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Lasten oft unterschätzt

Viele Anlagenplaner wähnen sich in einer trügerischen Sicherheit. Photovoltaikanlagen auf Dachflächen unterliegen in den meisten Bundesländern nicht der Genehmigungspflicht oder sind schlicht verfahrensfreie Vorhaben.

Die Bauaufsichtsbehörden erhalten somit nur in seltenen Fällen Kenntnis, wenn eine Anlage auf einem Flachdach errichtet wird. Doch die Landesbauordnungen regeln auch noch einige andere wichtige Aspekte, die für genehmigungsfreie Vorhaben gelten.

Grundsätzlich muss jede bauliche Anlage im Ganzen und in ihren Teilen standsicher sein (Paragraf 12 Musterbauordnung: MBO). Dies bedeutet, dass ein statischer Nachweis geführt werden muss. Konkretisiert werden die Anforderungen an diesen Nachweis zum Beispiel durch die VDI-Richtlinie 6012-1.4 oder das Merkblatt „Solartechnik an Dach und Wand“ des ZVDH. Der Nachweis muss die Kraftweiterleitung durch alle Schichten des Dachaufbaus bis in den Untergrund beinhalten.

Geregelte und ungeregelte Bauarten

Die Paragrafen 17 bis 25 der Musterbauordnung (MBO) enthalten Anforderungen an Bauprodukte und Bauarten. Hier wird zwischen geregelten und ungeregelten Bauprodukten und Bauarten unterschieden.

Als geregelt gilt, wenn es einschlägige Produkt- oder Bemessungsnormen gibt, die in der Bauregelliste veröffentlicht sind. Liegen solche Normen nicht vor oder wird von ihnen abgewichen, gilt das Produkt oder die Bauart als ungeregelt. Dann bedarf es entweder einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ) oder einer Zustimmung im Einzelfall (ZiE).

Doch wer ist nun für die Einhaltung dieser Regelungen verantwortlich? Auch diese Frage wird durch die Landesbauordnungen eindeutig beantwortet. Der Anlagenerrichter ist als Unternehmer nach Paragraf 55 MBO für die mit den öffentlich-rechtlichen Anforderungen übereinstimmende Ausführung verantwortlich. Er hat die erforderlichen Nachweise über die Verwendbarkeit der verwendeten Bauprodukte und Bauarten zu erbringen (1).

Als Anlagenerrichter tut man also gut daran, detailliert zu prüfen, ob ein verwendetes Produkt geregelt oder ungeregelt ist. Orientierung kann hierbei zum Beispiel eine Onlineabfrage beim Deutschen Institut für Bautechnik (www.dibt.de) geben. Hier findet man bisher jedoch nicht mal eine Handvoll Zulassungen, die ein Montagesystem für Flachdachanwendungen als Zulassungsgegenstand haben.

Rechtssicherer Nachweis

Recherchiert man etwas genauer und studiert die Texte dieser Zulassungen, so stolpert man unweigerlich über folgende Formulierungen: „Die Lastweiterleitung in die Tragkonstruktion ... ist nicht Gegenstand dieser allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung.“ Oder: „Der Nachweis der Lagesicherheit und der Lastweiterleitung in die Dachkonstruktion ist gesondert zu erbringen.“

Bislang liegt keine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung vor, in der eine Lastweiterleitung durch den Dachaufbau abgedeckt ist. Wie aber kann ein Nachweis der Lagesicherheit rechtssicher erbracht werden?

Vorgaben aus dem Merkblatt

Das Merkblatt „Solartechnik an Dach und Wand“ definiert folgende Anforderungen: „Der statische Nachweis ist vom Hersteller der Solaranlage zu führen. Dieser muss den Nachweis für die Tragfähigkeit des Kollektors beziehungsweise Moduls, des Montagesystems bis zur Befestigung im beziehungsweise am Gebäude unter Berücksichtigung des vorhandenen Untergrundes (Holz, Holzwerkstoffe, Stahlkonstruktion, Stahltrapezblech, Stahlbeton, Falzdach) nach den gültigen Vorschriften erbringen.“ (2)

Durch die Aufständerung von Photovoltaikanlagen zur Maximierung des Energieertrags entstehen am System Windkräfte, die sowohl in vertikaler als auch horizontaler Richtung wirken.

Standsicherheit durch Reibbeiwert?

