„Man braucht nicht immer das Rad neu zu erfinden“, sagt Jean-Louis Simonin. Der 38-jährige Elsässer ist Geschäftsführer von ReSys AlterEco, einem in den Vogesen ansässigen Zweimannbetrieb, der sich auf erneuerbare Energien und energieeffizientes Bauen spezialisiert hat. „Die Deutschen sind uns im Bereich der erneuerbaren Energien einfach 15 Jahre voraus – wir können nur Kernkraftwerke verkaufen“, schmunzelt der Franzose. Simonin möchte seinen Kunden aber lieber Photovoltaikanlagen anbieten und hat sich deshalb einen Geschäftspartner auf der deutschen Rheinseite gesucht. Gefunden hat er die im badischen Freiburg ansässige, auf Elektro-, Solar- und Gebäudetechnik spezialisierte Firma Müller GmbH, einen Familienbetrieb mit 70 Mitarbeitern. Gemeinsam präsentierten sich ReSys AlterEco und Müller jüngst auf der „Énergivie“ im südelsässischen Mulhouse, einer regionalen Messe für erneuerbare Energien und energieeffizientes Bauen, ihren potenziellen Kunden.
Da sich der gewerbliche – und inzwischen auch der private – Photovoltaikmarkt in Frankreich nach Einführung einer kostendeckenden Einspeisevergütung im Juli 2006 gut entwickelt, lohnt sich die Partnerschaft für beide Seiten. Die Aufgabenverteilung ist klar und einfach: Simonin akquiriert die Kunden, berät sie zu Finanzierung, Fördermöglichkeiten und Steuervergünstigungen und kümmert sich um das Genehmigungsverfahren. Müller liefert PV-Installationskits, die Simonin im Elsass von Subunternehmern installieren lässt. „Das ist eine ideale Kombination“, findet Ralf Kimmig, der bei Müller für Planung und Verkauf von Photovoltaikanlagen zuständig ist. „Zwar haben wir in unserer eigenen Region im Moment gut zu tun, aber wir sehen, dass auch der südbadische Markt endlich ist. Mit ReSys AlterEco haben wir einen Partner gefunden, mit dem wir nun gemeinsam das Elsass aufrollen können.“
Alle wollen nach Frankreich
Geschäftspartnerschaften dieser Art werden in den nächsten Jahren wohl zahlreicher werden. „Im Moment wollen alle nach Frankreich, denn hier sind in den nächsten drei bis vier Jahren gute Margen zu erzielen“, sagt Ralf Müller-Scharrel, Leiter der Abteilung Solar bei dem deutschen Mittelständler. Die französischen Installateure sind vor allem am Technologietransfer interessiert, während die deutschen Betriebe, die in Frankreich Bauleistungen ausführen wollen, nicht zuletzt aus Versicherungsgründen quasi zwangsläufig einen Partner vor Ort brauchen (siehe photovoltaik 05/2008). Sowohl die Handwerkskammer Freiburg als auch die elsässische Clusterinitative Énergivie, die sich die Förderung der erneuerbaren Energien im Elsass zum Ziel gesetzt hat, versuchen daher, für ihre Betriebe geeignete Partner auf der anderen Rheinseite zu finden. Von deutscher Seite sind diese Bemühungen nicht auf das Elsass beschränkt: Auch die südlichere Region Rhône-Alpes mit der Hauptstadt Lyon hat die Handwerkskammer Freiburg bereits ins Visier genommen, da diese wie das Elsass zu denjenigen französischen Regionen gehört, die sich überdurchschnittlich im Bereich erneuerbare Energien engagieren.
Jean-Louis Simonin hatte allerdings keine Partnervermittlung nötig, denn genau genommen ist Müller schon sein zweiter deutscher Partner. Bereits seit 2006 ist er mit dem ebenfalls in Freiburg ansässigen Paradigma-Vertriebspartner ReSys AG verbandelt: ReSys-Gründer und Geschäftsführer Gerd Schallenmüller ist am Unternehmen seines elsässischen Partners beteiligt. Zuvor war Jean-Louis Simonin bei der ReSys fest angestellt. Auch den Kontakt zur Müller GmbH stellte Schallenmüller her. Für ReSys verkauft Simonin vor allem thermische Solaranlagen und Biomasse-Heizungen. „Ich bin in mehreren Bereichen der erneuerbaren Energien aktiv – Heizung, Dämmung, Solarthermie“, erzählt Simonin, „nur Photovoltaik hat mir noch im Angebot gefehlt“. Deshalb sei ein weiterer Partner nötig gewesen, der sich zudem mit gebäudeintegrierten Anlagen auskennen musste, die in Frankreich aufgrund der deutlich höheren Förderung (zurzeit 57,2 statt 31,2 Cent pro Kilowattstunde) wesentlich häufiger nachgefragt werden als in Deutschland. Diese Voraussetzung war bei Müller gegeben.
