Auch wenn das Schrägdach immer noch das wichtigste Segment für die Solarteure ist, sind Photovoltaikanlagen auf Flachdächern längst keine Seltenheit mehr. Im Gegenteil: Viele Gewerbebetriebe erkennen die Möglichkeit, ihre Betriebskosten mit billigem Solarstrom vom eigenen Dach zu senken. Es klingt zunächst einfach, eine Photovoltaikanlage auf einem Dach aufzustellen. Allerdings steckt der Teufel im Detail. Denn jedes Flachdach ist absolut individuell. Um die Kosten des Gebäudes bei der Errichtung möglichst niedrig zu halten, werden die Dächer so ausgelegt, dass sie möglichst leicht sind. Das wiederum führt dazu, dass sie so gebaut werden, dass sie nicht viel zusätzliches Gewicht vertragen. Das Ziel bei der Planung der Anlage ist, mit so wenig Ballast wie möglich auszukommen. „Schließlich sind die besten Dächer schon besetzt“, erklärt Thomas Hirsch, Geschäftsführer von REM Solar im bayerischen Rottenburg an der Laaber. „Jetzt kommen die Dächer mit einer geringen Tragfähigkeit, die schwieriger zu belegen sind, wie etwa große Foliendächer oder Trapezblechdächer.“
Vor allem die Ecken und Ränder sind dem über das Dach fegenden Wind hart ausgesetzt. Zusätzlich zum Schnee, der im Winter auf das Dach fällt, bleibt nicht mehr viel Luft für die Installation einer Photovoltaikanlage. Das stellt die Planer und Installateure vor teilweise erhebliche Probleme, wenn sie eine Solarstromanlage auf ein Flachdach bauen wollen. Sie müssen das Gewicht der Anlage inklusive der Ballastierung und die Windlasten so austarieren, dass das Dach keinen Schaden nimmt und die Anlage trotz starken Windes auf dem Dach stehen bleibt.
Verantwortlich für die Standsicherheit der Anlage „im Ganzen und in ihren Teilen“, wie es der Gesetzgeber in der Musterbauordnung fordert, ist der Bauherr. Er hat aber in der Regel nicht die fachlichen Kenntnisse für die Planung und Montage. Denn die Berechnung von Wind- und Schneelasten ist nicht einfach. Deshalb delegiert der Bauherr gern die Verantwortung an den Planer und den Installateur.
Spezielle Anforderungen
In der gängigen Praxis übernehmen die Gestellhersteller den Nachweis der Standsicherheit für das Montagegestell. Deshalb bietet der Montagesystemhersteller Mounting Systems im brandenburgischen Rangsdorf in seinem Planungsprogramm für die Installateure von Flachdachsystemen nur die eigenständige Planung der Modulbelegung auf dem Dach an. Alle statischen Berechnungen inklusive der gesamten Ballastierung, die das System auf dem Dach hält, übernehmen die Brandenburger selbst. „Derzeit ist in unserem Planungstool die Flachdachauslegung nicht enthalten“, begründet Nina Jarosch, Leiterin im Produktmanagement von Mounting Systems. „Diese wird bei uns intern durchgeführt, da die Anforderungen sehr speziell sind.“ Denn in der Branche haben sich inzwischen die leichtballastierten Systeme durchgesetzt. „Zukünftig wird es aber auch bei uns für einfache Gebäudegeometrien und Standardfälle ein Tool geben. Damit können dann aber nur von uns geschulte Kunden und Installateure arbeiten.“
Andere Anbieter wie der Freiburger Montagesystemhersteller Creotecc oder der Systemanbieter Solar Energiedach im pfälzischen Sembach stellen zwar umfangreiche Planungsprogramme zur Verfügung. Aber die Mitarbeiter im eigenen Haus überprüfen die Richtigkeit der vom Installateur geplanten Anlage, damit nichts schiefgeht.
