Die alte Kohlenmischhalle in Dinslaken ist ein Relikt aus einer alten, längst vergangenen Zeit. Mehr als zehn Jahre ist es her, seit hier die letzte Steinkohle abtransportiert wurde. Die Kohlenmischhalle ist ein Teil des ehemaligen Bergwerks Lohberg-Osterfeld. Es war einst der Lieferant für die Energiegewinnung zum Betrieb des Bandeisenwalzwerks von Thyssen in Dinslaken. Nach einer bewegten und langen Geschichte gingen in dem Bergwerk im Jahr 2005 endgültig die Lichter aus. Die Zeche wurde stillgelegt.
Mit dem Erbstück der Kohleförderung in Lohberg-Osterfeld kam ein echter Problemfall in die Verwaltung der Liegenschaftstochter der einstigen Ruhrkohle AG, RAG Montan Immobilien. Denn als ein Monument aus einer Zeit, in der das Ruhrgebiet noch von Steinkohle und Stahlindustrie lebte, sollte das Gebäude nicht einfach abgerissen werden. Die 1975 errichtete Halle prägt schließlich seit Jahrzehnten das Stadtbild.
Wie der Name schon sagt, wurde in dem riesigen Gebäude mit der spitz zulaufenden Tonnenkonstruktion die an verschiedenen Tagen geförderte Kohle gemischt, damit insgesamt eine konstante Qualität an die Abnehmer geliefert werden konnte. Doch die Kohlemischung mit der Kohlenstaubentwicklung setzte wiederum ein erkleckliches Maß an Brandschutz voraus. Der wurde – wie früher üblich – mit Asbest realisiert. Zwar ist das Material ein guter Feuerhemmer, aber eben auch krebserregend. Spätestens wenn ein mit asbesthaltigem Eternit eingedecktes Dach wie im Falle der Kohlenmischhalle saniert werden muss, wird es gefährlich für die Gesundheit.
Erste Dachanlage von Montan Solar
Diese Sanierung stand an. Denn das Dach war nach vielen Jahren marode. Hier ergab sich die Chance, mehr aus dem Gebäude zu machen als nur einen Kostenfaktor in den Büchern der RAG Montan Immobilien. „Es mussten mehrere Tausend Koppelpfetten getauscht und alle Leimbinder komplett abgestrahlt und saniert werden”, erinnert sich Johannes Groß. „Da bot es sich an, die ohnehin notwendigen Gerüste und Hebefahrzeuge gleich für die Installation einer Photovoltaikanlage zu nutzen.“
Johannes Groß ist Vertriebsleiter von Wirsol. Der Projektierer aus dem badischen Waghäusel arbeitet schon seit mehreren Jahren im Rahmen der Montan Solar mit der RAG zusammen und bebaut ehemalige Bergbaugrundstücke mit Solaranlagen. Angefangen hat Montan Solar mit Freiflächenanlagen im Saarland. Inzwischen sind auch die ersten Anlagen in Nordrhein-Westfalen realisiert.
Kooperation ist wichtig
Wirsol baute auf der Kohlenmischhalle vor den Toren von Dinslaken die erste Dachanlage, die im Rahmen dieser Kooperation entstanden ist. Der Projektierer aus Waghäusel hat dabei die komplette Sanierung der Halle mit übernommen – inklusive Statik und Entfernung der Eterniteindeckung des Daches. Danach haben die Badener die ganze Dachkonstruktion wiederhergestellt. Erst dann konnten sie das Dach komplett mit Trapezblech eindecken. „Die Herausforderungen waren dabei ganz vielfältig”, erinnert sich Johannes Groß. „Die eigentliche Installation der Photovoltaikanlage war dabei eines der kleineren Probleme.”
Denn vor allem der enorme Zeitdruck, unter dem die Handwerker und Planer bei der gesamten Sanierung inklusive der Installation der Solaranlage standen, war enorm und wurde noch größer, nachdem die Bundesregierung endgültig zu dem Schluss gekommen war, auch Dachanlagen mit in die Ausschreibungen von Marktprämien einzubeziehen. Zusätzlich mussten sich die Planer von Wirsol noch mit den Kollegen bei der RAG und auch mit den zuständigen Behörden der Stadt abstimmen. Die gesamte Planung musste schließlich genehmigt und die einzelnen Leistungen ausgeschrieben werden. Zusätzlich musste ein Sicherheitskonzept erstellt werden, das von der Statik bis hin zum Kohlestaub reichte, der noch in der Halle verblieben war.
