Von Trier nach Wasserburg hat es Dirk Schirra 2003 verschlagen. Damals war er als Vertriebler bei einem Bedachungsgroßhandel beschäftigt. Er sollte am Bodensee eine Vertriebsniederlassung aufbauen. Auf seinen vielen Fahrten durch die idyllische Gegend fielen ihm immer wieder flache, dunkle Dachaufbauten auf. Er wusste damals nicht, dass es sich um Solaranlagen handelte, wunderte sich aber, dass kein Dachhandwerker bei ihm nach diesen sonderbaren Bauteilen fragte. Das ist lange her.
Inzwischen hat Dirk Schirra seit knapp fünf Jahren ein eigenes Solarunternehmen. Und nicht nur das: Er hat ein eigenes integriertes Dachsystem entwickelt, dass die herkömmliche Dachhaut ersetzt, extrem flexibel und zudem ästhetisch anspruchsvoll ist. Der erste Prototyp wurde im Mai 2013 installiert. Zunächst einmal wollte Dirk Schirra die Technik und ihre Möglichkeiten verstehen. Er gründete einen regionalen Arbeitskreis mit Dachdeckern, in dem man sich zu technischen Fragen austauschte, diskutierte und erste Erfahrungen in der Installation sammelte.
Nachdem er das Thema Solar auch seinem Arbeitgeber erfolgreich verkauft hatte, begann er ganz offiziell, neben Dachziegeln und Dachhaken auch Solaranlagen anzubieten.
2009 folgte dann die Gründung des eigenen Unternehmens. Über sein enges Netzwerk brachte er den Strom vom Dach den Dachhandwerkern nahe, plante Dachanlagen, brachte Dachdecker und Elektrohandwerker zusammen, kaufte Material ein und bot Beratung an. Rund 20 Megawatt Dachanlagen realisierte sein Unternehmen mit diesem Leistungsspektrum zwischen 2009 und 2013.
Die Geburtsstunde von Black Diamond
Bei all diesen Installationen arbeitete Schirra eng mit Partnern aus dem Dachdecker- und Zimmererhandwerk zusammen. Seit 2010 hat Schirra Solar eine eigene Elektroabteilung im Haus, die die Anlagen für die Dachhandwerker in Betrieb nimmt, Service und Wartung anbietet sowie Leistungsdaten überwacht oder Reparaturen ausführt. So wird die elektrische Kompetenz bei Planung und Installation gewährleistet.
„Mich hat immer gestört, dass ein Dach saniert oder neu gebaut und die Solaranlage erst auf die fertige Dachhaut installiert wird. Zudem war für viele Architekten und Bauherren auch die Optik einer Aufdachanlage oft ein Grund, keine Solaranlage zu bauen“, blickt Schirra auf die Anfänge zurück. Er begann, sich am Markt verfügbare Indachlösungen anzusehen. Durch sein Fachwissen bei Dachaufbau und Statik war dann der Schritt naheliegend, eine eigene Lösung zu entwickeln. Schirra wollte neben einer anspruchsvollen Optik vor allem eine Lösung, die sich im Vergleich zu einem herkömmlichen Dach ohne großen Zusatzaufwand realisieren ließ. Mit einem namhaften chinesischen Modulhersteller wurde relativ schnell ein Partner gefunden, der die passenden Module liefern konnte. Inzwischen werden auch andere Module verbaut. Zwei verschiedene Rastermaße sind verfügbar, ebenso für größere Anlagen ab 150 Kilowatt optisch vereinfachte und damit preisgünstigere Ausführungen.
Schwieriger wurde es bei der Suche nach einem Partner für die Aluprofile. Bei einem Schweizer Metallbauunternehmen wurde Schirra schließlich fündig. Dort werden die von ihm benötigten Aluminiumschienen hergestellt. Schirra hat sich bewusst komplett gegen Kunststoff entschieden. Die schwarz lackierten, zwei Millimeter starken Aluprofile sind UV-beständig und bleichen nicht aus. Die Aluprofile sind den seitlichen Falzen von Dachziegeln nachempfunden.