Windzonen bestimmen den Ballast
Die Berechnung der Windlasten, die auf ein Dach einwirken, ist für Deutschland in der DIN 1055 geregelt. Dort ist das Land in vier unterschiedliche Windzonen eingeteilt. So liegt das Binnenland im Südwesten der Republik in einer Zone mit den geringsten Windlasten. Dort erreicht der Wind Geschwindigkeiten bis zu 81 Kilometer pro Stunde. Das bedeutet, dass er mit 0,5 Kilonewton pro Quadratmeter auf eine Anlage in zehn Metern Höhe drückt. In den Mittelgebirgen, im Voralpenland und im Tiefland im Nordwesten liegt der ausgewiesene Windgeschwindigkeitsdruck schon bei 0,65 Kilonewton pro Quadratmeter. Denn dort erreichen Windböen Geschwindigkeiten bis zu 90 Kilometer pro Stunde. Windböen mit einer Geschwindigkeit von fast 100 Kilometern pro Stunde sind Anlagen in den Regionen vor den Küsten ausgesetzt. Das bedeutet, der Windgeschwindigkeitsdruck steigt hier bis auf 0,8 Kilonewton pro Quadratmeter.
Frei stehend gegen den Orkan
Planer, die eine Flachdachanlage direkt an den Küsten oder auf den Inseln der Nord- und Ostsee errichten wollen, müssen mit Windgeschwindigkeiten von 108 Kilometern pro Stunde und einem Windgeschwindigkeitsdruck zwischen 1,25 und 1,4 Kilonewton pro Quadratmeter rechnen.
Um die Systeme bei diesen Windgeschwindigkeiten sicher auf dem Dach zu halten, werden sie entweder in die Dachhaut verschraubt, wie es der Systemanbieter Solar Energiedach bevorzugt. „Das ist aber schlecht für das Dach und den Kunden, denn die Dachhaut sollte nicht beschädigt werden, um den eigentlichen Zweck des Daches zu erhalten“, gibt Nina Jarosch zu bedenken. Deshalb bietet Mounting Systems wie viele andere Hersteller nur frei stehende Systeme an, die ohne Dachdurchdringung auf die Dachhaut gestellt werden. Um die Standsicherheit auch bei starkem Wind zu gewährleisten, werden diese Systeme zusätzlich mit Betonsteinen oder Kies ballastiert.
Der Systemanbieter Wagner und Co. im hessischen Cölbe gibt für sein Flachdachmontagesystem in der Windzone eins eine Ballastierung zwischen 105 Kilogramm pro Quadratmeter Modulfläche in der Mitte des Daches und 232,5 Kilogramm pro Quadratmeter Modulfläche an den Ecken an. An den Außenkanten des Daches muss der Installateur 182,5 Kilogramm pro Quadratmeter Modulfläche auflegen. In der Windzone zwei hingegen sind schon zusätzliche Gewichte zwischen 135 und 285 Kilogramm pro Quadratmeter Modulfläche notwendig. Steht die Anlage im Küstenvorland, muss der Installateur mit 172,5 bis 352,5 Kilogramm pro Quadratmeter Modulfläche erheblich mehr zusätzliche Last auf die Anlage legen, damit sie auch sicher steht. An den Küsten von Nord- und Ostsee und auf den Inseln steigt die Ballastierung auf 210 bis 427,5 Kilogramm pro Quadratmeter Modulfläche.
Vorgaben aus der DIN 1055
Anders als für die Installation von Solaranlagen auf Schrägdächern oder an Fassaden kann der Planer die Referenzwerte aus der DIN 1055 für Flachdachanlagen nicht einfach übernehmen. „Leichtballastierte oder sogenannte aerodynamisch optimierte Systeme erfordern eine aufwendigere Detailplanung“, weiß Nina Jarosch von Mounting Systems. Dazu gehören der Standort des Gebäudes, statische Werte und die Aerodynamik der Untergestelle.
