Die folgende Darlegung von Risiken bezweckt nicht, grundsätzlich gegen eine sinnvolle und ökologische Nutzung von Flachdächern für regenerativen Strom aus Solarenergie zu werben. Sie will jedoch – gerade wegen der oftmals hohen Investitionssummen und langen Nutzungszeit von Solarstromanlagen – auf wichtige Prüfungen und eine umfängliche Planung vor der Realisierung hinweisen. Andernfalls könnte es später zu Aufwendungen kommen, welche die Wirtschaftlichkeit von solchen Investitionsprojekten infrage stellen.
Nachlässigkeiten bei der Planung und Montage von Photovoltaikanlagen führen bereits auf normalen Gebäudedächern zu Schäden. Aufgrund der Eigenheiten eines Flachdaches wurde und wird sicherlich noch sensibleres Terrain betreten. Viele Mängel und Instandsetzungsmaßnahmen schmälern hier das wirtschaftliche Ergebnis.
Was die Dauerhaftigkeit der Investition angeht, laufen bei der Installation einer Photovoltaikanlage auf einem Flachdach zwei wirtschaftliche Risiken zeitlich parallel:
- die Dauerhaftigkeit der Photovoltaikanlage und
- die Dauerhaftigkeit des Daches, auf dem die Anlage installiert wurde.
Wenn die entsprechenden Normen genutzte und ungenutzte Flachdächer unterscheiden, dann heißt dies bei der Photovoltaik, dass ein bisher nicht genutztes Flachdach nunmehr zu einem durch die Photovoltaik genutzten Flachdach umgewidmet wird. Gleichzeitig muss aber beachtet werden, dass das bisher nicht genutzte Flachdach ursprünglich wahrscheinlich nur als solches geplant war – vielleicht auch im baurechtlichen Sinn.
Vorsicht bei geänderter Nutzung
Bei einer Nutzungsänderung können sich somit nicht nur die statischen Anforderungen, sondern auch die Anforderungen an die einzelnen Konstruktionsteile wie Abdichtung und Wärmedämmung ändern. Das ist zugleich mit der Frage verbunden, ob diese Teile die erhöhten Anforderungen auch weiterhin erfüllen.
Vor der solaren Nutzung eines Flachdaches sollten zum Beispiel die Eigenschaften der vorhandenen Dämmschicht hinterfragt werden. Für nicht genutzte Flachdächer sind Dämmstoffe mit einer mittleren Druckbelastbarkeit (dm) üblich. Für genutzte Flachdächer sind jedoch Dämmstoffe mit mindestens hoher Druckbelastbarkeit (dh) nach DIN 4108-10 zwingend gefordert. Problematisch wird es, wenn aufgrund des Gebäudealters keinerlei Informationen mehr über die verwendeten Dämmstoffe existieren. Dann sind örtliche Erhebungen teilweise unumgänglich, soweit überhaupt genauere Feststellungen getroffen werden können.
Darüber hinaus widersprechen einige normative und in Regelwerken erfasste Vorgaben erst einmal grundsätzlich dem Bau eines Solargenerators auf einem Flachdach. Im Abschnitt 4 der Flachdachrichtlinie wird unter Absatz 9 gefordert: „... sind Aggregate und Anlagen ... so anzuordnen, dass ein ausreichender Abstand für Ausführung, Wartung und Pflege zwischen Anlage und Abdichtung vorhanden ist. Dabei sollte der Mindesthöhenabstand über Oberflächenbelag 0,50 Meter betragen.“
Freier Zugang zu Abdichtungen
Eine weitere Forderung ist in Absatz 11 der Flachdachrichtlinie beschrieben. Hier wird in diesem Punkt eine freie Zugänglichkeit von An- und Abschlüssen an Flachdachabdichtungen zu Wartungszwecken gefordert.
Angesichts solcher Forderungen stellt sich die Frage, wie überhaupt Photovoltaikanlagen auf einem Flachdach installiert werden können. Das bloße Aufstellen von Modulreihen, wie bisher üblich, insbesondere von windlastoptimierten geschlossenen Systemen, entspricht zumindest nicht den Richtlinien der Flachdachausführung und somit auch nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik.