Zulassung als harte Bedachung
Schirra Solar hat für sein System Black Diamond seit Oktober 2013 die Zulassung als harte Bedachung. Dies ist zwingend erforderlich, um ein System überhaupt als Dacheindeckung einsetzen zu dürfen. Die Zulassung, in diesem Fall erteilt von der Materialprüfungsanstalt Stuttgart, haben nicht alle Anbieter vergleichbarer Systeme. Schirra Solar liefert das komplette Dachsystem, von der detaillierten Planung, der passenden Unterdeckung, den Komponenten für die Solaranlage bis hin zu den Anschlussteilen für First, Ortgang, Kamin, Dachfenster. Für spezielle Anforderungen stehen Blindmodule in verschiedenen Formen, Schneefanggitter und Dachtritte zur Verfügung. Neukunden wird auf Wunsch ein Lehrverleger für die Erstmontage zur Verfügung gestellt.
Reihe für Reihe verlegt
Die Black-Diamond-Elemente werden wie Dachziegel Reihe für Reihe verlegt. Die Aluminiumrahmen besitzen ineinandergreifende Falze, die die Dichtigkeit gewährleisten. Sollte bei speziellen Wetterverhältnissen doch einmal Wasser von unten nach oben gedrückt werden, ist durch eine Gummilippe und einen Falz am oberen Rand jedes Moduls gewährleistet, dass das Wasser abgeführt wird.
Black Diamond kann in Verbindung mit einer passenden Unterdeckung bei Dachneigungen von 7 bis 60 Grad eingesetzt werden. Für die Unterdeckung gelten die Regeln des Dachdeckerhandwerkes.
Der Aufbau des Unterdaches entspricht dabei nahezu dem eines herkömmlichen Daches. Lediglich die etwas erhöhte Konterlattung sowie eine 30 mal 100 Millimeter starke Tragbohle statt einer Ziegellattung sind einzubauen. Der Zeitaufwand für die Unterkonstruktion ist somit der gleiche wie für eine traditionelle Dacheindeckung. Das ist ein wichtiger Fakt, wenn es darum geht, die Wirtschaftlichkeit des Systems zu bewerten.
Muss jemand aufs Dach, um ein Modul auszutauschen, kann er sich den Weg freilegen, das heißt einzelne Module herausheben. Die Konstruktion der Schienen sieht einen Abstand zwischen Haken und Modul vor, sodass einzelne Module unabhängig von den anderen Modulen entfernt werden können.
Ein Leichtgewicht auf dem Dach
Auch in puncto Gewicht bietet das System einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Eine Eindeckung mit normalen Dachziegeln wiegt ungefähr 50 Kilogramm pro Quadratmeter. Das System Black Diamond bringt mit zwölf Kilogramm pro Quadratmeter da vergleichsweise wenig Last aufs Dach. Selbstredend müssen Wind- und Schneelasten bei der Befestigung berücksichtigt werden. Schirra Solar arbeitet hier mit einem eigens entwickelten Planungstool, das individuelle Lasten berücksichtigt.
Kann sich das rechnen?
