Einmal Ingenieur, immer Ingenieur: Über 70 Jahre alt, ist Siegfried Ulrich längst im Ruhestand. Sein Leben lang hat er Maschinen konstruiert, war Werkzeugmacher und Feinmechaniker. Er arbeitete als Erprobungsingenieur im Verpackungsmaschinenbau, ist Fachmann für Messtechnik und Versuchstechnik. Die Technik hat ihn gereizt, knifflige Probleme zu lösen. Nun könnte er sich aufs Altenteil zurückziehen, in sein schickes Häuschen am Südrand von Dresden. Die Kinder sind aus dem Haus, nur Sohn Michael wohnt noch dort.
So könnte Ruhe einkehren. Doch weit gefehlt. Seit Anfang der 1990er-Jahre beobachtet Ulrich die Solartechnik. „Damals kostete eine Anlage für drei Kilowatt trotz der hohen Förderung noch über 20.000 Mark“, erinnert er sich. „Das konnten wir uns nicht leisten. Deshalb kam erst 2003 Photovoltaik auf unser Dach, eine der letzten Anlagen im 100.000-Dächer-Programm. Das waren 2,67 Kilowatt mit Solarmodulen von Solarwatt.“
Probleme durchdenken
Mittlerweile verfügt Ulrich über zwei Anlagen, denn auf einem Carport für seinen Toyota Prius Plug-in installierte er 2011 noch einmal knapp drei Watt. Stolz berichtet er: „In zehn Jahren hat die erste Anlage rund 26.000 Kilowattstunden geliefert. Das sind fast 1.000 Wattstunden je Watt.“ Täglich protokolliert er die Erträge und wertet die Ergebnisse aus – nach alter Ingenieursmanier mit einem Rechenschieber. Zwischenzeitlich benutzt er dafür einen Taschenrechner. „Entscheidend für die hohen Erträge sind eine gute Hinterlüftung und die reichliche Dimensionierung der Zuleitungen, um elektrische Verluste zu vermeiden.“
Um ausreichend Luft unter die Module zu bringen, installierte Ulrich die erste Anlage auf einem Schleppdach über der Gaube. Das Schleppdach ist als Holzständerkonstruktion ausgeführt, die er selbst entworfen hat. Den Wechselrichter von Siemens (Sietrop) ließ er ins kühle Treppenhaus hängen.
Der kritische Blick
Der Solarcarport hat einen Wechselrichter von Sunways. „Der Carport befindet sich in einer Baulücke, die teilweise verschattet ist“, sagt er. „Durch die Verschattung entstehen rund acht Prozent Verluste. Ich hatte mit zehn Prozent gerechnet.“ Auch auf dem Carport liegen Solarmodule von Solarwatt, der Sonnenstrom dient zum Aufladen des Prius Plug-in und versorgt die kleine Pension im Haus mit. Schon 2007 hatte Ulrich die Idee, überschüssigen Sonnenstrom für Warmwasser zu nutzen.
Also baute er eine Elektropatrone mit neun Kilowatt Leistung in den Pufferspeicher, der die Heizwärme vorhält. Die Heizpatrone dient auch als Frostschutz im Winter, falls die Familie aus dem Haus ist. Warmes Trinkwasser wird über eine Frischwasserstation bereitgestellt. „Demnächst werde ich eine weitere Patrone mit neun Kilowatt in den Speicher einbauen.“ Der Puffer fasst 11.500 Liter, auch thermische Solarkollektoren liefern ihre Energie dorthin. Weil sie mit Sonnenenergie und Stückholz auskommt, wohnt Familie Ulrich seit 2006 in einem echten Sonnenhaus, Baujahr 1933.
Zu viele Kleinteile
Siegfried Ulrich rechnet, und die Solartechnik lässt ihn nicht mehr los. „Als wir die erste Anlage 2003 auf dem Dach installierten, haben wir ein übliches Schraubmontagesystem verwendet“, erzählt er. „Meine Söhne und ich haben die Anlage selbst montiert, damals unter Aufsicht eines Monteurs von Sachsen Solar. Allerdings bestand das Montagesystem aus vielen Kleinteilen. Das war sehr umständlich. Also ließ ich mir die Sache durch den Kopf gehen.“
Erneut setzte er den Rechenschieber an. Im Keller steht ein Reißbrett. Eine kleine Werkbank mit Bandsäge erlaubt es, seine Ideen zu testen. Damit stellt er Muster her, um sie auszuprobieren und zu verbessern. Das Ergebnis: 2006 stellte er das Montagesystem Klixx vor, bei dem der Monteur die Module sehr einfach und schnell auf das Schrägdach bringt. „Mein Credo lautet: Die Montage muss in der Badehose und vollständig ohne Werkzeug möglich sein, nachdem die Dachhaken gesetzt sind.“
Steckgerüste als Vorbild
Einer von Ulrichs Söhnen plant Solaranlagen, mit einem eigenen Planungsbüro. Ein anderer betreibt eine Firma für Baugerüste mit eigener Werkstatt. „Ich habe ein System entwickelt, das sich moderne Steckgerüste mit Rohren und Klemmen als Vorbild nahm“, beschreibt der erfahrene Ingenieur das Grundprinzip von Klixx. „Man kommt ohne Schraubenschlüssel aus. Ich habe dann erste Skizzen gemacht und mit meinem Sohn weiterentwickelt.“
Per Spannbügel arretiert
Ein Musterkoffer wurde entworfen, Sachsen Solar griff die Idee auf. Siegfried Ulrich erzählt: „2006 waren wir damit in Bad Staffelstein und wurden für den Innovationspreis nominiert.“ In jenem Jahr wurde es erstmals eingesetzt, beispielsweise auf Scheunendächern aus Eternit, im Dresdener Stadtteil Kauscha.
