Schon im Vorfeld der Fachmesse Eurotier bekundeten die Landwirte ein starkes Interesse an Photovoltaik. Voraussetzung ist, dass die Fläche weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden kann. Das war das Ergebnis einer Umfrage durch die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), die die Messe veranstaltet.
Insgesamt wurden 125 Landwirte befragt. 83 Prozent waren sogenannte Vollerwerbsbetriebe mit 100 bis 200 Hektar. Drei Viertel der befragten Betriebe haben schon Photovoltaik auf ihren Dächern, meistens volleinspeisende Anlagen, die nicht selten kurz vorm Ablauf der Einspeisevergütung stehen.
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Großer Andrang in Hannover
In der Umfrage gaben 95 Prozent der befragten Landwirte an, sich für Agri-PV zu interessieren. Sie kombiniert die landwirtschaftliche Nutzung mit Solarstrom, etwa durch hohe Überdachungen oder senkrechte Solarzäune. Über die Hälfte der befragten Landwirte würde in Freiflächenanlagen investieren, die sich vor allem auf minderwertigen Böden mit Bodenzahlen unter 30 oder 25 anbietet.
Organische Solarmodule: Gut für Pflanzen?
Entsprechend groß war der Andrang auf der Energy Decentral, der Fachmesse für erneuerbare Energien, die im Rahmen der Eurotier stattfindet. Erstmals war eine ganze Messehalle mit Ausstellern aus der Solarbranche gefüllt. Mehr als 50 Anbieter präsentierten ihre Dienstleistungen und Lösungen für eine aufgeschlossene Kundschaft, die über teilweise große Flächen verfügt.
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Fülle der Anwendungen wächst
Erstmals gab es zur Energy Decentral ein PV-Spotlight auf der Bühne, geplant und moderiert von der Redaktion der photovoltaik. Dort trafen Solarexperten mit Landwirten zusammen. An allen vier Messetagen zeigten die Referentinnen und Referenten, was heute schon technisch und wirtschaftlich machbar ist.
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Die Fülle der Anwendungen und Geschäftsmodelle für Solarstrom in der Landwirtschaft hat sich binnen kurzer Zeit zu einem eigenen Marktsegment innerhalb der Energiewende entwickelt. Dr. Erich Merkle von Gridparity stellte in seinem Eröffnungsvortrag semitransparente Überdachungen für kleinere Schläge, für Gemüse und Obstanbau vor.
Denn semitransparente Solarmodule liefern neben den landwirtschaftlichen Kulturen nicht nur sauberen Strom. Nachweislich erhöhen sie die landwirtschaftlichen Erträge, wenn die Lichtverhältnisse unter den Modulen für Beeren oder Sojabohnen optimiert werden.
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Photovoltaik stärkt die Pflanzen
Zudem schützen die Solarmodule die Pflanzen vor Hagel oder Starkregen. Weil sich mit den solaren Überdachungen auch der Niederschlag gut regulieren lässt, werden feuchte Areale in der Plantage oder im Beet verhindert.
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Dadurch werden weniger Fungizide gebraucht. Der Dünger wird vom Regen nicht weggespült, deshalb kommt der Landwirt in der Regel mit weniger Dünger aus. Das bedeutet mitunter erhebliche Einsparungen.
Weitere Erfahrungen sammeln
Noch sind solche Lösungen relativ jung. Aber mit jeder neuen Anlage werden weitere Erfahrungen gesammelt, wie sich die Solarisierung auf die Pflanzen auswirkt. Erste Berichte aus dem Sojaanbau in Frankreich oder Apfelplantagen am Bodensee weisen darauf hin, dass die Pflanzen in der Regel gestärkt werden, also gesünder sind – mit deutlich weniger Hilfe durch die Chemie.
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Gridparity verwendet semitransparente Doppelglasmodule. Sie haben den Vorteil, dass sich der Lichteinfall durch den Abstand der Solarzellen genau auf die darunter befindlichen Kulturen abstimmen lässt. Im Sommer werden die Pflanzen vor Hitze, zu viel Licht, aber auch Starkregen und Unwetter geschützt.
Bestimmte Kulturen bevorzugen gewisse Verschattung. Weil solare Überdachungen die Temperaturen am Boden absenken, sinkt zudem der Aufwand zur Bewässerung. Die Verluste durch Verdunstung sinken signifikant.
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Solarisierung steigert Wirtschaftlichkeit
Mit Sonnenstrom und Biogas wird der Landwirt zum Energiewirt. Er kann Siedlungen oder Gewerbe in der Nachbarschaft seines Hofes beliefern. Solarparks auf schwachen Böden können ganze Kommunen versorgen, über langfristige Lieferverträge zwischen Landwirt und Kommune. Solche PPA-Modelle werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen.
Ein anderer Weg ist die Einspeisung des Solarstroms ins Netz. Hofnahe Anlagen bis ein Megawatt erhalten ab 2025 eine Einspeisevergütung von 9,3 Cent je Kilowattstunde, wenn sie weiterhin als landwirtschaftliche Fläche erhalten bleiben. Größere Solarparks müssen in die Ausschreibung oder sich über die erwähnten PPA refinanzieren.
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Durch Einnahmen aus dem Energiegeschäft kann ein Landwirt seinen Betrieb stärken, die Wirtschaftlichkeit verbessern – und sich gegen die Risiken der Landwirtschaft absichern, etwa schlechte Ernten oder Schädlinge.
Mittags der geringste Solarertrag
Eine sehr elegante Lösung, Ackerflächen oder Weiden für Solarstrom zu nutzen, sind vertikal installierte Solarzäune. Sie segmentierten die Fläche in definierten Abständen. Richtet man die bifazialen Glas-Glas-Module gen Osten und Westen aus, entsteht durch den Sonnenlauf ein interessantes Ertragsprofil: Wenn die Sonne im Zenit über den Modulen steht, sinkt der Solarertrag fast auf Null. Die Peaks befindet sich am Vormittag und am Nachmittag.
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Deshalb sind solche Anlagen nicht von Abregelung betroffen, wenn nach Süden ausgerichtete Solaranlagen mittags einen Peak erzeugen, der das Stromnetz überlastet. Solche Peaks im Netz führen regelmäßig zu negativen Strompreisen.
Einspeisen bei Stromhunger
Die Solarzäune speisen ihren Sonnenstrom vor allem dann ins Netz ein, wenn der Hunger nach Strom sehr groß ist. Zudem senken sie den Abtrag von wertvoller Bodenkrume durch Wind und Regen. „Senkrecht installierte Solarmodule werden vom Regen sehr gut gereinigt, auch kann sich der Schnee nicht auf ihnen halten“, erläuterte Jana Hilker von Next2Sun. „Wir beobachten auch im Winter nennenswerte Erträge, wenn die Sonne sehr tief steht.“
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Next2Sun hat bereits umfangreiche Erfahrungen mit Solarzäunen auf landwirtschaftlichen Flächen, mehrere teilweise große Anlagen wurden damit ausgestattet. Besonders geeignet ist Weideland, weil man dort die Zäune enger stellen kann. Bei Äckern oder Grünland wird der Abstand durch die Breite der Haspeln der Mähdrescher oder die Bearbeitungsbreite der Heuwender definiert. (HS, gekürzt)
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