Für jeden Bauherrn ist die Frage nach den Kosten entscheidend. Eine herkömmliche Dacheindeckung mit Tonziegeln ist für rund 25 Euro pro Quadratmeter zu haben. Mit dem System Black Diamond kommt man auf rund 200 Euro pro Quadratmeter. Achtfache Kosten – wie kann das wirtschaftlich sein, fragt man sich unwillkürlich. Doch die Investition kann sich tatsächlich rechnen. Ein Rechenbeispiel: Eine Dachseite eines Einfamilienhauses hat eine Fläche von rund 80 Quadratmetern und wird mit dem System Black Diamond eingedeckt. Auf dieser Fläche werden Module mit einer Leistung von zwölf Kilowatt installiert. Je nach Standort und Ausrichtung kann die Anlage rund 11.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr produzieren. Die Dacheindeckung mit Black Diamond für diese Fläche kostet 21.400 Euro. Zieht man davon die Kosten für die eingesparte herkömmliche Dacheindeckung ab, die in diesem Beispiel 2.000 Euro betragen würden, ergeben sich Mehrkosten für die solare Dacheindeckung in Höhe von 19.400 Euro. Weiter wird ein Eigenverbrauch von 2.000 Kilowattstunden pro Jahr angenommen. Dieser führt zu einer Stromkosteneinsparung von 500 Euro pro Jahr, legt man einen Strompreis von 0,25 Euro pro Kilowattstunde zugrunde. Die restlichen 9.000 Kilowattstunden werden eingespeist. Bei einem angenommenen Vergütungssatz von 13 Cent ergibt sich eine Vergütung von 1.170 Euro pro Jahr. Vergütung und Stromkostenersparnis addieren sich zu 1.670 Euro im Jahr, die Anlage amortisiert sich in knapp zwölf Jahren.
In Kombination noch besser
Kombiniert man das Ganze mit der Produktion von Brauchwasser zum Beispiel über einen PV Heater von Refusol, spart man pro Jahr weitere 300 Euro ein. Das heißt, die Dachhälfte des Hauses amortisiert sich nach zehn Jahren. Es kann aber auch bei flachen Dachneigungen oder Ost-West-Dächern sinnvoll sein, über eine Kompletteindeckung beider Seiten nachzudenken. Denn selbst dann sind die Refinanzierungszeiten für das Dach selten länger als 14 Jahre. Nach der Amortisationszeit hat der Hauseigentümer ein voll funktionsfähiges Dach, das seinen Beitrag zum Gebäudeunterhalt sowie zur günstigen Energieversorgung leistet.
Und auch nach Ablauf der Einspeisevergütung produziert die Anlage Energie für Licht, Warmwasser oder Heizung. Kein Bauteil am Haus kann so effektiv genutzt werden wie das Dach. Die wirtschaftlichen Vorteile können bei steigenden Energiepreisen noch größer sein, doch Dirk Schirra rechnet lieber konservativ. Die Rechnung geht auch für größere Anlagen mit höheren Investitionskosten auf. Je höher der Eigenverbrauch, umso rentabler. Dirk Schirra fasst das so zusammen: „Dächer können sich mit unserem System vollständig selbst refinanzieren. Aus einem passiven Gebäudeteil haben wir einen aktiven gemacht.“ Und es gibt einen weiteren Vorteil: „Bauherren, die ein Dach sanieren müssen, bekommen leichter einen Kredit für diese Art von Sanierung und können das Ganze steuerlich besser geltend machen.“
System für vertikale Montage geplant
Inzwischen hat Schirra Solar 14 Mitarbeiter. Demnächst soll die Montage von Modulen und Profilen, die derzeit noch manuell erfolgt, automatisiert werden. Dann sind größere Stückzahlen möglich. Module und Rahmen werden vollständig mit einem speziell entwickelten Silikon verklebt. Eine Silikoniermaschine und eine zweite Rahmenpresse sind als Investition geplant.
„Wir verkaufen unser System als Dacheindeckung. Das bedeutet auch, dass es dafür in der Planung eine längere Vorlaufzeit gibt. Wenn Neubauten geplant werden, dauert es in der Regel einige Zeit, bis die Bautätigkeit beginnt“, erläutert Schirra die Besonderheiten seines Geschäftsfeldes. Im letzten Jahr wurden rund 250 Kilowatt Leistung mit Black Diamond realisiert. Anfang des Jahres wurden auf sieben Dächern gleichzeitig Black-Diamond-Systeme installiert mit jeweils rund 40 Kilowatt Leistung.
Doch Dirk Schirra hat schon die nächsten Ideen im Kopf. Er will sein System auch für Glasfassaden zur vertikalen Montage fit machen. Eine Glasfassade an einem schicken Bürohochhaus kostet im Schnitt 200 Euro pro Quadratmeter. Verwandelt er diese mit seinem System in Aktivfassaden, wird er sie für 280 bis 300 Euro pro Quadratmeter anbieten können. In puncto Wirtschaftlichkeit kaum zu schlagen, denn die Mehrkosten von 80 bis 100 Euro sind schnell durch die Erträge kompensiert.