Das Dach ragt 38 Meter in die Höhe
Doch auch die Montage der Module auf dem Trapezblech war nicht ganz einfach. Schließlich mussten die Planer auch die Vorgaben des Architekten einhalten. Dieser wollte die eigentliche Konstruktion der Halle auf dem Dach weiterführen. Das Gebäude steht auf über 70 Leimbindern, jeweils 35 auf beiden Seiten. Diese dicken Holzträger bilden die Grundkonstruktion der Halle und sind im unteren Viertel abgerundet. Nach oben hin laufen sie gerade zu. So sieht das gesamte Gebäude von der Seite aus wie eine aufgeschnittene Zwiebel, die auf dem Kopf steht.
Jeder einzelne Leimbinder ist auf einem Betonsockel montiert. Sie sind untereinander verstrebt. Die eigentliche Dachunterkonstruktion besteht aus sogenannten Koppelpfetten. Insgesamt 38 dieser dicken Holzlatten sind von der Dachspitze bis zum Betonsockel in relativ regelmäßigen Abständen verteilt und verbinden jeweils zwei benachbarte Leimbinder. Sie dienen so gleichzeitig der Statik der gesamten Halle. Damit bekommt die Dinslakener Kohlenmischhalle zwar eine ganz eigene Optik, die sich nicht so schnell woanders wiederfindet. Doch auf einem solchen Dach eine Solaranlage zu installieren ist eine echte Herausforderung.
Das eigentliche Dach ragt mit einer Neigung von 40 Grad in eine Höhe von 38 Meter. Da die Halle 65 Meter breit ist, wäre eine riesige Gerüstkonstruktion notwendig gewesen, damit die Monteure das Montagegestell für die Solaranlage und dann auch die Module hätten installieren können.
Deshalb kamen zwei riesige Teleskoparbeitsbühnen zum Einsatz, mit denen die Handwerker die gesamten Komponenten an die richtige Stelle über dem Dach gehoben haben. Immerhin hatte der größere der beiden Hubsteiger einen 84 Meter langen Ausleger, damit die Monteure auch den Giebel erreichen konnten. „Diesen gibt es nur vier Mal in Deutschland“, betont Rainer Schlauderer. Er hat als Bauleiter die Umsetzung des Photovoltaikprojekts überwacht.
Auf den Architekten zugehen
Mit den beiden Arbeitsbühnen wurden dann auch die gesamten Installationsarbeiten durchgeführt. Auf die schwarz eloxierte Unterkonstruktion Single Fix von Schletter – diese war vom Architekten so gewünscht – montierten die Installateure 6.840 Module von Canadian Solar. Insgesamt leistet die Anlage damit 1,812 Megawatt.
Die neue Anlage ist über die gesamte Länge der Halle von satten 210 Metern auf der West- und der Ostseite in insgesamt 60 Modulfelder aufgeteilt. Jedes dieser Felder besteht aus 19 Modulreihen und in jeder dieser Reihen sind sechs Paneele verbaut. Die einzelnen Modulfelder auf dem Dach der Halle wurden so installiert, dass jeweils links und rechts jedes einzelnen Leimbinders die Anlage auf einer Breite von 35 Zentimetern unterbrochen ist.
Mit dieser Unterbrechung erreicht der Architekt sein Ziel, die Struktur der Grundkonstruktion auf dem Dach trotz Trapezblecheindeckung und Solaranlage weiterzuführen. Aber auch für die Solaranlage selbst ist dieser Abstand zwischen den Modulfeldern ein Vorteil. Denn Handwerker, die mit der Instandhaltung der Anlage beauftragt sind, können diese gleich als Wartungsgang nutzen. „Das Problem war, dass die Abstände zwischen den einzelnen Leimbindern nicht gleich sind. Deshalb brauchten wir zur Planung der Anlage ein sehr detailliertes Aufmaß der gesamten Halle und des Daches“, sagt Johannes Groß.
Innerhalb jedes Modulfeldes sind die 19 von der Traufe bis zum Dachfirst übereinanderliegenden Paneele jeweils zu einem String verschaltet. Diese Strings laufen über eine DC-Combinerbox auf den Eingang eines Sunny Tripower von SMA mit einer Leistung von 60 Kilowatt. Die gesamte Kommunikation zwischen den einzelnen Wechselrichtern sowie mit dem Netz und der Sensorik läuft über einen Invertermanager.
Wasserhaltung mit Solarstrom
Die Anlage erzeugt jedes Jahr 1.518 Megawattstunden Solarstrom. Derzeit wird der erzeugte Strom ausschließlich ins Netz eingespeist. Doch in Zukunft sollen die Stadtwerke Dinslaken den Betrieb der Anlage übernehmen. Ob der Strom dann auch komplett eingespeist wird, steht noch nicht fest. In der Nähe befindet sich die ehemalige Zeche und aus dieser muss ständig das Grubenwasser abgepumpt werden. Die Pumpstationen werden von den Unternehmen der RAG betrieben, die für die sogenannten Ewigkeitslasten zuständig sind.
