Die Direktförderung von Mieterstrom trat rückwirkend zum 25. Juli in Kraft. Allerdings muss die EU-Kommission das neue Gesetz noch abnicken, damit es nicht als unerlaubte Beihilfe gilt. Mit der neuen Direktförderung lassen sich nicht mehr nur größere Projekte mit vielen Mietparteien wirtschaftlich umsetzen. „Dadurch rechnet sich Mieterstrom jetzt auch bei Gebäuden mit deutlich weniger Parteien“, sagt Florian Henle von der Firma Polarstern. Er ist der Geschäftsführer des Ökoenergieversorgers und auf Mieterstrom spezialisierten Dienstleisters.
Direktförderung für zwei Wohnhäuser
Zwei Gebäude, mit acht und mit 25 Mietparteien, seien bei Polarstern bereits gemäß den im Gesetz genannten Kriterien für die Direktförderung qualifiziert. Der Aufwand in der Umsetzung und in der Abrechnung habe den Mieterstrom in solchen kleineren Mehrparteiengebäuden bisher unwirtschaftlich gemacht.
Ob sich Mieterstrom bei einem Gebäude lohnt, dafür ist fortan weniger die Anzahl der Mieter entscheidend als vor allem die verfügbare Dachfläche, das Verbrauchsprofil der Mieter und die örtlichen Netzgebühren.
Teilnahmequote muss hoch sein
Gerade bei kleineren Gebäuden kommt der Teilnahmequote eine große Bedeutung zu. „Nicht nur, damit sich der administrative Aufwand zur Mieterstromversorgung rechnet, sondern vor allem um die Kosten zum Betrieb des erforderlichen Summenzählers auf möglichst viele Schultern zu verteilen“, erläutert Florian Henle.
Die beiden ersten Wohngebäude, für die Polarstern die Direktförderung laut Mieterstromgesetz beantragt, befinden sich in der Nähe von München. „Bisher sind die Prozesse zur Anmeldung der Direktförderung noch nicht etabliert“, berichtet Henle. „Bis die Direktförderung in der Praxis ankommt, wird es noch einige Monate dauern, da die Netzbetreiber ihre Anmeldeformulare erst aktualisieren, wenn die beihilferechtliche Prüfung durch die EU-Kommission abgeschlossen ist.“ Dass die Förderung durchgeht, daran gibt es kaum Zweifel.
Einer der beiden Neubauten, der für die neue Förderung qualifiziert ist, hat acht Wohneinheiten. Er verfügt über eine Photovoltaikanlage mit 18,5 Kilowatt Leistung und einen Stromspeicher mit zehn Kilowattstunden Speicherkapazität. Damit lässt sich eine Stromautarkie von circa 61 Prozent realisieren.
Contracting erleichtert die Umsetzung
Die Mieterstromkosten liegen voraussichtlich rund 13 Prozent unter dem lokalen Grundversorgertarif. Das zweite neue Wohngebäude in Kirchheim bei München wird zusammen mit der Bürgerenergiegenossenschaft umgesetzt. Bei beiden Projekten ziehen die ersten Mieter noch vor Ende 2017 ein.
Attraktiv sind bei der Mieterstromversorgung vor allem Contractingmodelle. Dabei fungiert der Dienstleister für den Mieterstrom auch als Betreiber der Energieerzeugungsanlage und übernimmt die Energieversorgung. „Je umfassender wir in die Mieterstromversorgung eingebunden sind, umso leichter ist es, den Mietern ein attraktives Mieterstromangebot zu machen“, kommentiert Florian Henle. „Denn wir können die Energieversorgung individueller auf die jeweiligen Gegebenheiten ausrichten.“
Erfahrungen aus älteren Projekten
Beispielsweise erhöht die kombinierte Lieferung von Strom und Wärme im Rahmen des Contractings die Energieautarkie und senkt die Stromkosten. Ein Beispiel ist der gemeinsame Betrieb einer Photovoltaikanlage und einer Wärmepumpe oder die Kopplung von Sonnenstrom und Gas-BHKW, das im Winter auch die Wärmeversorgung übernimmt.
Mittlerweile liegen bereits zuverlässige Betriebsdaten aus älteren Mieterstromprojekten vor. Sie bestätigen, dass solche Lösungen wirtschaftlich sind – auch wenn sie noch nicht in den Genuss der neuen Förderung gekommen sind.
Strom für Gewerbemieter
So beliefert die Firma Abo Wind seit mehr als eineinhalb Jahren die Mieter des Gewerbeparks „Unter den Eichen 7“ in Wiesbaden mit umweltfreundlichem Strom und Wärme. Nun wurde die Energieversorgung durch eine Redox-Flow-Batterie noch effektiver gemacht.
Die rund 1,2 Quadratmeter große und eine Tonne schwere Batterie speichert Strom, wenn dieser nicht vor Ort benötigt wird. „Damit ist die Batterie eine ideale Ergänzung für unser Energiekonzept“, sagt Mike Luther, Leiter der zuständigen Wärmeabteilung bei Abo Wind. Der Strom stammt aus zwei Blockheizkraftwerken und einer Photovoltaikanlage.
Die Solaranlage leistet 55 Kilowatt, sie besteht aus 260 Modulen von Ben-Q. Die beiden BHKW leisten jeweils 20 Kilowatt elektrisch und 40 Kilowatt thermisch. Sie wurden von der Firma EC Power angeliefert. Die BHKW werden wärmegeführt angesteuert und speisen auch nachts mit 15 Kilowatt ein, was eine erhebliche Summe aus der Einspeisevergütung für BHKW-Strom einbringt.