Risiken durch die Montage
Eine weitere Problematik ergibt sich aus der Bauausführung. Selbst unabhängig vom gewählten Befestigungssystem können bei einer Baumaßnahme auf dem Dach bereits Schäden entstehen, insbesondere durch Perforation der Dichtungsfolie aufgrund unsachgemäßer Lagerung von Baustoffen oder durch den Montagebetrieb.
Daher ist es Grundvoraussetzung, dass auf einem bestehenden Flachdach mit der entsprechenden Umsicht und mit Schutzmaßnahmen (Laufschutz, Abdeckung) gearbeitet wird, damit keine Schäden entstehen.
Bei der Montage kommt es nicht selten zu unkontrollierten Überbelastungen der Dachbahn, der Dämmung und mitunter auch der Dachkonstruktion. Das heißt:
- Permanent genutzte Laufwege, insbesondere Zugangswege zum Dach, verursachen Eindrückungen in der Dämmung und damit eine Überdehnung der Dichtungsbahnen (Folge: Pfützenbildung, Oberflächenabrieb).
- Scharfe Metallkanten oder Ecken von Unterbaugestängen sowie eingetretene Bohrspäne verletzten leicht die Dachhaut. Undichtigkeiten hierdurch treten aber nicht selten erst nach Wochen zutage.
- Auf dem Dach abgestellte Lasten, beispielsweise Paletten mit Modulen oder gebündeltes Montagematerial, können die Dachhaut und die Dachkonstruktion selbst (etwa die Tragschale) überbelasten.
- Auch auf der Dachhaut ausgetretene Zigaretten können zu Schäden führen.
Ratsam ist es, generell ein Beweissicherungsverfahren zu Beginn der Baumaßnahme durchzuführen, welches den Istzustand des Daches dokumentiert. Damit lässt sich im späteren Streitfall nachweisen, ob es sich um einen bereits vor den Montagearbeiten existierenden oder erst im Zuge der Montagearbeiten entstandenen Schaden handelt.
Bei der Planung insbesondere von Großanlagen sollte der Wartungsintensität eines Flachdaches Rechnung getragen werden. Bei einer auftretenden Leckage wird die Lokalisierung derselben aufgrund der mit Photovoltaikelementen zugestellten Dachoberfläche erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht, soweit sich im Flachdachaufbau keine elektronischen Leckagemelder befinden. Das wird bei den meisten Flachdächern die Ausnahme sein. Bei einem Neubau oder einer Dachsanierung sollte diese technische Option zumindest diskutiert werden.
Bei einem undichten Flachdach stimmt der Feuchtigkeitsaustritt an der Innenseite des Gebäudes in der Regel nicht mit der Lage der vorhandenen Leckage oder Dachhautbeschädigung überein. Sowohl die Dämmschichten als auch die darunter befindlichen Tragkonstruktionen ermöglichen es dem eindringenden Wasser, erst einmal einen gewissen Weg zurückzulegen, bevor es an einer anderen Schwachstelle in das Gebäudeinnere austritt.
Dann bleibt in den meisten Fällen nichts anderes übrig, als die Photovoltaikanlage partiell oder auch komplett zu entfernen, um die Leckage zu orten, zu sanieren und danach die Anlage wieder aufzubauen.
Die entstehenden Kosten für den kompletten Rückbau und Wiederaufbau einer Photovoltaikanlage mit 50 Kilowatt können sich durchaus auf 15.000 bis 20.000 Euro summieren – nicht eingerechnet den entstehenden Ertragsverlust während der Demontage und Neumontage.
Unbeantwortet bleibt die Frage, wer diese Kosten trägt. Im Vorfeld muss oftmals ein Sachverständiger klären, wer ursächlich für die Undichtigkeit des Daches verantwortlich ist. Bei angemieteten Dächern wird die rechtliche Lage noch viel komplizierter.
Lastreserven sind entscheidend
Bei Flach- und insbesondere Industriedächern liegt das Hauptaugenmerk auf den Lastreserven. Insbesondere bei Industrie- und Zweckbauten sind die statischen Reserven meist ausgereizt. Dies nicht einmal so sehr an der eigentlichen Tragkonstruktion des Daches, an seinen Trägern und Stützen, sondern meist an der unteren Tragschale, die zum Beispiel aus Trapezblech besteht.