In der Praxis ist es üblich, Anlagen lediglich durch Eigengewicht und zusätzliche Ballastierung gegen Kippen, Abheben und Gleiten zu sichern. Beim Nachweis der Gleitsicherheit wird ein Reibbeiwert zwischen der Solaranlage und der Dachabdichtung angesetzt. Hierbei bestehen jedoch mehrere Schwierigkeiten:

Erstens: Die Ermittlung eines zutreffenden Reibbeiwerts unter allen möglichen Umweltbedingungen über die angestrebte Lebensdauer von mehr als 20 Jahren ist kaum möglich. Allgemeingültige Werte oder Normen sind hierfür nicht vorhanden. Ebenso wenig existiert eine verbindliche Vorgabe über anzusetzende Sicherheitsabschläge, wenn der Reibbeiwert vor Ort ermittelt wird. Viele Hersteller von Montagesystemen entziehen sich der Verantwortung, indem sie sich die Einhaltung des Reibbeiwerts vom Installateur bestätigen lassen.

Zweitens: Thermische Längenausdehnungen von metallischen Basisschienen führen zu einer unvermeidlichen Verschiebung ganzer Modulfelder. Hierbei bewegen sich enorme Lasten über die Dachfläche. Es kommt zu einem Abgleiten der Metallprofile von schützenden Trennlagen und in Folge zu Verletzungen der Dachhaut.

Drittens: Die Berechnungen der Montagesystemhersteller enden meist mit dem Nachweis der Lagesicherheit auf der Dachfläche. Wie allerdings die Kräfte in den Untergrund abgeleitet werden, findet keine Beachtung. Aber genau dieser Punkt ist eine der kritischen Schnittstellen.

Rein physikalisch lösen sich die Kräfte, die das Photovoltaiksystem auf dem Dach festhalten, natürlich nicht in Wohlgefallen auf. Sie werden über die angesetzte Reibung in die Dachabdichtungsbahn eingeleitet, die wiederum über die Dachbahnbefestiger in der Dachtragschale verankert ist.

Weiterleitung der Kräfte ins Dach

Jedoch ist weder die Dachbahn dafür ausgelegt, horizontale Kräfte aufzunehmen und zu übertragen, noch ist der Dachbahnbefestiger dafür dimensioniert, diese Kräfte in die Tragkonstruktion abzuleiten. Der Befestiger ist zudem in der Regel in eine Wärmedämmung eingebettet, die ebenfalls einen Teil der Lastweiterleitungskette ausmacht. Dies alles sind Aspekte, die in der Photovoltaikbranche bisher weitestgehend nicht betrachtet werden.

Folglich ist es mit gängigen Normen und Vorschriften nicht möglich, einen vollständigen statischen Nachweis der Lastweiterleitung in die Dachtragschale zu führen.

Entwurf der DIN 18531-1

Offensichtlich wurde diese Problematik auch von den Normungsgremien erkannt. Seit Mitte 2016 kursiert ein Entwurf zur neuen DIN 18531-1, der Anforderungen, Planungs- und Ausführungsgrundsätze für Abdichtungen von nicht genutzten und genutzten Dächern definiert (3).

Hier finden sich gleich an mehreren Stellen Formulierungen mit Bezug auf Photovoltaikanlagen: „Der Abdichtung darf keine Übertragung von planmäßigen Kräften parallel zu ihrer Ebene zugewiesen werden.“ Und: „Die Abdichtung darf nicht zur lastabtragenden Befestigung von Solaranlagen ... genutzt werden.“

In der Konsequenz bedeutet dies, dass jede Aufstellung von Anlagen, bei der Kräfte in die Dachbahn eingeleitet werden, von der Norm abweicht und eine ungeregelte Bauart darstellt. Somit entsprechen mehr oder weniger alle marktgängigen Montagesysteme für Photovoltaik nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Sie müssen sich bei der Lasteintragung durch die Dachabdichtungsbahn um eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung bemühen.

Gewährleistung der Dachabdichtung

Eine weitere Problematik, die durch die oben zitierte Norm verschärft wird, ist die Gewährleistung für die Dachabdichtung. Im Schadensfall kann und wird der Dachbahnhersteller die Gewährleistung ablehnen. Denn zum einen wurde die Nutzung des Daches verändert. Zum anderen erfolgte eine unzulässige Einleitung von Kräften in die Dachbahn. Die Folgen eines Schadens können je nach Nutzung und Größe des Gebäudes sehr hohe Summen ausmachen.

