Peter Vest weiß, wie Märkte funktionieren. Das gilt ganz besonders für den Energiemarkt. Der promovierte Diplom-Volkswirt war in den 1990er-Jahren wissenschaftlicher Direktor des Forschungsinstituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Mainz.
Später wurde er Bereichsvorstand Marketing, Vertrieb und Geschäftsentwicklung bei der EnBW, Sprecher der Geschäftsführung der EnBW-Tochter Yello Strom und beriet mit seiner eigenen Firma Unternehmen der Energiewirtschaft in Sachen strategische Geschäftsentwicklung.
Heute ist Peter Vest geschäftsführender Gesellschafter der Wircon GmbH und Beisitzer im Vorstand des Solar Clusters Baden-Württemberg. Wir treffen ihn in den Räumen von Wirsol, der vorwiegend auf Photovoltaikprojekte spezialisierten Marke der Wircon-Gruppe. Hauptgesellschafter der Wircon GmbH ist Dietmar Hopp, Mitbegründer des Software-Riesen SAP und Mäzen des Profifußballvereins TSG 1899 Hoffenheim. Ein Glücksfall, erklärt Peter Vest. „Er ist an einer langfristigen Entwicklung interessiert. Und er steht voll hinter unserem erklärten Unternehmensziel: die dezentrale Erzeugung von Wind- und Solarenergie voranzubringen.“
Ganzheitliche Konzepte
Dazu gehöre auch, dass man sich ganzheitlich um die Speicherung, das Management, den Bezug und die Direktvermarktung von Strom aus diesen Quellen kümmere. Nicht zu vergessen: „Dank unserer Gesellschafterstruktur sind wir nicht von Banken abhängig.“ Dies sei umso wichtiger, als Banken heute ohnehin wenig Bereitschaft zeigten, in Solarenergie zu investieren. Geschäftsmodelle, die auf Eigenverbrauch setzen, seien ihnen suspekt. „Sie gehen wie viele Verbraucher auch den Medien auf den Leim, die noch immer behaupten, Photovoltaik sei unwirtschaftlich. Das stimmt zwar nachweislich nicht, aber es ist natürlich für Unternehmen schwierig, wenn sie für ihre Finanzierung auf Banken angewiesen sind.“
Dass Peter Vest heute gemeinsam mit Markus Wirth die Geschäfte von Wircon leitet, war die Idee von Dietmar Hopp. „Er rief mich am Nachmittag des Heiligabend 2013 an. Wir kannten uns schon aus Zeiten meiner Tätigkeit bei der EnBW. Er fragte mich, ob ich Zeit für ein Treffen mit Markus Wirth hätte.“ Wirth hatte Wirsol im Jahr 2003 mit gegründet. Das Treffen fand einen Tag vor Silvester statt. Wenige Wochen zuvor hatte die Wirsol Insolvenzantrag gestellt. Dietmar Hopp wollte prüfen lassen, ob und welche Assets man sinnvollerweise aus der Insolvenzmasse erwerben könnte, um das Unternehmen zu sanieren und neu aufzustellen.
Neustart nach der Insolvenz
In diese Prüfung wollte er auch Peter Vest einbeziehen. Der kam nach zu einem positiven Ergebnis und stieg im April 2014 ins operative Geschäft ein. „Wir übernahmen damals 75 Mitarbeiter von insgesamt über 260 zum Zeitpunkt der Insolvenz, den Windpark Straubenhardt im Nordschwarzwald und alle sinnvollen Projekte, in denen das Unternehmen vertraglich gebunden war.“
Auch den Vertrieb von kleinen Photovoltaikanlagen bis zehn Kilowatt, also unterhalb der Bagatellgrenze des EEG, wollte man weiterführen. „Die aktuellen Herausforderungen haben wir anfangs allerdings unterschätzt.“ Die sinkende Einspeisevergütung und das mediale Dauerfeuer gegen Solarenergie hatten zu einer „verheerenden Diskussion geführt. Die Branche ging voll auf Abwehr und hat es in jener Zeit komplett versäumt, positiv zu argumentieren.“
Den Vertrieb neu aufstellen
Die Argumentation für Kleinanlagen zum Eigenverbrauch war eine gänzlich andere als zu Zeiten hoher Einspeisetarife. Und sie war viel komplexer geworden. Plötzlich brauchte man solides technisches, kaufmännisches und juristisches Wissen, um solche Anlagen überhaupt verkaufen zu können. Zugleich waren Preise und Margen dramatisch gesunken.
Das Problem: Die aufwendige Überzeugungsarbeit beim Kunden war durch die erzielbaren Margen nicht abzudecken. Also entschlossen sich Peter Vest und Markus Wirth im Herbst 2014, den eigenen Vertrieb für Kleinanlagen deutlich zu reduzieren und sich auf größere, komplexe Projekte zu fokussieren.
