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Mit Charme und Hutzum Solarspaziergang

Der morgendliche Nebel hat sich bereits gelichtet über den schwäbischen Hügeln. Zwischen einer Obstbaumwiese und Äckern am Rande der Ortschaft Rottenburg-Oberndorf liegt das Sonnenzentrum, ein lichtdurchfluteter, 2.000 Quadratmeter umfassender Holzbau. Hier hat die Hartmann Energietechnik GmbH ihren Sitz. Den Eingangsbereich gliedert der riesige Pufferspeicher, in dem das warme Wasser des zu 80 Prozent solar beheizten Gebäudes zwischenlagert. In den Vitrinen photovoltaisch betriebenes Spielzeug, weiter hinten Pelletöfen und Photovoltaikmodule. Links liegt das Büro von Hartmann Energietechnik, dahinter die Montagehalle für die Kollektorfertigung, rechts die Gastronomie, von der schon ein köstlicher Duft nach Apfelküchle herüberweht, und oben die Wohnung der Familie Hartmann. In diesen Räumen herrscht ein ganz besonderer Geist, man lebt und arbeitet mit der Sonne.

Ein schnittiger Zweisitzer fährt vor, geräuschlos. Er parkt direkt auf der großen Terrasse vor dem Café. Das Verdeck öffnet sich. Heraus steigt ein Mann mit breitkrempigem Lodenhut und roter Outdoor-Jacke. Thomas Hartmann kommt gerade zurück von einem Vor-Ort-Termin, eine Balkonbrüstung im Nachbarort soll mit Photovoltaik bestückt werden. Er schließt seinSolarmobil und tritt durch die Glastür in den Gastraum. Die Gastwirtschaft, die neben der Ausstellungsfläche und dem Konferenzraum seinen Betrieb ergänzt, sieht er als Möglichkeit, um unbedarfte Menschen mit erneuerbaren Energien in Berührung zu bringen. Hartmann setzt auf sinnliche Erfahrung und direkte Kommunikationswege. Wenn er über seine Arbeit spricht, spürt man förmlich den missionarisch veranlagten Pädagogen. Nachdem der Hausherr die Tagessuppe verspeist hat, taucht er auch gleich ins Thema ein. Solarstromanlagen sind fester Bestandteil seines Sortiments, seit das EEG eingeführt wurde. Aber Photovoltaik alleineverkauft er selten. Hartmann betrachtet die Dinge ganzheitlich und weist auf die Flächenkonkurrenz zwischen Solarstrom und Solarwärme hin. „Wenn ein Kunde sein gesamtes Dach mit Photovoltaik pflastern will, dann sträuben sich mir die Nackenhaare“, gesteht der Gründer des Sonnenhausinstituts. Dieser Mensch sehe nur die Euros vor den Augen blitzen, aber Nachhaltigkeit funktioniere anders. „Für mich gibt es nur ein Sowohl-als-Auch, nicht ein Entweder-Oder.“ Und dieses Sowohl-als-Auch sollte unbedingt ansprechend ins Gebäude integriert werden. Der Solarfachmann weigert sich, die aktiven Flächen wahllos auf dem Dach zu verteilen. Deshalb fertigen seine Mitarbeiter die Kollektoren maßgeschneidert an, jeweils passend zum Raster der Photovoltaikmodule, das je nach Hersteller und Produkt sehr unterschiedlich ausfällt. Auch Klaus Lehmann aus dem benachbarten Wurmlingen stellte sich zuerst Solarstrom für sein Haus vor. Bis er Thomas Hartmann konsultierte, der ihm gezeigt hat, was aus dem schlichten Satteldach alles herauszuholen ist. Zusätzlich zur dachintegrierten 6,8 Kilowattpeak-Anlage hat Lehmann nun Solarkollektoren, die mit 60 Grad Neigungeinen steileren Firstbereich über die gesamte Breite ausbilden. Das Konzept für den Dachumbau hat Thomas Hartmann erstellt. Damit jede der beiden Techniken optimal zum Einsatz kommen kann. „Alle Handwerker mussten in ihrem Gewerk Grenzen überschreiten“, berichtet Lehmann. „Es war schön zu beobachten, wie ständig einer vom anderen lernte.“ Im Hause Hartmann betrachtet man jedes Projekt individuell. 08/15-Lösungen bietet das Unternehmen nicht an. Das hat natürlich seinen Preis. Deshalb lädt Hartmann alle Interessierten ein, sich auf einem dreistündigen Solarspaziergang durch das Solardorf Oberndorf ein Bild von der Materie zu machen. 20 verschiedene Photovoltaikanlagen können hier aus nächster Nähe besichtigt werden, dazu etliche solarthermische Kollektoren, viele aus Hartmanns Fertigung. Der Solarspaziergang ist mittlerweile zu Hartmanns Markenzeichen avanciert, genau wie sein Filzhut. „Ohne Hut erkennt mich doch keiner“, sagt der Schwabe lachend.

