Das Deutsche Institut für Bautechnik, gemeinhin als DIBt bekannt, hat Ihrem Flachdachsystem die bauaufsichtliche Zulassung gewährt. Worum geht es genau?
Peter Grass: Wir haben die bauaufsichtliche Zulassung für unser aerodynamisches Flachdachsystem Evolution bekommen, mit durchgängiger Bodenschiene und zehn beziehungsweise 15 Grad Aufständerung. Es handelt sich um ein aerodynamisches System, das ohne Dachdurchdringung auskommt. Davon haben wir zwei Varianten: für die Ausrichtung nach Süden und Ost-West. Beide Varianten sind in die Zulassung einbegriffen.
Bisher wurden in unserer Branche solche Zulassungen nur für einzelne Komponenten erteilt, etwa für Schletter. Wie unterscheidet sich Ihre Zulassung?
Das DIBt hat meines Wissens erstmals ein gesamtes Montagesystem zugelassen, also nicht nur einzelne Komponenten wie Verbindungsstücke oder Klemmen. Das ist ein wichtiger Schritt, denn die Photovoltaik wird zunehmend zum selbstverständlichen Bestandteil der Gebäude, wie die Heizungstechnik oder die Lüftung auch. Also müssen wir uns an die Regeln der Baubranche halten. Und diese Regeln schreiben vor, dass die am oder im Gebäude verwendeten Systeme als Bauprodukte zu betrachten sind, die entweder normativ gerechnet wurden oder eben der Zulassung bedürfen. Sonst riskieren Lieferanten, Installateure und Bauherren einen Verstoß gegen die Landesbauordnungen und es drohen Rückbau, Mängelrügen oder der Verlust der Versicherungsleistung.
Warum brauchen Montagesysteme eine Zulassung?
Wir reden in erster Linie über Montagesysteme für Gebäude, also beispielsweise Dachanlagen. Schon 2012 hat das DIBt ein Merkblatt veröffentlicht und darauf hingewiesen, dass Photovoltaiksysteme den üblichen Regeln der bautechnischen Anforderungen unterliegen. Eine Nichteinhaltung dieser durch die Landesbauordnung geregelten Verfahrensweise hat erhebliche Folgen. Auf rechtlicher Ebene führt der Einsatz von nicht geregelten Bauprodukten zur Einstellung des Bauvorhabens, zur Rückbaupflicht und zur Geldbuße. Zivilrechtlich ist das errichtete Werk automatisch mangelhaft und der Errichter ist zur Nacherfüllung verpflichtet. Ersatzvornahme, Rücktritt oder Minderung drohen. Und zu guter Letzt ist auch der Versicherungsschutz gefährdet und ohne diese Sicherheit wird die Investition in Photovoltaik zum Blindflug.
Welchen Aufwand hat die Zulassung für Sie insgesamt verursacht?
Der Prozess am DIBt ist sehr aufwendig und langwierig. Die ersten Gespräche haben wir Ende 2015 geführt. Aber für uns war es konsequent, sich um die Zulassung zu bemühen. Wir haben sehr viel Geld ausgegeben, um unsere Systeme zu testen und durch Versuche zu überprüfen. Denn wir wollten vor allem verstehen, wie die Kräfte in einem aerodynamischen Flachdachsystem wirken, wie der Wind angreift und sich seine Kräfte über das Modulfeld und ins Dach verteilen. Wir müssen wissen, wie sich Einzelbauteile im Regelfall und im Dauereinsatz verhalten, wie der Bauteilverbund wirkt und wie sich das Gesamtsystem im realen Großmodell unter Belastung verhält. Wir wollten ein System bauen, das höchste Ansprüche an die Qualität und die Standfestigkeit erfüllt.
Wie viel Geld haben Sie letzen Endes in die Zulassung gesteckt?
Rund 70.000 bis 80.000 Euro und viele, viele Stunden! Allerdings haben wir die meisten Versuche und Tests unabhängig von der Zulassung gemacht, wir konnten sie dann auch beim DIBT einreichen. Weil wir das Gesamtsystem zertifizieren wollten, mussten wir gemeinsam mit dem Institut Neuland betreten: Wie prüft man ein Modulfeld? Welche Rolle spielt die Steifigkeit des Modulfelds? Und wie definiert man Lasteinflussflächen und Lastübertragung innerhalb von Systemen und welche Folgen leiten sich daraus ab? Nur um einige Fragen zu nennen. Ich kann Ihnen sagen, das war nicht so ganz einfach. Aber nun haben wir die Zulassung, das ist ein großer Erfolg unserer Bemühungen.
Welche Vorteile ergeben sich jetzt daraus?
Wir haben Rechtssicherheit geschaffen. Wer unser System verbaut, riskiert keine öffentlich-rechtlichen, zivilrechtlichen oder gar strafrechtlichen Konsequenzen mehr, nicht mehr im Sinne der Landesbauordnungen. Natürlich ist mit der Zulassung die Frage nach der spezifischen Ballastierung der einzelnen Projekte nicht beantwortet. Hier muss noch immer durch den Tragwerkplaner ein Nachweis für die Gebrauchstauglichkeit des Systems an sich geführt und die von ganz vielen Parametern abhängige Ballastierung zur Lagesicherheit ermittelt werden. Hier würde ich es begrüßen, wenn man standardisierte oder brancheneinheitliche Ansätze und Herangehensweisen verabschieden könnte. Wir würden hierzu gerne die Steifigkeit des Systems, also die Fähigkeit zur Übertragung von Windlasten innerhalb der Systeme, und die daraus resultierenden Ballastansätze noch in die Zulassung hineinbekommen, denn das sind technische Eigenschaften des Montagesystems, nicht des Daches. Diese Gespräche mit dem DIBt laufen noch.