Eigenversorgung rechnet sich
Was nicht heißt, dass sie in diesem Markt für die Zukunft kein Potenzial sehen. Im Gegenteil, so Vest: „Eigenversorgung ist wirtschaftlich attraktiv – auch unterhalb der Bagatellgrenze.“ Allerdings brauche man, um diesen Markt deutschlandweit zu bedienen, Organisationen mit Massenmarktstrukturen wie Energieversorger oder die Automobilbranche. Oder Zugang zum Beispiel zu regional gut verdrahteten Installationsbetrieben. „Solche Vertriebsstrukturen existieren schon, die selbst aufzubauen macht für uns keinen Sinn.“
Wichtig sei zu sehen, dass der Vertrieb von Photovoltaik als „Stand-alone-Lösung“ allein nicht rentierlich sei. Um daraus ein funktionierendes Geschäftsmodell zu machen, müsse man es langfristig anlegen und mit Zusatzgeschäften anreichern, mit Serviceleistungen und Wartungsverträgen zum Beispiel, oder Unterstützung beim Vermarkten der nicht selbst verbrauchten Strommengen suchen.
Er sei sicher, so Peter Vest, der Markt für Eigenverbrauchs-Systemlösungen werde über kurz oder lang aufgehen und dann womöglich sogar boomen. „Wenn man seine Photovoltaikanlage mit Heizsystemen wie Wärmepumpen, einem intelligenten Energiemanagement und eventuell weiteren Komponenten kombiniert, dann rechnet sich das gut. Damit lässt sich die Eigenverbrauchsquote deutlich steigern – und Energie aus anderen Quellen wird tendenziell immer teurer. Das Potenzial für solche Systemlösungen ist vorhanden.“
In der Region am Ball
Allein schon dies sei Grund genug für Wirsol, auch bei Kleinanlagen in der Region am Ball zu bleiben. Zum Beispiel durch Kooperationen mit Architekten, Fertighausherstellern, Heizungsbauern oder regionalen Versorgungsunternehmen wie der Abfallverwertungsgesellschaft des Rhein-Neckar-Kreises, AVR.
Dass Peter Vest und Markus Wirth mit ihren Sanierungsbemühungen und der Konzentration auf aussichtsreiche Geschäftsfelder die richtigen Entscheidungen getroffen haben, zeigen die Zahlen: Lag der Umsatz 2014 noch bei knapp 50 Millionen Euro, stieg er im Jahr darauf bereits auf rund 200 Millionen Euro. „Damit haben wir fast schon das frühere Spitzenniveau erreicht, allerdings mit rund einem Viertel der Mitarbeiter“, so Peter Vest.
Im Übrigen seien sie alle fast ein wenig überrascht, wie schnell und deutlich das Unternehmen aus der Talsohle gekommen sei. „Aber das zeigt auch, dass wir hier ein sehr gutes, eingespieltes und motiviertes Team sind.“
In Großbritannien gut positioniert
Heute ist Wirsol vor allem als Projektierer großer Solarparks in Süddeutschland, Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden, der Schweiz und Frankreich aktiv. In England hat das Unternehmen inzwischen rund 55 Megawatt Gesamtkapazität installiert. Ab April 2016 wird sich der Markt auf der Insel aufgrund der veränderten Einspeiseregeln in Richtung kleinere, dezentrale Projekte drehen. „Die Rahmenbedingungen werden auch dann noch attraktiv sein, und wir sind in England gut aufgestellt. Also bleiben wir dran.“
Überhaupt entwickeln sich die Solarmärkte in vielen Ländern vielversprechend. So baut Wirsol derzeit den mit 60 Megawatt bislang größten Solarpark in Dänemark und hofft auf den Zuschlag für weitere 200 Megawatt an dänischen Großprojekten. In den Niederlanden steht aktuell ein 30-Megawatt-Projekt an, eine 100-Megawatt-Pipeline ist in der Entwicklungsphase. In der Türkei startet Wirsol in Kürze mit ersten Projekten und in Frankreich sei man gemeinsam mit dem Partnerunternehmen Montansolar an einigen Photovoltaik-Großinstallationen dran.
Auch in Chile bewegt sich der Markt laut Peter Vest. „Dort setzen einige Minenbetreiber inzwischen auf Eigenversorgung. Wir gehen davon aus, dass wir mittelfristig auch in Südamerika erste Schritte machen werden.“ Außerdem laufe derzeit die Projektierung für einen 50-Megawatt-Park auf Mallorca mit Wirsol-Beteiligung. Hintergrund hier sind attraktive Einspeisevergütungen auf den Balearen.