Regelmäßige Solarspaziergänge

Zwischen 30 und 70 „Mitläufer“ finden sich zu den Solarspaziergängen ein, egal ob es regnet, stürmt oder schneit. „Was wichtig ist, ist die Regelmäßigkeit“, weiß Hartmann. „Den Solarspaziergang führen wir an jedem dritten Samstag im Monat durch. Er ist noch kein einziges Mal ausgefallen“, stellt er zufrieden fest. Dabei entwickelt jede Gruppe ihre Eigendynamik. Pädagoge Hartmann lässt den Menschen Platz für ihre Fragen und ihren Diskussionsbedarf. „Wir gehen Interessenten nicht massiv an. Entweder stimmt die Wellenlänge oder nicht“, erläutert er seine Strategie. Auch Architekten und Handwerker könnten auf solch einem Spaziergang eine Menge lernen, die sieht Hartmann hier allerdings selten.Vom Dächle des Sonnenzentrums aus wird schnell deutlich, warum Oberndorf zum „Solardorf“ gekürt wurde. Wohin man den Blick auch schweifen lässt, funkeln blaue Flächen. Der Hausherr selbst betreibt 58 Kilowattpeak auf seinem Gründach, aufgeständert und mit Freiburger Modulen bestückt. Im vorderen Bereich liegen Dachbahnen von Unisolar – zum Vergleich. „Mit Unisolar hätten wir höhere Erträge, aber kein Gründach“, stellt der Solarprofi pragmatisch fest.Am Anschauungsobjekt Sonnenzentrum zeigen sich Hartmanns Prioritäten. Die Photovoltaik kommt aufs Dach, der 150-Quadratmeter-Kollektor in die Fassade. Für die PV spiele die Neigung eine untergeordnete Rolle, aber in der Thermie werde der Winkel unterbewertet. „Ich würde nie eine PV-Südfassade bauen, weil diese Fläche für die Thermie winteroptimiert ist“, erklärt der Spezialist. „Und im Winter brauchen wir die Wärme.“Über die Wärme ist Hartmann vor vielen Jahren zur Solartechnik gekommen. Der studierte Agraringenieur, der auch ein halbes Theologiestudium absolviert hat, arbeitete zuerst als Bildungsreferent an einer Volkshochschule in Ostbayern. Dort organisierte er Anfang der 1990er Jahre die ersten Selbstbaukurse für Solaranlagen. Mit Mitstreitern aus Süddeutschland entwickelte er das Firmennetzwerk der Solareinkaufsgemeinschaften (heute „Solar-Partner“), die mit Sammelbestellungen und Selbstbaukursen vielen Hausbesitzern zu anspruchsvollen, aber preiswerten Solaranlagen verhalfen. Als dann das erste Kind unterwegs war, beschloss das Ehepaar Hartmann, im schwäbischen Heimatdorf genau das zu tun, was in Bayern so gut geglückt war, nämlich ein Bewusstsein für Solartechnik zu verbreiten. Das war 1995. Anfang 2009 wurde das siebte Kind geboren, der Betriebzählt heute 30 Mitarbeiter, und die Solarspaziergänge gehen ins achte Jahr.

Energierebellen unterwegs

Hartmann wird indes nicht müde, sich für eine dezentrale Energieversorgung zu engagieren – auch wenn es darum geht, die lokale Agendagruppe zu unterstützen und der EnBW ein Schnippchen zu schlagen. Ganz im Geiste der Energierebellen von Schönau wollen sich die Rottenburger nicht von dem Energiemonopolisten unterbuttern lassen. Sie beauftragten Hartmann Energietechnik mit der Ausführung ihrer Bürgersolaranlage auf dem Gymnasium. Und verhinderten damit die Installation von kanadischen Modulen durch die EnBW.„Mit diesen Kleinstprojekten hängt die EnBW sich nur ein grünes Mäntelchen um“, kritisiert Klaus Lehmann, der in der Agendagruppe aktiv mitarbeitet. „Wir wollen regionale Kräfte stärken. Thomas Hartmann hat als einziger deutsche Module angeboten.“ Und nun freut sich die Gruppe auf Schlagzeilen, wenn die EnBW die Kosten für eine bereits erstellte Statik einklagen wird.Im Jahr 2001 hat Hartmann 16 Kilowattpeak aufs Dach des Bischofshauses in Rottenburg gebracht. Heute trifft man ihn auf Baustellen fast gar nicht mehr an. Bis vor fünf Jahren hat die Hartmann Energietechnik Endkunden bedient, jetzt zieht sich das Unternehmen immer mehr auf den Handel zurück. Hartmann legt jedoch weiterhin großen Wert auf die Begleitung der Projekte in der Konzeptentwicklung und Durchführung. Bei seiner Arbeit schätzt er besonders den Kontakt zu hoch motivierten Menschen. Viele seinerMitarbeiter kommen ursprünglich aus anderen Berufen, genau wie Hartmann selbst. „Wichtig ist, dass sie das Konzept mittragen“, sagt der Chef des Familienunternehmens. Er selbst trägt mit Begeisterungsfähigkeit und Stehvermögen das Seine zum Gelingen bei. Auch in der Außendarstellung geht Hartmann ungewöhnliche Wege – mit Erfolg. Da das Medium Solarspaziergang so gut ankommt bei den Kunden, ist der Unternehmer dazu übergegangen, auf regionalen Messen keinen Messestand mehr zu betreiben. Nur noch mit dem mobilen Holzofen fährt er los und verteilt vor Ort frisch gebackenen Flammkuchen und viele, viele Einladungen für den Solarspaziergang. „Das funktioniert wunderbar“, schwärmt der Querdenker. Die kleinen, quadratischen Faltblätter passen in jede Hemdentasche und ersetzen bei Kundenbesuchen zugleich die Visitenkarte. Dann rollt er wieder los mit seinem blauen Twike, immer auf der Suche nach neuen Projekten.

Anja Riedel

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