Die meisten Montagesysteme sollen universell auf möglichst allen Dachabdichtungsbahnen einsetzbar sein. Hinzu kommt eine Vielzahl unterschiedlicher Dachbefestiger, Dämmstoffe und Untergründe. Auch ein vollflächig geklebter Dachaufbau ist in der Praxis anzutreffen.

Dies führt zu einer unüberschaubaren Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten, die vermutlich jeden vertretbaren Prüfaufwand bei Weitem übertreffen und somit kaum über eine bauaufsichtliche Zulassung abzudecken sein wird.

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Veröffentlichung des Aachener Instituts für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik vom April 2016. Diese kommt zu dem Schluss, dass „Anlagen ohne direkte Lagesicherung auf der Dachfläche nur auf Dachflächen errichtet werden sollen, die eine massive Attikakonstruktion aufweisen“.

Entsprechende bauaufsichtliche Regelungen seien in Vorbereitung (4). Doch kann es wirklich sein, dass man eine wandernde Anlage auf dem Dach akzeptiert und nur das Abstürzen durch eine massive Konstruktion verhindert? Wie verhält es sich mit der Gebrauchstauglichkeit?

Eine Lösung für diese Problematik

Aus meiner Sicht besteht die Möglichkeit einer Aufteilung der Lasten. Wie oben beschrieben sind die Schwachpunkte vor allem in der Ableitung der horizontalen Lasten zu sehen. Vertikale Lasten können ohne Weiteres alleine durch Ballast aufgenommen werden.

Horizontal wirkende Kräfte können durch eine mechanische Befestigung abgeleitet werden. Dies kann entweder mit Dachdurchdringungen für Verschraubungen mit der Dachkonstruktion oder aber durch eine adhäsive Verbindung mit der Dachbahn geschehen. Letzteres wird bereits bei einigen Montagesystemen angewendet, die von den Dachbahnherstellern selbst entwickelt worden sind.

Diese Produkte sind aus mehreren Gesichtspunkten interessant. Sie wurden speziell für die von den Herstellern vertriebenen Dachbahnen entwickelt und sind folglich optimal aufeinander abgestimmt. Zudem übernimmt der Hersteller bei diesen Systemen eine Garantie sowohl für die Dachabdichtung als auch für das Montagesystem.

Festigkeit der Dachfolie

In der Regel dimensioniert der Dachbahnhersteller auch die notwendige mechanische Befestigung der Dachfolie, die somit auch unter dem Aspekt der Lastableitung bemessen werden kann. Die Schnittstellenproblematik wäre somit gelöst.

Doch wie sieht es mit bauaufsichtlichen Zulassungen aus? Das DIBt hat bereits mit seinen Hinweisen im Jahr 2012 darauf aufmerksam gemacht, dass solche Systeme eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung benötigen.

Mittlerweile befinden sich verschiedene Systeme im Zulassungsverfahren. Es scheint, als würden die ersten Erteilungen nicht mehr lange auf sich warten lassen. Dies würde einen Meilenstein in der eingangs erwähnten Professionalisierung der Photovoltaikbranche darstellen.

Für den Anlagenplaner bedeutet dies, dass er sich zukünftig mehr mit den jeweiligen Dachsystemen und ihren Herstellern auseinandersetzen muss. Die Gewerke Dach und Photovoltaik müssen enger als bisher miteinander kooperieren.

Verwendete Quellen

  1. Musterbauordnung der Bauministerkonferenz (MBO),
  2. Merkblatt Solartechnik an Dach und Wand, ZVDH,
  3. Entwurf DIN 18531-1: Juni 2016,
  4. Solaranlagen auf Flachdächern im Gebäudebestand, Aachener Institut für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik, Aachen, April 2016.

www.pohlen-dach.de

Der Autor

Igor Rauschen

studierte Bauingenieurwesen an der Fachhochschule in Aachen und arbeitete anschließend als Projektleiter bei der Pohlen Bedachungen GmbH in Geilenkirchen. Seit 2005 arbeitet er auch für die Tochterfirma Pohlen Solar. Er ist dort aktuell als technischer Leiter und zudem als Sachverständiger für Photovoltaikanlagen tätig. Pohlen Solar wurde im Jahr 2005 als Tochterunternehmen der Pohlen Bedachungen gegründet und ist spezialisiert auf Photovoltaikanlagen auf Gewerbeimmobilien.

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