Die Strategie geändert
Ihre stabilisierte Geschäftslage und ihren finanziellen Rückhalt wollen die Wirsol-Geschäftsführer nutzen, um ihre Strategie an einem wesentlichen Punkt zu ändern: Hat das Unternehmen bislang fast alle seine Projekte nach Fertigstellung verkauft, will man künftig größere Parks längerfristig behalten und selbst betreiben.
Peter Vest nennt Gründe für diese Strategieänderung. Der Wert eines Solarprojekts wird auf der Basis von Ertragsprognosen ermittelt. Die jedoch liegen nach den Erfahrungen von Wirsol in der Regel um fünf bis zehn Prozent unter den tatsächlichen Erträgen. Zum anderen basieren die Prognosen immer auf Einstrahlungswerten aus der Vergangenheit. Die dürften aber aufgrund des Klimawandels künftig eher höher liegen als bisher.
Wert der Anlagen wandelt sich
Basis für den Verkaufswert eines Projekts sind die Erträge über die kommenden 20 Jahre. Danach aber haben viele Anlagen noch einen durchaus erheblichen Restwert und bringen weiter Erträge. Dies fällt bei einem Verkauf unter den Tisch.
Nach Einschätzung von Peter Vest wird der Börsenpreis für Strom mittelfristig auf sieben bis acht Cent pro Kilowattstunde steigen, „weil Kohlendioxid eingepreist werden muss, was bislang nicht der Fall ist“.
Aktuell liegt er um die drei Cent. Bei der Wertermittlung für ein Projekt aber wird zunächst die garantierte Einspeisevergütung zugrunde gelegt. Sie endet in den Niederlanden zum Beispiel nach 15 Jahren, in Dänemark nach zehn Jahren. Stimmt die Einschätzung von Vest, dann steigt der Wert einer Anlage gegenüber heute allein schon dadurch deutlich.
Große Dachanlagen für Eigenverbrauch
Der tatsächliche langfristige Wert eines Solarparks ist demnach oft höher als der kurzfristig am Markt erzielbare Preis. Hinzu komme das strategische Ziel, als Eigner von Projekten Unternehmenssubstanz aufzubauen. „Das können wir mit unseren langfristig orientierten Gesellschafterstrukturen stemmen.“ Neben Freiflächenanlagen will Wirsol künftig verstärkt auf Eigenverbrauchslösungen in großem Stil setzen, auf Industriedächern, zum Beispiel von Logistikunternehmen mit Kühlanlagen, oder auf großen Wohneinheiten. Man sei in durchaus vielversprechenden Gesprächen mit Wohnungsunternehmen, die auch oft an integrierten Wärmelösungen interessiert seien. „Photovoltaikanlagen kombiniert mit Wärmepumpen und Speichern zum Beispiel.“
Die Wohnungswirtschaft wird wach
Wirsol könne die Solaranlage bauen und nach einiger Zeit an die Wohnungsgesellschaft verkaufen oder sie behalten und verpachten. Zusätzlich werde das Geschäft mit der Direktvermarktung in den nächsten Jahren immer attraktiver. „Wir haben als Unternehmen drei entscheidende Vorteile: Kompetenz in Sachen erneuerbare Energien in Person von Markus Wirth, mein Know-how, was die herkömmlichen Energiesysteme angeht. Und die finanzielle Unabhängigkeit durch Dietmar Hopp“, so Peter Vest. Wirsol könne zum Beispiel seine Waren mit Skonto einkaufen, weil man per Vorkasse bezahlen könne.
