer Gemeinde in der Nähe von Reutlingen in Baden-Württemberg. „Wir sind mit der aufwendigen Renovierung einen ordentlichen Schritt in die Zukunft gegangen“, sagt Dieter Welsch vom SV Degerschlacht. „Vor allem das Dach musste dringend erneuert werden. Also haben wir Photovoltaik installiert.“ Dass die Solaranlagen aber die kommunalen Haushalte im Sport und der Jugendarbeit entlasten können, ist bisher nur wenigen Bürgermeistern bewusst.
Der SV Degerschlacht ist ein kleiner Verein, typisch für die ländlichen Regionen im Süden. Er ging aus dem 1901 gegründeten Turnverein Degerschlacht hervor. Beinahe revolutionär: Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg gab es eine Frauenturnriege und eine Abteilung für Fußball. Im Jahr 1947 wurde der heutige SV Degerschlacht gegründet, der über die Jahre wuchs. So kamen bereits 1948 die Abteilungen für Leichtathletik und Tischtennis hinzu. Seit 1951 wurde auch wieder geturnt. In den Jahren des Wirtschaftswunders platzte der Verein aus allen Nähten. 1959 wurde das neue Vereinsheim geplant und gebaut. Neu und modern, das hieß damals auch: Asbest unterm Dach. Wie giftig der Baustoff ist, wurde erst 20 Jahre später entdeckt.
Asbest im Dach, das macht die Sanierung sehr teuer. Um es aus der Dachkonstruktion zu entfernen, braucht man speziell zertifizierte Betriebe, die für Asbestsanierungen zugelassen sind. Entfernt man lediglich die Asbestplatten, hat das Dach faktisch keine Wärmedämmung mehr. „Der Verein war sich darüber im Klaren, dass das Sportheim unbedingt saniert werden muss“, erinnert sich Udo Müller, Vorsitzender des SV Degerschlacht. Immerhin winkte ein Zuschuss vom württembergischen Landessportbund sowie der Stadt Reutlingen über rund 16.000 Euro. Dennoch blieb der Verein in der Pflicht: Er musste etwa 85.000 Euro beisteuern. Diese Summe sollte über einen Kredit finanziert werden. Neben der Dachsanierung sollte das Haus zudem an das örtliche Abwassersystem angeschlossen werden.
Es war ein Mitarbeiter des Vereins, der die Photovoltaik ins Spiel brachte. Kurz vor Jahresende 2011 wurde das neue Solardach in Betrieb genommen. Es besteht aus rund 160 Modulen der Firma Topssola aus der Baureihe TSM-72-125M mit einer Leistung von 190 Watt pro Modul. Insgesamt leisten die Generatoren rund 31 Kilowatt, sie liefern etwa 30.000 Kilowattstunden Sonnenstrom pro Jahr. Als Wechselrichter werden zwei Sunny Tripower 15000TL-10 verwendet. Der Haustechniker kann die Betriebsdaten über die Sunny Webbox abrufen. Weil der SV Degerschlacht nur an Spieltagen und wenigen Wochenenden Strom benötigt, ist die Solaranlage als voll einspeisende Anlage an das Netz angeschlossen. Abnehmer ist Fair Energie Reutlingen, die Energie wird gemäß EEG vergütet.
Das ist der klassische Fall: die Sanierung von Dächern, die mit Asbest belastet sind. Zwar gibt es dafür oft Fördermittel von der Kommune oder dem Landesverband. Doch reichen diese Zuschüsse in der Regel nicht aus, um das Heim zu erneuern. Der restliche Betrag wird über einen Kredit finanziert wie beim SV Degerschlacht. Die Photovoltaikanlage erhöht zwar den Kreditrahmen und damit die Rückzahlungsdauer. Sie garantiert dem Verein jedoch verlässliche Einnahmen und senkt das finanzielle Risiko der Sanierung.