Auf die Besonderheiten der oberen Dachkonstruktionsschichten, die Dämmung und die Eigenschaften von genutzten und ungenutzten Flachdächern wurde bereits eingegangen. Darüber hinaus müssen neben den dort angeführten Punkten im Hinblick auf Statik, Dachnutzung, Dachkonstruktion und die unterschiedlichsten Möglichkeiten der Montage einer Solaranlage weitere Punkte beachtet werden. Gerade bei großen Industriedächern stecken die Tücken im Detail. Das bietet häufig genug Anlass, unmittelbar nach der Montage der Photovoltaik Rückbauten und Änderungen vorzunehmen, die sehr kostenintensiv sein können.
Zustand genau dokumentieren
Die Installation auf einem Flachdach bedarf einer sehr genauen Planung. Der Aufwand steigt meist mit der Größe des Daches und seinen besonderen Eigenheiten, insbesondere bei Industriedächern. Wichtig in diesem Zusammenhang ist eine umfangreiche und vollständige Bestandserhebung. Neben den statischen Fragen, die im Zuge der Planung zu klären sind und aus deren Ergebnis sich auch die Wahl des zu verwendenden Montagesystems ergibt, muss der Zustand des vorhandenen Daches untersucht und dokumentiert werden.
In Anbetracht der erforderlichen fachlichen Aussagefähigkeit ist dringend anzuraten, einen Dachdecker oder Gutachter einzuschalten. Es wurden in der Vergangenheit bereits Anlagen geplant und zum Montageort ausgeliefert, obwohl sich nach dem Räumen der vorhandenen Kiesschicht auf dem Dach herausstellte, dass dieses sanierungsbedürftig war. Solche Punkte müssen bereits im Zuge der Planung eingehend geprüft werden.
Darüber hinaus sind technische und bauliche Einrichtungen zu beachten: Hier gelten die besonderen Bestimmungen der Blitzschutznormen und der Landesbauordnungen im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Funktionsweise des äußeren sowie inneren Blitzschutzes. Beim Bau einer Photovoltaikanlage ist der Blitzschutz anzupassen oder zu ergänzen. Nicht selten werden Blitzschutzanlagen einfach überbaut, ohne sich intensivere Gedanken darüber zu machen.
Schutz vor Blitzen und Brand
Brandwände dienen dem Schutz benachbarter Gebäudeteile oder Abschnitte. Sie sollen die Brandausbreitung verhindern. Das Überbauen solcher Brandabschnitte ist nicht erlaubt und bedarf insbesondere bei der Kabelführung von Solargeneratoren der genauen Planung.
Fälschlicherweise wird Oberlichtern in Flachdächern meist nur die Funktion einer natürlichen Belichtung der darunterliegenden Räume zugedacht. In vielen Fällen dienen sie aber gleichzeitig der Entrauchung im Brandfall. Dann öffnen sie sich automatisch. Zu diesem Zweck sind um diese Öffnungen ausreichende Abstände vorzusehen. Nicht selten schlagen die Deckel solcher Entrauchungsöffnungen um 180 Grad auf eine bestimmte Seite auf (pneumatische Öffnung). Auch zur Wartung von solchen Entrauchungsanlagen ist ein freier Zugang zu gewährleisten.
Ausreichend Wege zur Wartung
Neben den allseitigen Freiräumen um solche Oberlichtöffnungen sind in ausreichendem Maße Wartungsgänge zu diesen vorzusehen. Spätestens bei der nächsten wiederkehrenden Prüfung der brandsicherheitstechnischen Einrichtungen werden Unzulänglichkeiten beanstandet. Dann ist die Änderung der Photovoltaikanlage wegen der Verschaltung der Module und Strings oft nur sehr schwer möglich.