Und wie läuft die Zusammenarbeit praktisch? „Ich kaufe von Müller montagefertige Installationskits und verkaufe sie an Installationsbetriebe im Elsass weiter. Bei Bedarf kommen Installateure von Müller auf die Baustelle und leiten die Installateure an.“ Selbst Hand anlegen dürfen sie aus Versicherungsgründen nicht. Geplant ist deshalb auch, elsässische Handwerker bei Müller in Freiburg zu schulen. Einen großen Lernaufwand sieht Simonin allerdings nicht: „Im Prinzip ist die Installation der Anlagen nicht schwierig, wenn man ein bisschen Erfahrung hat. Kritisch ist nur der Bereich Elektrik.“
Partnerschaft ist der bessere Weg
Müller hatte Frankreich bereits ins Visier genommen, als Jean-Louis Simonin anklopfte. „Solange es die bürokratischen Hürden gibt, scheint es mir ein gutes Konzept zu sein, mit Partnerschaften zu arbeiten“, erklärt Ralf Kimmig die Beweggründe seines Unternehmens. Eine eigene Niederlassung zu gründen habe man auch überlegt. „Aber dafür sind wir zu klein, da war die Partnerschaft der bessere Weg.“ Mit seinem Partner ist er zufrieden: „Wir passen gut zusammen.“
Die Kooperation mit ReSys AlterEco funktioniert im gegenseitigen Einvernehmen: „Bei einer solchen Partnerschaft muss man einfach mal anfangen“, ist Ralf Müller-Scharrel überzeugt. Später könne man sich dann immer noch über Verträge und gemeinsame Firmenkonstruktionen Gedanken machen. Wichtig sei, dass sich die Partner gegenseitig vertrauten.
Auch Jean-Louis Simonin will erst einmal abwarten und sehen, was die Zusammenarbeit bringt, bevor er einen Schritt weitergeht. „Wir sind unabhängige Firmen, aber vielleicht gründen wir in Zukunft auch mal etwas Gemeinsames.“ Zum Beispiel könnte Müller als dritter Teilhaber bei ReSys AlterEco einsteigen. Überlegungen in diese Richtung gibt es schon, aber noch ist nichts „geschwätzt“, wie man auf Badisch und Elsässisch zu sagen pflegt.
Im ersten Jahr des Bestehens ihrer Kooperation haben ReSys AlterEco und Müller bereits rund 50 Kilowatt im Elsass installiert. Und die Geschäfte entwickeln sich gut: Zurzeit befindet man sich in der Angebotsphase für eine Gemeinschaftsanlage mit über 300 Kilowatt, die auf landwirtschaftlichen Ökonomiegebäuden in der Nähe der oberelsässischen Départements-Hauptstadt Colmar entstehen soll.
Ralf Müller-Scharrel würde die Gunst der Stunde allerdings gern noch intensiver nutzen, als es die Kapazität des kleinen Partners ReSys AlterEco erlaubt, und hat deshalb kürzlich seinen Antrag für die „Garantie décennale“ abgeschickt. Mit dieser in Frankreich für viele Bauleistungen obligatorischen Versicherungspolice, die für deutsche Betriebe allerdings schwierig zu bekommen ist, könnte Müller künftig auch mit eigenem Personal Anlagen in Frankreich bauen und somit die gesamte Wertschöpfungskette, von der Projektierung bis zur Installation, anbieten. „Als Handwerker kann man mehr bewegen, als wenn man nur als Händler auftritt“, ist Müller-Scharrels Erfahrung.
Arbeit gibt es genug
Bedeutet das nun, dass die Müllers nach nur einem Jahr ihrem französischen Partner untreu werden? „Nein“, beteuert Ralf Müller-Scharrel. Die Zusammenarbeit mit ReSys AlterEco laufe gut, nur die Strategien beider Firmen stimmten eben nicht ganz überein. „Wir würden uns gern voll auf das Photovoltaikgeschäft konzentrieren, während Jean-Louis sich lieber breiter aufstellt und den gesamten Bereich des energieeffizienten Bauens abdecken will. Das ist aus seiner Sicht verständlich und, langfristig betrachtet, für ihn sicher auch vernünftig.“
Deshalb haben die beiden Partner jetzt vereinbart, dass die Freiburger, sollten sie die begehrte Versicherungspolice tatsächlich erhalten, künftig in Eigenregie Kunden im Elsass akquirieren und Photovoltaikanlagen installieren können. Jean-Louis Simonin würde auch an diesen Projekten beteiligt: Er kümmert sich um die Genehmigungsverfahren. „Dann machen wir’s mal umgekehrt“, beschreibt Ralf Müller-Scharrel die neue Strategie: „Wir bringen die Kunden, und er arbeitet uns als externer Dienstleister zu.“
Welche Variante der Kooperation mehr Erfolg verspricht, wird die Zukunft zeigen. Arbeit gibt es jedenfalls genug: „Der Publikumstag der Énergivie-Fachmesse hat alle unsere Erwartungen übertroffen“, sagt Jean-Louis Simonin voller Freude. Der Gemeinschaftsstand von Müller und ReSys AlterEco sei die ganze Zeit von Interessenten belagert gewesen. „Es war nicht mal Zeit für eine Pinkelpause.“