Das funktioniert auch mit Sportstätten, die einen gewissen Strombedarf haben. Dann wird die Photovoltaikanlage zur Deckung des Eigenverbrauchs genutzt. Im Sommer, wenn viel Sonnenstrom anfällt, deckt der Dachgenerator auch den Warmwasserbedarf der Duschen und der kleinen Cafeteria. Nicht zu unterschätzen sind die Kosten, die durch den Trainingsbetrieb der Jugendmannschaften entstehen. Durch Photovoltaikstrom wird die Vereinskasse auf Jahrzehnte hinaus deutlich entlastet. Sogar die Inflation spielt dann keine Rolle mehr. Letztlich wirkt sich dieser Vorteil auch auf die Mitgliedsbeiträge aus, die damit attraktiver für neue Mitglieder werden.
Auch der SV Ubbedissen in Bielefeld nutzt grünen Sonnenstrom vom Dach. Allerdings unterscheidet sich das Betreibermodell vom SV Degerschlacht. Denn die Photovoltaikanlage wurde nicht vom Ubbedissener Sportverein gebaut, sondern vom Immobilienservicebetrieb (ISB) der Stadt Bielefeld. Die Stadt ist Eigentümerin der neuen Sporthalle, in der sich die Vereinsräume befinden. „Wir bauen auf unseren Gebäuden generell Photovoltaikanlagen, um den Anteil der regenerativen Energien zu steigern“, erläutert Heinz Dräger vom ISB. „Die Sporthalle in Ubbedissen verfügt über ein Flachdach, dort war die Photovoltaikanlage relativ einfach zu realisieren.“ Die polykristallinen Module wurden auf einer Stahlunterkonstruktion befestigt, die fest mit dem Gebäude verankert ist. Die Anlage hat eine Leistung von 22,5 Kilowatt und liefert insgesamt 22.500 Kilowattstunden im Jahr. Die Sporthalle wird auch von der Grundschule genutzt.
Kickers Offenbach
Rein rechnerisch selbst versorgt
Auch die Kicker am Bieberer Berg setzen auf grünen Strom, gewonnen aus Solarenergie. Realisiert wurde das Projekt von der Energieversorgung Offenbach AG (EVO) und der Juwi-Gruppe. Die 600.000 Euro teure Anlage wurde innerhalb eines Monats aufgebaut, auf den Tribünendächern im Norden und über der Südkurve. „Schon bei den Planungen des Sparda-Bank-Hessen-Stadions war es uns wichtig, ökologische und ökonomische Aspekte mit einer gelungenen architektonischen Gestaltung zu vereinen“, sagt Peter Walther, Geschäftsführer der Stadtwerke Offenbach Holding GmbH, die über eine Tochterfirma das Sparda-Bank-Stadion betreibt. Hessens frühere Umweltministerin Lucia Puttrich hat nachgerechnet: Theoretisch wäre es möglich, das Stadion komplett aus den Solaranlagen zu versorgen. In Offenbach wurden rund 3.800 Quadratmeter Modulfläche installiert, der Jahresertrag erreicht 380 Megawattstunden.
Ingeteam
Wechselrichter für Brasiliens Stadien
Bei seinen Vorbereitungen auf die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 hat Gastgeber Brasilien die bedeutendsten Sportstätten des Landes mit Photovoltaik belegt. Die Wechselrichter stammen teilweise von Ingeteam, einem spanischen Anbieter. Ingeteam stattete die Stadien Maracana, Mineirao und die Arena Pernambuco aus.
Das Stadion von Maracana in Rio de Janeiro ist mit einem Fassungsvermögen von 88.639 Zuschauern das größte Stadion Südamerikas. Bei einer Nennleistung von insgesamt 360 Kilowatt wurden 20 Ingecon Sun 18TL installiert. Die Arena Pernambuco in Recife bietet Platz für 46.154 Zuschauer. Mit fünf Wechselrichtern Ingecon Sun 10 und einem Ingecon Sun 840TL M360 der Produktfamilie Powermax wurde insgesamt ein Megawatt Solarleistung installiert. Im Mineirao-Stadion in Belo Horizonte, das 62.547 Zuschauer fasst, wurde eine Photovoltaikanlage mit 1,5 Megawatt ans Netz angeschlossen. Sie ist mit 88 Wechselrichtern Ingecon Sun 15TL ausgestattet.