Große Flachdächer mit verschiedenen Dachaufbauten und installierten Aggregaten benötigen dorthin einen freien Zugang. Weiterhin können bestimmte Flächen und Zuwegungen als Flucht- und Rettungswege fungieren, die nicht verbaut werden dürfen. Hinweise hierzu geben oftmals die zum Gebäude gehörenden Brandschutzkonzepte sowie ein Flucht- und Rettungsplan. Weitere zu berücksichtigende Punkte sind:
- Baulicher Brandschutz: Gerade bei großen Dachflächen besteht für die betreffenden Gebäude ein Brandschutzkonzept. Eine großflächige Solaranlage kann die brandschutzrelevanten Eigenschaften verändern. Deshalb muss eine solche Anlage in das bestehende Brandschutzkonzept eingebunden werden. Darüber hinaus gelten besondere Vorschriften bei Brandabschnitten, Brandschotts und feuergefährdeten Betriebsstätten. Auf das Merkblatt für die brandschutztechnische Planung des BSW-Solar wird hingewiesen.
- Anlegen von Wartungsgängen mittels geeigneter Laufschutzmatten.
- Geeignete, feste Kabelführungssysteme.
- Sicherungseinrichtungen für Wartungsarbeiten.
Dies sind nur einige Beispiele für eine umfangreiche und gewissenhafte Planung. Daneben gelten natürlich auch die allgemein üblichen normativen Anforderungen im Hinblick auf Kabelführung oder Überspannungsschutz.
Dächer mit Bitumenbahnen
Neben den bisher erörterten Aspekten ergibt sich bei Bitumendächern ein besonderer Aspekt aus dem Brandschutz. Bitumen ist ohne weiteren Schutz oder ohne Zusätze als brennbar in der Klassifizierung E gemäß DIN EN 13501-1 einzustufen. Das bedeutet, dass es bei Bitumenbahnen zu einem sogenannten Flashover kommen kann. Hierbei beginnt der Werkstoff nach einem bestimmten Zeitraum schlagartig vollständig zu brennen.
Problematisch ist dies im Zusammenhang mit Photovoltaik dann, wenn Fehler an der Anlage auftreten, die einen Brand begünstigen. Dies kann eine defekte Anschlussdose am Modul sein oder ein Lichtbogen an einer defekten Leitung. Insbesondere Installationsfehler erhöhen die Risiken eines Brandes und der Brandausbreitung in der Dacheindeckung erheblich.
Fraunhofer IRB Verlag
Fachbuch über Inspektion,Prüfung und Instandhaltung
Wolfgang Schröder ist als Autor und Experte für verschiedene Verlage tätig. So ist er Herausgeber und Mitautor des „Ausführungshandbuchs für Photovoltaikanlagen“, das im Forum Verlag erschienen ist. Er publizierte in verschiedenen Fachzeitschriften, beispielsweise in „Der Bausachverständige“ des Fraunhofer IRB Verlags.
Demnächst erscheint sein neues Fachbuch „Inspektion, Prüfung und Instandhaltung von Photovoltaik-Anlagen“ beim Fraunhofer IRB Verlag.
Unsere Serie
Experten geben Tippsfür Flachdächer
Gewerbliche und Industriebauten verfügen oft über leichttragende Flachdächer. Auf den ersten Blick erscheint die Installation von Photovoltaikanlagen auf diesen Gebäuden sehr einfach.
Doch die Praxis beweist: Im Detail werden diese Dächer und ihre Konstruktionen oft unterschätzt. Bauvorschriften und Regelwerke werden in grob fahrlässiger Weise ignoriert. Deshalb bieten wir in den kommenden Ausgaben Fachwissen aus erster Hand:
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Der Autor
Wolfgang Schröder
ist Sachverständiger für Photovoltaikanlagen und Fachkundiger für baulichen Brandschutz. Nach dem Studium zum staatlich geprüften Bautechniker (Hochbau und Tiefbau) war er in einem mittelständischen Ingenieurbüro mit Bauüberwachung und Bauplanung betraut. Später qualifizierte er sich zum Projektmanager. Danach wechselte er als Bausachverständiger zum TÜV Süd sowie zu einem Systemanbieter in der Solarbranche, für den er als Projektmanager tätig war. 2008 absolvierte er die Prüfung als Sachverständiger für Photovoltaikanlagen beim Bundesverband Deutscher Sachverständiger und Fachgutachter. 2011 wurde er beim TÜV Rheinland als Sachverständiger für Photovoltaikanlagen zertifiziert. Seitdem ist er freiberuflich tätig, auch als Sachverständiger für Dachkonstruktionen, Dacheindeckungen, Dachabdichtungen und baulichen Brandschutz.