Ulrichs Klixx-System basiert auf den üblichen Dachhaken, die auf die Dachsparren geschraubt werden. Dort rastet die Modulschiene ein. Die Montage der Module erfolgt mit einem Exzenterteil, das per Spannbügel gespannt wird. Der Bügel ist abnehmbar, so sind die Module vor Diebstahl geschützt. Keine Schrauben, keine Niete. „Mein Ziel: Das starre Verbindungssystem des Generators soll auf dem Dach schwimmend liegen, wie Parkett, damit das Material in jeder Richtung arbeiten kann. Dadurch sinken die Verspannungen durch Erwärmung oder Abkühlung“, erläutert Ulrich. „Aufgrund der Konstruktion können wir die Spannkraft des Exzenters genau dimensionieren, unabhängig vom Drehmomentschlüssel des Monteurs.“
Alle Formteile des Montagesystems bestehen aus Aluminium. „Beim Spannen verwenden wir das gleiche Material im Spannelement und im Modulrahmen, um die gleiche Ausdehnung zu haben.“ Jede Verbesserung muss seinem prüfenden Blick standhalten.
Eine Werkstatt im Keller
Im Keller seines Hauses auf der Südhöhe in Dresden hat Ulrich eine kleine Werkstatt aufgebaut. Dort befindet sich ein Modell des Systems, dessen Verformungen er mit der Messuhr protokolliert. So fand er heraus, dass die Dachhaken nicht auf Druck belastet werden, sondern auf Zug. Das Klixx-System und die damit installierten Module wirken also Schneelasten oder Lasten durch den Wind entgegen, sprich: Sie entlasten die Dachkonstruktion.
Der wesentliche Gewinn steckt jedoch in der Geschwindigkeit, mit der Module aufs Dach gebracht werden können. „Das Spannsystem mit Exzenterklemme bringt einen deutlichen Zeitvorteil bei der Montage“, urteilt der Ingenieur. So etwas spricht sich schnell herum: So war bereits der Mitteldeutsche Rundfunk zu Gast und ließ die Stoppuhr mitlaufen: Innerhalb von sechs Minuten war ein Kilowatt Solarleistung auf dem Testdach installiert. Nachdem der Report in einer Sendung über sächsische Tüftler gelaufen war, häuften sich die Anfragen.
Derzeit entwickelt Siegfried Ulrich die vierte Generation des Montagesystems, an dem er die Patente hält. An der Entwicklung ist die Dresdener Firma Systematixx beteiligt, die das System in Lizenz produziert und vertreibt. „Der Preisdruck ist sehr hoch, die Kosten müssen sinken“, sagt er. „Wichtig ist aber auch die Sicherheit für den Monteur auf dem Dach. Ohne Werkzeug hat er die Hände frei, beispielsweise für die schweren Module.“ Also wird das Gestell abgespeckt, wo es nur geht.
Abspecken, wo es nur geht
Für Systematixx ist der gestandene Ingenieur ein Glücksfall. Denn das Unternehmen vertreibt das Klixx-System bereits europaweit. „Bei unseren Kunden ist das schnelle Montagesystem bereits seit 2007 erfolgreich im Einsatz“, erläutert Jan Löper. Der 35-Jährige ist der Vertriebsleiter von Systematixx. „Die Dachhaken muss der Installateur ohnehin setzen. Darauf basierend sind wir um circa 50 Prozent schneller als andere Systeme.“
Die Modulklemmen und Strangpressprofile stammen aus Deutschland, auch die mechanische Bearbeitung wie Stanzen und Sägen wird in Deutschland erledigt. In Dresden erfolgt die Komplettierung des Systems, das mittlerweile für verschiedene Dächer zur Verfügung steht. Das klassische System war für Pfannendächer gedacht. Nun gibt es bereits ein Klixx für Trapezblechdächer, das mit kurzen Profilen auskommt.
Kosten um 40 Prozent senken
Bis zu 80 Megawatt im Jahr kann die kleine Fabrik in Dresden produzieren. Jakob Neumann ist der Produktmanager für das Klixx-System. Über Jahre hat er die Ideen Ulrichs begleitet und in ökonomische Produkte gebracht. „Frühere Varianten hatten Krallen für die Module, die je nach Höhe der Rahmen gefertigt wurden“, nennt er ein Beispiel. „Um die Kosten zu senken, verfügt das neue Klixx-Pro nur noch über eine Kralle, die alle Rahmenhöhen abdeckt.“
Je nach Rahmenhöhe wird das Hutprofil in der entsprechenden Größe gebogen. „Das sichert eindeutige Spannverhältnisse und hält dank Kaltverformung besser als jedes stranggepresste Hutprofil“, erläutert er. Durch diese Weiterentwicklungen will Systematixx mit der neuen Generation Klixx-Pro die Herstellungskosten um 40 Prozent senken.
Keine Schrauben, keine Nieten
Es bleibt dabei: keine Schrauben, keine Nieten. Denn, wie Jakob Neumann sagt: „Die Klemmen bei Minusgraden oder schlechtem Wetter mit Handschuhen und Akkuschrauber oder Ratsche zu verschrauben, ist viel zu umständlich.“
Video im Internet
In wenigen Minuten aufs Dach
Zeit ist Geld vor allem, wenn die Module schon auf der Baustelle eingetroffen sind. Dann zählt jede Minute, um die Paneele zu installieren und die Verkabelung abzuschließen. Systematixx und der Solarhändler EEG haben für das Klixx-System einen eigenen Videokanal bei Youtube aufgemacht. Dort finden sich Referenzen und Animationen der Montage in verschiedenen Anwendungen. Dazu gehören Schrägdächer und flache Industriedächer mit geringer Traglast. Auch Aufständerungen wurden bereits mit Klixx gebaut.