Werder Bremen
Gutschrift für die Siege
Die Photovoltaikanlage des Bremer Weserstadions ist etwas ganz Besonderes: Zum einen fügen sich rund 16.000 Quadratmeter Modulfläche harmonisch ins Stadiondesign ein. Die Solarmodule bedecken eine Fläche, die größer als zwei Fußballfelder ist.
Die Solaranlage leistet 1,2 Megawatt und schwebt auf dem überhängenden Dachinnenring. Die Anlage wurde von der Betriebsgesellschaft des Stadions, vom Sportverein sowie den Energieversorgern EWE und SWB errichtet. Der Umbau des Weserstadions erfolgte zwischen 2008 und 2011.
Der Clou: Die Stromversorger haben gemeinsam mit dem Fußballverein ein neuartiges Energieprodukt für die Fans entwickelt: „Grün-Weiß-Strom“ stammt vollständig aus erneuerbaren Quellen, mindestens ein Prozent vom Dach des Weserstadions.
Kommentar von Klaus Allofs, Geschäftsführer des SV Werder Bremen: „Der Werder-Strom ist nicht nur klimafreundlich, sondern bietet einen Mehrwert für unsere Fans.“ Die Kunden erhalten eine Steckdose im Werder-Look, bei Abschluss eines Stromliefervertrages. Und bei jedem Sieg ihrer Mannschaft bekommen sie attraktive Prämien und Gutschriften.
FC St. Pauli
Sonnenstrom am Millerntor
Grüne Energie nutzen die Hamburger Fußballer, allerdings nicht beim großen Hamburger Sportverein, sondern im Kiez beim FC St. Pauli. Gebaut und betrieben wird die Anlage auf der Haupttribüne des Millerntors von der Hamburg Energie, die den Solarstrom ins öffentliche Netz übernimmt. Die Anlage ging im Dezember 2010 in Betrieb. Die 336 Solarmodule von Schüco leisten 71 Kilowatt. 2011 erzeugten sie rund 69.240 Kilowattstunden, 2012 rund 63.550 Kilowattstunden. Prognostiziert waren 62.000 Kilowattstunden im Jahr.
Arminia Bielefeld
Spezielle Solarmoduleschonen den Rasen
Beim Bau der Photovoltaikanlagen auf dem Dach der Bielefelder Schüco Arena planten die Ingenieure zwei unterschiedliche Konzepte. Während die im Jahr 2000 erbaute Anlage für den Stadionbesucher völlig unsichtbar auf dem Tribünendach verschwindet, gehört die zweite, im Jahr 2008 installierte Anlage zur Dachkonstruktion über der neuen Haupttribüne Ost. Zudem bietet diese Anlage einige technische Besonderheiten: So wurde die Zellendichte in den Modulen quer zum Spielfeld reduziert. Erst über den höher gelagerten Tribünenrängen nimmt sie zu, um mehr Licht für den Rasen und den unteren Teil der Tribüne durchzulassen. Auch blendet die Anlage dadurch weniger. Weil die Module semitransparent und sichtbar sind, wurden die Kabel mit Pressverbindungen installiert. Die Wechselrichter wurden oberhalb der Gangway im Zugangsbereich zu den Sky Offices angebracht, damit sie leicht zugänglich für Wartungsarbeiten sind. Die Solargeneratoren leisten zusammen rund 220 Kilowatt. Die Modulfläche beträgt 1.420 Quadratmeter.
Der Autor
Simon Mones
studiert Geschichte und Fachjournalistik in Gießen. Er will Sportjournalist werden, wobei seine Interessen hauptsächlich auf dem Fußball und dem Motorsport (Formel 1, Nascar) liegen. In der Redaktion der photovoltaik hat er ein vierwöchiges Praktikum absolviert. Schwerpunkt: Solaranlagen für Sportstätten.