Dies und die schlanke Unternehmensstruktur wirke sich natürlich günstig auf die Wettbewerbsfähigkeit aus. „Wir realisieren eine Dachanlage für eine bis 1,1 Millionen Euro pro Megawatt. Das schaffen die großen Versorger nicht. Die sind deutlich teurer.“
Die schlanken Strukturen wolle man erhalten, erklärt Peter Vest. „Aktuell haben wir inklusive Großbritannien rund 70 Mitarbeiter. In dieser Größenordnung wollen wir bleiben. Bis zu 100 Mitarbeiter kann man noch persönlich führen. Und es ist eine gute Größe für einen Projektierer.“
An Windkraftprojekten wolle man zwar festhalten, doch es werde immer schwieriger, Genehmigungen für neue Windprojekte zu bekommen. „Das ist bei Photovoltaik deutlich besser. Es gibt kein Feindbild gegen Photovoltaik in der Öffentlichkeit, die dezentralen Strukturen und sicheren Erträge sind attraktiv für Investoren. Gute Voraussetzungen also für Photovoltaikprojekte.“
Sechs Prozent und mehr Rendite
Allerdings werde Windkraft neben Photovoltaik für die Versorgung mit erneuerbarer Energie gebraucht, so Peter Vest. „Das ist für das Erreichen der Grundlast und für die Netzauslastung notwendig. Wind ist zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern ideal, wo es zwar eine vergleichsweise geringe Sonneneinstrahlung, aber viel Wind gibt.“
Eine Idee, die sich bislang regulatorisch nicht durchsetzen konnte, sei die Belegung von Flächen mit Windrädern und Photovoltaikanlagen in unmittelbarer räumlicher Nähe. „Das ist in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung geradezu genial. Im Winter produzieren die Windräder viel Strom, im Sommer kommen die Photovoltaikmodule stärker zum Tragen. Und man nutzt die Flächen und die Netze effektiver. Das sollte in die Ausschreibungsregularien aufgenommen werden, aber da pennt die Politik leider in erschreckendem Maße.“
Sechs Prozent Rendite
Natürlich seien die großen Energieversorger nicht an einer Dezentralisierung der Stromproduktion interessiert, „weil das ihre Kraftwerke entwertet“.
Er sei sicher, Photovoltaik werde sich in allen Bereichen durchsetzen – auf Freiflächen ebenso wie als Dachanlagen, für gewerbliche Projekte ebenso wie für kommunale, für Kleinanlagen wie für große Projekte. „Das wird erst schwierig, wenn wir eines Tages ein deutlich höheres Zinsniveau haben. Aber das ist mittelfristig wenig wahrscheinlich, und sechs Prozent Rendite schaffen wir mit Photovoltaik allemal.“
Banken müssen umdenken
Insgesamt blickt Peter Vest optimistisch in die Zukunft. „Das Bewusstsein für Eigenverbrauchslösungen nimmt weltweit zu.“
Leider sei der gesetzliche Rahmen in Deutschland viel zu kompliziert. Und die Banken müssten umdenken und auch nicht-dingliche Sicherheiten und Modelle außerhalb gesetzlich garantierter Sicherheiten akzeptieren.
ABC Druck
Ganz auf Eigenverbrauch
Winfried Rothermel ist der Eigentümer und Geschäftsführer von ABC Druck in Heidelberg. Für seine Traditionsdruckerei setzt er auf Solarstrom. Damit erspart er der Umwelt jährlich bis zu 12,48 Tonnen Kohlendioxid. Entstanden ist das Projekt in Zusammenarbeit mit Wirsol. „Die Photovoltaik wächst in eine neue energiewirtschaftliche Rolle hinein“, erläutert Peter Vest, Geschäftsführer von Wirsol. „Es geht nicht mehr darum, den erzeugten Strom zu EEG-Konditionen einzuspeisen, sondern um eine sinnvolle Nutzung vor Ort.“
Besonders interessant sei die lokale Stromnutzung für Druckereien wie das Unternehmen von Winfried Rothermel. Denn solche Betriebe haben einen hohen Strombedarf für die Druckmaschinen und die Trocknung. Zudem verfügen sie über große Dächer, von denen sich reichlich Sonnenstrom ernten lässt. „Anders als bei Privathaushalten ist der Strombedarf einer Druckerei über den Tag hinweg weitgehend konstant“, erläutert Peter Vest. „Zwar sind die Druckmaschinen über Nacht meistens auch in Betrieb. Doch zumindest tagsüber senkt die Photovoltaikanlage den Strombedarf aus dem Netz.“
ABC Druck in Heidelberg bezieht seit 2012 ausschließlich Ökostrom. „Da wir eine große Fläche auf unserem Dach zur Verfügung haben, war schnell klar, dass wir unsere eigene Solaranlage installieren wollen“, erinnert sich Winfried Rothermel. „Auf unserem Weg zu einer vollständig grünen Druckerei war es nur konsequent, eigenen Solarstrom zu erzeugen.“
Auch privat produziert der Geschäftsmann bereits seinen eigenen Solarstrom mit einer Wirsol-Anlage. „Privat deckt die Photovoltaikanlage meinen kompletten Eigenverbrauch. Auf dem Druckereidach können wir zwar nicht unseren gesamten Bedarf decken und beziehen weiterhin den restlichen Ökostrom aus dem öffentlichen Netz, dennoch ist es ein weiterer Schritt in unserer nachhaltigen Unternehmensführung.“
Die Anlage wurde binnen vier Tagen auf einer Fläche von rund 125 Quadratmetern errichtet. Sie besteht aus 76 Modulen und einem Wechselrichter und soll bis zu 19.200 Kilowattstunden Sonnenstrom im Jahr liefern.