Einjähriger Feldversuch
Der neue Redox-Flow-Speicher stammt von der Firma Volterion, er wurde zum Jahreswechsel zwischen 2016 und 2017 installiert. Der Speicher hat zwei Kilowatt Leistung und eine Kapazität von zehn Kilowattstunden. Anders als bei Modellen anderer Hersteller ist der sogenannte Stack zur Stromerzeugung nicht geschraubt, sondern geschweißt und daher wesentlich kompakter.
Im einjährigen Feldversuch wird die Technik nun erprobt. Wenn sie sich bewährt, will Abo Wind die Leistung des Speichers auf zehn bis 15 Kilowatt erhöhen. „Der Vorteil einer Redox-Flow-Batterie liegt darin, dass sie in Leistung und Kapazität sehr einfach erweiterbar ist“, berichtet Mike Luther. „Wenn unsere beiden Blockheizkraftwerke im Winter neben Wärme auch Strom produzieren, der nachts nicht komplett im Gebäude benötigt wird, nimmt die Batterie diesen auf. Tagsüber fließt der Strom dann aus der Batterie in die Büros, um den Bedarf zu decken.“
Schwieriges Konzept der Messstellen
Daraus ergeben sich weitere Vorteile: „Wir entlasten die städtischen Netze und vermeiden Übertragungsverluste.“ Zudem ist der von den Blockheizkraftwerken und der Photovoltaikanlage produzierte Strom für die Nutzer günstiger als zugekaufter. „Es ist ökonomisch wie ökologisch ideal, den vor Ort erzeugten Strom zu speichern, um ihn möglichst vollständig am Produktionsstandort zu verbrauchen“, resümiert Luther.
Im Gewerbegebiet ist Abo Wind der Hauptmieter, nimmt allein rund 30 Prozent des Stroms ab. Insgesamt befinden sich auf dem Gelände 40 Zählstellen, davon 26 unter Vertrag im Mieterstrommodell. Die smarten Zähler wurden von Discovergy geliefert. „Das Messkonzept war die schwierigste Sache“, bestätigt Luther. „Dazu mussten wir die Niederspannungshauptverteilung umbauen. Wir haben alle Zählstellen mit Smart Meter ausgestattet.“
Als Kundenanlage deklariert
Hinzu kamen Zähler für die BHKW, für die Photovoltaik (Erzeugungszähler), Abgrenzungszähler BHKW/Photovoltaik und Übergabezähler. Etliche der Zähler laufen als Zwei-Richtungs-Zähler, die man vor dem Einbau mit dem Netzbetreiber abstimmen muss, weil es sich um Wandlerzähler handelt.
Die Versorgungsanlage in Wiesbaden wurde als Kundenanlage nach dem Energiewirtschaftsgesetz gestaltet. „Wir haben auch den Netzverknüpfungspunkt übernommen“, erzählt Mike Luther. „Nicht beteiligte Mieter werden über separate Zähler abgerechnet, im Summenzählermodell.“
Die Kosten im Überblick
Die BHKW und die Photovoltaikanlage speisen unterschiedlich ein und werden verschieden vergütet. Die beiden BHKW mit zwei Heizkesseln (winterliche Spitzenlast) und thermischem Pufferspeicher kosteten rund 300.000 Euro, die Photovoltaik rund 70.000 Euro. Für jeden Smart Meter blätterte Abo Wind 500 Euro um. Der Umbau der Hauptverteilung schluckte 12.000 Euro.
Die Messstellen werden von einem unabhängigen Dienstleister betrieben. Dieser Dienstleister erledigt auch die Abrechnung mit den Mietern und erstellt die Rechnungen, die Abo Wind an die Mieter verschickt (Abschläge, Endabrechnungen). Abo Wind wiederum verwaltet die Zahlungen und die Konten.
Im ersten Jahr haben die beiden Blockheizkraftwerke und die Photovoltaikanlage rund 300.000 Kilowattstunden Strom produziert. Der Bedarf der Mieter lag bei 235.000 Kilowattstunden. „Also hatten wir schon eine bilanzielle Vollversorgung“, sagt Luther. Mithilfe der Batterie wird eine tatsächliche Vollversorgung angestrebt. „So machen wir die Versorgung des Standorts unabhängiger von externer Stromversorgung und immun gegen Preisschwankungen.“
Rechtsanwälte Günther (Hamburg)
Bundesnetzagentur stärkt den Begriff der Kundenanlage
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat mit Beschluss vom 27. Juli 2017 einem Bauträger und Projektentwickler Recht gegeben und dessen kleine Energieanlage (Versorgung einer Reihenhaussiedlung mit BHKW) als Kundenanlage im Sinne des Paragrafen 3 Nr. 24a EnWG bestätigt. Damit können der Bauträger und der von ihm eingesetzte Energiedienstleister weiterhin darauf vertrauen, dass der Betrieb einer kleinen Elektroinfrastruktur zu keinen Netzbetreiberpflichten führt. Zudem kann die Vermarktung des vor Ort produzierten Stroms (Mieterstroms) zu den üblichen Bedingungen eines dezentralen Energiedienstleisters erfolgen.
Besonderheit und Schwierigkeit des Projekts war, dass die zu versorgende Reiheneigenheimsiedlung durch eine öffentliche Straße durchkreuzt werden musste und dass die Energieanlage zur Versorgung der einzelnen Reiheneigenheime an einer Stelle diese Straße kreuzen musste. Nach intensivem Schriftverkehr und zahlreichen Interventionen des zuständigen Verteilnetzbetreibers sowie der Landesregulierungsbehörde hat die Bundesnetzagentur das Bestehen einer Kundenanlage bejaht. Der Fall betrifft zwar nicht den solaren Mieterstrom, sondern Strom aus einem Mini-BHKW. Das Urteil ist aber auf Photovoltaikanlagen und entsprechende Quartierskonzepte übertragbar.