Das Abpumpen des Grubenwassers wiederum verbraucht viel Strom. Deshalb ist das mittelfristige Konzept, dass der Strom aus der Solaranlage zusammen mit dem aus weiteren Anlagen in der Nähe direkt für das Abpumpen des Wassers verwendet wird. Denn in Lohberg wird eine Pumpstation für die Wasserhaltung in den ehemaligen Bergwerken auch nach 2035 bestehen bleiben.
Außerdem steht noch nicht fest, wie die Kohlenmischhalle nach ihrer kompletten Erneuerung genutzt wird. Immerhin wurden inzwischen die Seiten unterhalb der Solaranlage mit Wellzementplatten verschlossen. Zudem wurden an den Giebelseiten im Norden und Süden transparente Wände installiert, die genügend Licht in die Halle lassen, die komplett ohne Fenster bleibt.
Nutzer gesucht
Derzeit läuft ein Ausschreibungsverfahren, um einen Nutzer für die 13.650 Quadratmeter Nutzfläche zu finden. „Es gibt nicht viele Industrieflächen dieser Qualität im Ballungsraum Rhein-Ruhr – noch dazu mit nahem Autobahnanschluss“, betont Bernd Lohse, Projektleiter der RAG Montan Immobilien. „Wir suchen wirtschaftlich tragfähige Lösungen. Dafür kommen Ansiedler aus den Bereichen Produktion oder Großhandel und Logistik ebenso infrage wie Investoren, die sich auf Sport-, Freizeit- oder Eventnutzungen orientieren.“
Insgesamt ist die Kohlenmischhalle Teil des Neunutzungskonzepts des gesamten Areals auf dem ehemaligen Zechengelände. Zusammen mit der Stadt Dinslaken entwickelt RAG Montan Immobilien die Fläche zum „Kreativ Quartier Lohberg“. Bausteine der Neuentwicklung sind ein Wohngebiet im Norden, ein Dienstleistungsareal im Zentrum, ein Gewerbegebiet im Süden und die Kohlenmischhallenfläche im Osten des rund 45 Hektar großen Geländes. Die Entwicklung des Quartiers wird von einem Energiekonzept begleitet, um die lokale CO2-Bilanz schrittweise auf null zu senken.
Die sanierte und mit einer Photovoltaikanlage ausgestattete Kohlenmischhalle ist nicht nur Teil dieses Konzepts, sondern auch eines der besten Beispiele, wie man Flächen und Gebäude besser nutzen kann, statt sie zur Förderung von Kohle aufzuwühlen oder unterzugraben.
Montan Solar
Solarkraftwerk in der Kiesgrube
In Bottrop befindet sich derzeit das neueste Projekt von Montan Solar. Der Solarpark entsteht auf dem Gelände einer ehemaligen Kiesgrube östlich des Knappschaftskrankenhauses in Bottrop. Ursprünglich war hier die Erweiterung des Westfriedhofs geplant. Doch die wird nicht mehr gebraucht. Die RAG Montan Immobilien als Eigentümerin der Fläche musste eine neue sinnvolle Verwendung finden.
Deshalb rammen die Monteure von Wirsol derzeit die Stützen für die Unterkonstruktion des neuen Solarparks ein. Darauf installieren sie danach insgesamt 2.826 Module mit einer Gesamtleistung von knapp 750 Kilowatt. Damit bekommt Montan Solar nach der Fertigstellung die Einspeisevergütung, wie sie im EEG festgelegt ist, und muss mit der Anlage nicht erst in die Ausschreibungen gehen.
Eine besondere Herausforderung ist die Lage des Solarparks mitten in der Stadt. So musste Wirsol vor dem Bau der Anlage ein Blendgutachten einholen und die Anlage entsprechend ausrichten, um zu verhindern, dass die Anwohner von den Modulen gestört werden. Außerdem sollten sie sicherstellen, dass die Bewohner der angrenzenden Häuser nicht ständig auf die Anlage schauen müssen. Deshalb bleiben die Bäume stehen, die das Gelände jetzt umsäumen. Zudem wird auf der Nordseite am Übergang zum Friedhof eine zusätzliche Baum- und Strauchhecke gepflanzt, damit die Anlage auch von dort nicht zu sehen ist. Das wiederum bedeutet Verschattung. Die Anlage muss dementsprechend so gebaut werden, dass die Schatten der Bäume und Sträucher nicht auf die Module fallen.
Der neue Generator ist Teil eines Stadtentwicklungskonzepts, das Bottrop in den kommenden Jahren umsetzen will. Vor allem das Stadtgebiet entlang der Autobahn A2 soll jetzt klimagerecht umgebaut werden. Ein Teil des Konzepts ist, dass der im Projektgebiet verbrauchte Strom zu großen Teilen auch dort erzeugt wird, unter anderem vom neuen Solarpark am Waldfriedhof.