Denn je höher das Gebäude ist, desto größer sind auch die Windgeschwindigkeiten, denen das System standhalten muss. Mit sinkendem Anstellwinkel wiederum geht der Windgeschwindigkeitsdruck zurück. Deshalb arbeiten viele Gestellhersteller schon längst nicht mehr mit Aufständerungen von 25 oder 30 Grad. Sie reduzieren den Anstellwinkel der Module auf 15 Grad. Dann kann es im Winter aber schwierig werden mit der Schneelast. Denn nicht immer rutscht der Schnee bei dieser geringen Neigung ab.
Einige Anbieter gehen sogar auf zehn Grad Anstellwinkel, um mit noch weniger zusätzlichem Gewicht auszukommen. „Dann wird es aber kritisch mit dem Selbstreinigungseffekt der Module“, begründet Thomas Hirsch die Entscheidung von REM Solar, bei 15 Grad zu bleiben. „Die meisten Modulhersteller geben an, dass der Selbstreinigungseffekt unter einem Anstellwinkel von zwölf Grad nicht mehr funktioniert. Außerdem ist der Unterschied der Ballastierung bei einer Aufständerung von 15 Grad im Vergleich zu zehn Grad nicht mehr so erheblich.“
Die Bayern haben auf der diesjährigen Intersolar die verbesserte Variante ihres Montagesystems Delta Wing Mono vorgestellt. Vorher hat REM Solar das Gestell noch einmal in den Windkanal geschickt, um es aerodynamisch zu optimieren. Denn bei der Berechnung der auf das System einstürmenden Windlasten fließt ein aerodynamischer Windwiderstandsbeiwert ein. Windschnittige Gestelle können ihren Vorteil der geringeren zusätzlichen Ballastierung gerade bei Flachdächern mit geringer Traglastreserve voll ausspielen. Bei der gesamten Berechnung darf der Anlagenplaner aber nicht die Tragfähigkeit der Dachkonstruktion ausreizen, weil die Lastannahmen aufgrund der vielen Variablen sehr unsicher sind.
Um flexibel zu bleiben, versuchen die Hersteller zusätzlich, das Eigengewicht immer weiter zu senken. Das Gestell von REM Solar wiegt drei bis vier Kilogramm pro Quadratmeter Dachfläche. Dazu kommt noch das Gewicht der Ballastierung und des Moduls. Mit einem Gewicht von zehn Kilogramm pro Quadratmeter Dachfläche inklusive Modul belastet das Gestell von IBC Solar in Bad Staffelstein das Dach. Die Franken haben vor wenigen Wochen in Österreich eine Anlage auf einem Flachdach in 20 Metern Höhe mit einer Leistung von 800 Kilowatt auf über 10.000 Quadratmeter Dachfläche gebaut. Dabei kamen die Monteure mit einer Ballastierung von 68 Tonnen für das gesamte System aus. Das klingt erst einmal viel, aber auf den Quadratmeter Dachfläche gerechnet sind das nur 6,8 Kilogramm. „Das ist für eine solche Anlage mit Südausrichtung und in 20 Metern Höhe ein derzeit gängiger Wert“, erklärt Kristijan Fotak, Produktmanager und Statiker bei IBC Solar.
A- oder V-Form
Mit noch weniger zusätzlichem Ballast kommen die Anlagen mit Ost-West-Ausrichtung aus. Die Module schützen sich gegenseitig vor dem Wind. Aber auch hier steckt die Innovation im Detail. Die meisten Gestelle arbeiten mit einer sogenannten A-Form. Das heißt, das erste Modul wird gegen die westliche Seite aufgeständert, das darauffolgende Modul gegen Osten. So wird dann jeder String aufgebaut, bis zum Ende des Daches. Bei IBC Solar hat man jetzt herausgefunden, dass die Anordnung der Module in V-Form Vorteile bringt. Außer den besseren aerodynamischen Eigenschaften ist die Installation auch einfacher. „Die Installateure können zwischen den Modulen einfacher verkabeln“, erklärt Kristijan Fotak von IBC Solar. „Bei einem A-förmigen System schiebt der Monteur die Module an der Oberseite direkt aneinander. Dann kommt er nicht mehr richtig unter die Module, um die Verkabelung vorzunehmen. Bei dem V-förmigen System haben sie einen Gang zwischen den Modulen, den sie nutzen können, um dazwischen die Kabel zu verlegen.“ Das erleichtert nicht nur die Montage, sondern auch die Wartung des Systems und Reparaturen.