Welche Vorteile hat ein Planer oder ein Bauherr davon, ein zugelassenes System zu verwenden?
Neben den rechtlichen Vorteilen ist es einfacher, in dieses System zu vertrauen. Mit dem gewerblichen Eigenverbrauch fragen viele Kunden zunehmend nach hochwertigen Lösungen. Die Investoren sind meist inhabergeführte Unternehmen, die auf hohe Qualität und lange Produktlebensdauer setzen. Da spielen fünf Euro mehr oder weniger pro Kilowatt kaum eine Rolle.
Was spielt eine Rolle?
Entscheidend sind viel eher Qualität und vor allem Sicherheit. Wir haben unlängst in den Niederlanden einen sehr interessanten Auftrag gewonnen, bei dem die Qualität im Vordergrund stand, nicht der Preis. Obwohl der holländische Markt bezüglich des Preiskampfes bei den Montagegestellen außerordentlich brutal ist, nahezu einzigartig.
Sie meinen also, dass der gewerbliche Eigenverbrauch den Markt für Montagesysteme hinsichtlich der Qualität fordert?
Nicht nur der gewerbliche Eigenverbrauch, ich denke insgesamt wird die Branche erwachsener und unser Weg zahlt sich offenbar aus. Trotz des verrückten Preisdrucks in der Vergangenheit sind wir nicht von unseren hohen technischen Standards abgerückt. Die meisten Gewerbeanlagen leisten zwischen 100 und 750 Kilowatt, oft tragen die Investoren als Betreiber auch die Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Investition und überdies vor allem für die Immobilie und die eigentliche Nutzung darunter – Probleme kann sich hier niemand leisten.
Ist der gewerbliche Eigenverbrauch einer der wichtigsten Trends in diesem Jahr?
Das rollt jetzt richtig an, nicht nur in Deutschland und Europa. Im Senegal bauen wir im August mit der Baywa einen interessanten Eigenverbrauchscarport auf, der rund 560 Kilowatt Solarleistung haben wird. Wir haben unsere neuen Carportsysteme im vergangenen Jahr zur Intersolar vorgestellt, mit unglaublichem Feedback. Bisher haben wir Angebote für rund 40 Millionen Euro geschrieben und auch wenn Carportprojekte eine sehr lange Vorlaufzeit haben, werden jetzt die Aufträge nicht nur für Deutschland unterschrieben. Hier arbeiten wir unter anderem mit IBC Solar, der Baywa, Solvatec und Münch Energie zusammen. In diesem Jahr wollen wir zwischen drei und vier Millionen Euro Umsatz in diesem Segment machen und das Segment in den Folgejahren weiter ausbauen.
Wie läuft es bei den Dachsystemen?
Im vergangenen Jahr haben wir 50 Megawatt umgesetzt, damit lagen wir sehr gut im Plan. 2015 waren es noch 35 Megawatt gewesen, davor 2014 25 Megawatt. In diesem Jahr sind wir sehr gut gestartet, wir lagen im ersten Quartal deutlich über dem Vorjahreszeitraum. Alle unsere Partner wie S:Flex, Pfalzsolar, Tritec oder Münch Energie hatten einen ausgezeichneten Start. S:Flex als unser Entwicklungspartner vertreibt erfolgreich unser gemeinsames neues Flachdachsystem Flat Direct für bis zu 30 Grad Aufständerung, das ohne Dachdurchdringung auskommt. Und Münch Energie installiert gewerbliche Eigenverbrauchssysteme: mit Photovoltaik, Blockheizkraftwerken, verlustarmen Transformatoren und der Lieferung von Strom und Gas und dem Blick auch auf komplexe Themen wie Peak-Shaving, Contracting, Non-feed-in und so weiter.
Wird die Dynamik im Markt denn noch eine Weile anhalten?
Da bin ich mir sicher. Die weiter fallenden Modulpreise und neue Möglichkeiten im EEG werden den Markt für mindestens 24 Monate anfeuern. Viele neue Anlagen werden ausschreibungsfrei errichtet, bis zur Grenze von 750 Kilowatt und aus dem gewerblichen Eigenverbrauch nicht nur in Deutschland wird ein stabiles und nachhaltiges Geschäft in ganz Europa erwachsen. Die Frage wird sein, ob wir die hohe Nachfrage wirklich in vollem Umfang bedienen können.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.
Peter Grass
ist Geschäftsführer der Premium Mounting Technologies (PMT) GmbH & Co. KG in Rugendorf in Oberfranken. Der gelernte Elektrotechnikermeister ist seit 2003 als Projektleiter in der Photovoltaik tätig. Später wurde er Abteilungsleiter für große, schlüsselfertige Solarkraftwerke. Zudem ist er Sachverständiger für Photovoltaikanlagen.