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Der Uni aufs Dach gestiegen

Eine Gruppe von Studenten hat auf einem Gebäude der TU Berlin eine Solaranlage installiert. Keine große Nachricht. Nur dass dies erst 2017 geschah, lässt aufhorchen.

Hat sich die Technische Universität in der Hauptstadt tatsächlich so viel Zeit gelassen, um erneuerbaren Energien auf dem eigenen Campus eine Chance zu geben?

Ja. Aber jetzt hat die Geschichte Fahrt aufgenommen. Neue Dächer sollen erschlossen werden. Es gibt einen Verein als Betreiber. Die Rahmenbedingungen stehen. Die Universitätsverantwortlichen sind zu Partnern geworden.

Diffuse Strukturen überwunden

Bei der feierlichen Inbetriebnahme im April 2017 sprach der Universitätspräsident lobende Worte, und auch der Bibliotheksdirektor zeigte sich voller Anerkennung. Eine Solaranlage mit 30 Kilowatt Leistung auf dem Dach der Hauptbibliothek speist nun an sonnigen Tagen rund 100 Kilowattstunden ins Gebäude ein. Der Strom wird vollständig im Gebäude selbst verbraucht. Initiiert und realisiert wurde die Anlage von Studierenden der TU.

Jan Reuter, Student der Energie- und Prozesstechnik, hatte schon 2010 den ersten Anlauf unternommen. Mit seiner Idee, eine Photovoltaikanlage für die Technische Universität zu realisieren, sprach er mit unzähligen Verwaltungsangestellten. Allein das richtige Konzept fehlte, es gab keine Analyse über geeignete Dächer, und auch die organisatorischen Hürden schienen zumindest so diffus, dass niemand so richtig mit anpacken wollte.

Machbarkeitsstudie öffnet den Weg

2014 schließlich wurde im Rahmen des Energieseminars eine Machbarkeitsstudie erarbeitet. Das Energieseminar ist ein Projektseminar, das von Studenten als Alternative zu traditionellen Lehrveranstaltungen gegründet wurde. Studenten aus verschiedenen Fachrichtungen arbeiten in Kleingruppen, die die Inhalte und das methodische Vorgehen ihres Projekts selbst bestimmen.

Im Rahmen des Seminars wurden alle Dächer der Universität auf ihre Eignung zur Installation einer Anlage geprüft. Ein recht beträchtliches Potenzial wurde aufgezeigt, über 25.000 Quadratmeter Dachfläche, die sich zur Bebauung mit Photovoltaikanlagen eigneten.

Pachtvertrag fürs Dach

Im Oktober 2014 stoßen zwei wichtige Akteurinnen zum Projekt. Andrea Ruiz Lopez, die inzwischen Vorsitzende des Betreibervereins Solar Powers ist, und Marina Braun. Die beiden angehenden Wirtschaftsingenieurinnen haben ihr studentisches Engagement gefunden: Sie wollen die Solaranlage unbedingt Realität werden lassen. Besonders Marina Braun, die aus Süddeutschland stammt, konnte überhaupt nicht verstehen, dass es keine praktischen Anwendungen für erneuerbare Energien in der Technischen Universität gibt, zumal einschlägige Studiengänge schon länger angeboten werden.

„Wahrscheinlich war einfach niemand vorher so energisch wie wir“, erzählt Braun mit einem Lächeln. Es war zwar niemand dagegen, aber so richtig gewollt habe es auch niemand. Mit den Ergebnissen aus der Machbarkeitsstudie hatten die Studenten nun etwas Konkretes in der Hand, mit dem sie auch die Universitätsleitung überzeugten.

Der Präsident stand dem Vorhaben positiv gegenüber und bereitete schließlich den offiziellen Weg zur Bauabteilung der Universität. Aber offiziell betreiben oder finanzieren wollte die Verwaltung die Anlage nicht. Ein Verein musste gegründet werden. Jetzt galt es, ganz andere Probleme zu lösen: Wie sollte die Satzung aussehen, wie konnte das Projekt finanziert werden?

Die Arbeitsgemeinschaften Projektierung, Finanzierung und Recht stürzten sich in die Arbeit. Das 500 Quadratmeter große Flachdach der Zentralbibliothek wurde als Anlagenstandort ausgewählt, auch weil es eines der neuesten Dächer der Universität war. Ein Pachtvertrag zur Nutzung der Dachfläche wurde mit der Universität geschlossen, wobei von Anfang an vorgesehen war, den erzeugten Photovoltaikstrom für die Grundlast im Gebäude zu nutzen. Im März 2015 gründete sich Solar Powers e. V. als gemeinnütziger Verein. Alle Einnahmen sollten zukünftigen Bildungsprojekten für erneuerbare Energien zufließen.

Partner finden ist wichtig

Doch ganz ohne Unterstützung von Lehrenden ging es natürlich nicht. Felix Ziegler vom Institut für Energietechnik war eine Anlaufstelle für die Studenten. Der Professor für Grundlagen der Energietechnik und Thermodynamik konnte als fest angestellte Lehrkraft den ein oder anderen Stolperstein aus dem Weg räumen.