Aber auch bei den Anlagen mit Ost-West-Ausrichtung gilt, was für das gesamte Segment der Flachdachanlagen inzwischen Realität ist: Die einfachsten Dächer sind oft schon besetzt. Der Planer kommt nicht umhin, das Gewicht der Anlage genau auf die herrschenden Windverhältnisse und die Tragfähigkeit des Daches abzustimmen. Auch wenn die Systeme etwas windschnittiger sind, damit der Wind nicht unter die Module fahren kann: Er fegt trotzdem über die Anlage und will sie vom Dach saugen. Auch dieser Sog ist nicht zu unterschätzen.
Einfaches Tool zur Projektplanung
Die Software begleitet das gesamte Projekt
Der schwäbische Photovoltaikgroßhändler und Montagesystemhersteller Green Factory im schwäbischen Nattheim bietet seinen Kunden die Planung mit der Software Plan4solarPV von Gascad an. Die Software deckt alle Planungsbereiche ab, von der Verschattung durch Nebengebäude über die Auslegung des Montagesystems und die statische Berechnung von Dachanschluss, Dach- und Modulträgern bis hin zur Modulbelegung und Verschaltung. „Das erhöht einerseits für andere Nutzer von Plan4solarPV den Bedienkomfort bei Planung, Berechnung und Angebotserstellung und unterstützt andererseits uns optimal in unserer Vertriebsstrategie, weil wir dadurch eine sehr große Anzahl an Marktpartnern ansprechen“, erklärt Marc Gergeni, Geschäftsführer von Green Factory. Mit der Internetanbindung der Software können Planer und Installateure auf der Baustelle einfach auf das Projekt zugreifen.
Als weitere Features bietet die Software auch die Erstellung individueller Lastprofile an, um die Solarstromanlage präzise auf den Eigenverbrauch abzustimmen, inklusive Stromspeicher und Elektroautos. Das System stellt verschiedene Prognosen für die Erträge und die Wirtschaftlichkeit gegenüber und maximiert den Eigenverbrauch.
Größtes Projekt Europas
Acht Megawatt vom Dach
Auf dem neu sanierten Dach einer Logistikhalle im thüringischen Leinefelde-Worbis ging Mitte Juni dieses Jahres Europas größte Flachdachanlage in Betrieb. Auf einer Fläche von rund 80.000 Quadratmetern reihen sich 32.000 Module mit 245 und 250 Watt zu einer Gesamtleistung von acht Megawatt. Allein die Module wiegen mehr als 600 Tonnen. Eine zusätzliche Ballastierung war nicht notwendig, weil sich der Projektierer Solar Energiedach (SED) in Sembach nicht für ein frei stehendes Gestellsystem entschied. Das von Solar-Dacheinkauf in Mannheim gelieferte Montagesystem verschraubten die Monteure direkt in der Dachhaut. Die erforderlichen Dachdurchdringungen mussten danach wieder fachmännisch verschlossen werden, damit das Dach seine eigentliche Funktion wieder erfüllen kann. Die Umwandlung des Solarstroms in netzkonformen Wechselstrom übernimmt ein Zentralwechselrichter von Kaco New Energy in Neckarsulm. Inklusive der Dachsanierung brauchten die Dachspezialisten von SED nur acht Wochen, bis die Anlage ans Netz gehen konnte. Der produzierte Solarstrom wird allerdings nicht in Thüringen direkt verkauft, sondern er wird über Energie Südwest, einen Energieversorger im pfälzischen Landau, vermarktet.