Noch ist nicht bekannt, welche Einschnitte es künftig im spanischen Vergütungssystem für Photovoltaik geben wird, doch Verbände und Industrie fürchten vor allem das “R”-Wort: Retroaktivität. Denn wie aus dem Umfeld der Verhandlungen zwischen Industrieministerium und Verbänden verlautete, will der Gesetzesentwurf zum kommenden Real Decreto die großzügigen Tarife des "Real Decreto (RD) 661/2007" auf “eine vernünftige Rentabilität” reduzieren. Für vernünftig hält der Gesetzgeber im neuen Entwurf eine Rendite zwischen 6,5 und acht Prozent.
Das sorgt in diesen Tagen für erheblichen Zündstoff in den laufenden Gesprächen zwischen Verbänden und Politik. In der Praxis würde der Gesetzespassus darauf hinauslaufen, dass mehr als 50.000 Photovoltaik-Anlagen, die alle unter dem großzügigeren "RD 661/2007" ans Netz gegangen sind, neu bewertet werden müssten, was eine bürokratische Mammutaufgabe wäre. Doch die spanische Regierung scheint unter allen Umständen entschlossen, ihr Defizit in der staatlich gelenkten Stromwirtschaft abzubauen und hat es besonders auf die Solarstromvergütungen abgesehen. Allein im Boomjahr 2008 wurden 2.601 Megawatt Photovoltaik-Leistung neu installiert, die für 25 Jahre den hohen Tarif des "RD 661/2007" bekommen müssten.
Allerdings bekommt das spanische Industrieministerium in diesen Tagen viel Gegenwind, den es in Sachen Photovoltaik derart noch nie erhalten hat. In einem gemeinsamen Statement warnen die Branchenverbände ASIF (Asociación de la Industria Fotovoltaica), AEF (Asociación Empresarial Fotovoltaica) und Appa (Asociación de Productores de Energías Renovables) davor, “die Spielregeln während des Spiels zu ändern”. Das schade nicht nur dem Sektor, sondern auch dem Ansehen Spaniens im Ausland. Das scheint nicht übertrieben, selbst US-Vizepräsident Joe Biden ließ es sich bei einem Besuch in Madrid nicht nehmen, der spanischen Regierung mitzuteilen, die betroffenen US-Unternehmen seien strikt gegen Maßnahmen, die ihre Investitionen in Spanien ernstlich in Gefahr brächten. Bereits zuvor hatten zehn große internationale Investoren, darunter AES Solar, Hazel Capital, Hudson Clean Energy, Impax Asset Management y NIBC Infractures Partners die Regierung in Madrid aufgefordert, ihre rund drei Milliarden Euro an investiertem Kapital im spanischen Solarsektor nicht zu gefährden. Dies werde das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit des Investitionsstandorts Spanien erschüttern und neue Investitionen verhindern. Spaniens Banken werden ebenfalls unmissverständlich deutlich, was wenig wundert. Nach Schätzungen von Juan Laso, Präsident der AEF, sind spanische Geldinstitute mit rund 15 Milliarden Euro an solaren Projektfinanzierungen beteiligt. Àlvaro Bergasa, Finanzexperte für erneuerbare Energien beim Bankenkonzern Banesto, warnt: “60 Prozent der Projekte sind über Finanzierungen angeschoben. Bei bestehenden Projekten gibt es keine Marge mehr für nachträgliche Kürzungen.”
Die breite Allianz gegen den geplanten Eingriff in den Bestandsschutz bei Photovoltaik macht den Verbänden Hoffnung. Am Mittwoch sind die Industrieverbände ins Ministerium geladen; dann will Industrieminister Miguel Sebastian mitteilen, ob das gefürchtete “R”-Wort Realität wird. (Luis López)