Black Diamond
Nach zwölf Jahren amortisiert
Dachseite mit 80 Quadratmeter Fläche, Leistung 12 kWp
Kosten der Eindeckung mit Black Diamond 21.400 Euro
abzüglich Kosten für eingesparte herkömmliche Dacheindeckung - 2.000 Euro
Investitionssumme für Solaranlage 19.400 Euro
Stromkosteneinsparung durch Eigenverbrauch
(2.000 kWh/Jahr à 0,25 Euro/kWh) für 12 Jahre 6.000 Euro
Einspeisevergütung für 9.000 kWh/Jahr,
beispielhaft 13 Cent/kWh für 12 Jahre 14.040 Euro
Überschuss nach 12 Jahren 640 Euro
Ab dem 13. Jahr erwirtschaftet die Anlage respektive das Dach jährlich einen Überschuss von 1.670 Euro.
Kurz nachgefragt
„Das Dach soll gut aussehen unddas System effizient arbeiten“
Welche allgemeinen Anforderungen müssen dachintegrierte Lösungen aus Sicht eines Architekten erfüllen?
Astrid Schneider: Zunächst muss das System die üblichen Qualitäten und Funktionen eines Daches übernehmen, also eine wasserführende äußere Hülle bilden. Die Regendichtigkeit sollte nachgewiesen sein.
Gibt es Unterschiede für Dächer in Wohngebieten und völlig frei stehende Gebäude?
Ja. Bei Gebäudedächern in eng bebauten Gebieten muss das System als harte Bedachung gelten, das heißt dazu geeignet sein, den Brandüberschlag zwischen zwei Häusern zu verhindern. Abstriche davon kann man nur bei Dächern von Gebäuden machen, die sich in großem Abstand zu anderen Gebäuden befinden, zum Beispiel in Industriegebieten oder auf dem Land.
Was gibt es bei der Statik zu beachten?
Eine integrierte Dachlösung muss alle üblichen Belastungen wie Sturm und Wind aushalten und nach Möglichkeit begehbar sein. Bei der konkreten Planung gilt es, die regionale Schneelast zu berücksichtigen. Wegen der in Zukunft wahrscheinlich häufigen Extremwetterlagen sollte das System etwas großzügiger beziehungsweise belastbarer ausgelegt werden als heute die entsprechenden Normen vorschreiben.
Und die Bauphysik?
Nicht nur für die optimale Stromerzeugung, auch für die Behaglichkeit im Gebäude ist es wichtig, dass das ja meist dunkelblaue oder schwarze Solardach nicht überhitzt. Eine gut geplante Hinterlüftung ist daher das A und O. Die sogenannte Konterlattung, welche die vertikale Luftzirkulation hinter den Solarmodulen ermöglicht, sollte daher auch gerne etwas großzügiger als sonst ausgelegt werden. Wichtig ist es, sowohl im Firstbereich als auch in der Traufe entsprechende Details mit Lüftungsquerschnitten zu realisieren. Wichtig ist auch eine atmungsaktive Dachfolie, die ermöglicht, dass die Feuchtigkeit von innen nach außen entweichen kann, während gleichzeitig der Regen durch die wasserführende, photovoltaische Dacheindeckung abgehalten wird.
Worauf achten Sie noch neben diesen harten Kriterien?
Natürlich auf die Ästhetik. Das Dach soll gut aussehen. Und natürlich soll das System effizient arbeiten. Darüber hinaus soll es gestalterisch flexibel sein, also Dachfenster, Gauben und Ähnliches integrieren können. Für mich ist außerdem von Bedeutung, ob die Randabschlüsse des Daches gestalterisch und bautechnisch gut realisiert werden.
Das Gespräch führte Petra Franke.