Er erzählt: „Es ist gar nicht so einfach, so etwas innerhalb der Universität umzusetzen. Da müssen schon die richtigen Leute an der richtigen Stelle gefunden werden.“ Es habe im Laufe der Jahre immer mal wieder Anläufe für eine Solaranlage gegeben, doch erst die Strukturierung über das Energieprojekt hat letztlich den Weg bereitet, der nun auch in die Zukunft weiter verfolgt werden kann. Er betont auch, dass am Campus Charlottenburg sehr viele Maßnahmen und Projekte zur Energieeinsparung laufen, nur seien diese nicht unbedingt so sichtbar wie eine Solaranlage.

Technik soll zu den Menschen passen

Bei der Planung der konkreten Anlage arbeiteten die Studenten mit dem Kollektiv für angepasste Technik („Kante“) zusammen. Dieser Kollektivbetrieb hat sich die gleichberechtigte, solidarische und kooperative Zusammenarbeit auf die Fahnen geschrieben und den Anspruch, dass die Technik an die Menschen, die sie verwenden, und den Ort, an dem sie eingesetzt wird, angepasst wird – und nicht umgekehrt. Auch die Realisierung lief unter der Ägide des Kollektivs. Doch bevor sie beginnen konnte, musste die Finanzierung gestemmt werden.

Auf 45.000 Euro belief sich die Kostenschätzung für die Anlage. Marina Braun als Leiterin der Finanzierungsgruppe und ihre Mitstreiter gingen auf die Suche nach Geldgebern. „Bestimmt dachten manche, wir bleiben auf der Strecke – aber wir haben es geschafft“, resümiert Braun. Die Universität selbst wollte sich nämlich nicht finanziell beteiligen.

Das Finanzierungskonzept sah vor, sich einerseits gezielt an Personen zu wenden, die früher selbst an der TU Berlin studiert hatten und jetzt in Unternehmen mit Bezug zu erneuerbaren Energien tätig sind.

Als zweite Schiene wurde für Modulpatenschaften geworben. Für 156 Euro konnten Einzelpersonen oder Unternehmen ein Modul symbolisch finanzieren. Ein Crowdfundingprojekt wurde gestartet.

Was sich jetzt so einfach liest, war viel, viel Arbeit. „Wir wollten einfach alle erreichen. Jeder sollte sich so beteiligen können, wie es seinen Möglichkeiten entsprach“, erklärt Braun. Mounting Systems brachte die Unterkonstruktion ins Projekt ein, SMA den Wechselrichter. Naturstrom und Tesvolt beteiligten sich, und der letzte fehlende Betrag zur Finanzierung wurde von den Energiewerken Schönau bereitgestellt. Nach zwei Jahren Arbeit waren die Studenten auf der Zielgeraden. Der Bau konnte beginnen!

Selbst mit angepackt

Im November 2016 wurde die Anlage installiert. Zwei Wochen dauerte das, wobei es alles gab außer schönem Wetter, wie Jan Reuter erzählt. Die Mitarbeiter von Mounting Systems und dem Kollektiv für angepasste Technik bezogen die Studis in die Montage ein.

20 Studenten und Studentinnen arbeiteten tatkräftig mit, ein Workshop im wahrsten Sinne des Wortes. Und am 2. April 2017 nach der Installation des Zählers konnte auf der Website des Vereins stolz verkündet werden: „Letzte Einstellungen am Wechselrichter angepasst. Wir speisen im Moment mit rund 16 Kilowatt elektrischer Leistung in das TU-Netz ein!“ Über das Monitoringsystem können jetzt alle aktuellen Daten im Foyer der Bibliothek live beobachtet werden.

Der Staffelstab wird weitergegeben

Zur feierlichen Eröffnung im April war die Uni-Leitung sichtlich stolz auf ihre Studis. Präsident Christian Thomsen und Bibliotheksdirektor Jürgen Christof waren voll des Lobes. Und nicht nur das – die Saat ist aufgegangen. Zukünftig werden weitere universitäre Seminare den Ausbau der Photovoltaik auf den hochschuleigenen Dächern zum Inhalt haben. Zusätzliche wissenschaftliche Mitarbeiter stehen von Universitätsseite für künftige Projekte bereit: ein Zeichen, dass die zugesagte Unterstützung tatsächlich ernst gemeint ist.

Einige der Aktiven der ersten Stunde geben nun den Staffelstab ab, sie stecken in ihren Abschlussarbeiten oder sind schon fertig und werden nun beruflich ihre Beharrlichkeit und ihren Sachverstand einbringen. Marina Braun, Andrea Lopez und Jan Reuter und die anderen Mitstreiter sind sichtlich stolz auf das Erreichte. Sie haben viel gelernt. „Es hat aber auch Spaß gemacht, wir haben so gut zusammengearbeitet und alle an einem Strang gezogen. Das war immer wieder Ansporn“, resümiert Marina Braun und fügt verschmitzt hinzu: „Man muss Durchhaltevermögen haben und auch einigen Leuten auf die Nerven gehen.“

www.solarpowers.de

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