Klar und beißend ist die Luft, sonnig glänzen die Gletscher im Berner Oberland. Ihre zerklüfteten Gipfel sind gut zu erkennen, heben sich scharf und deutlich gegen den leuchtenden Himmel ab. „Heute haben wir eine ausgezeichnete Fernsicht“, bestätigt Helge Hartwig. „Schauen Sie, dort sind Eiger, Mönch und Jungfrau.“
Wo andere Urlaub machen, hat die Firma Ernst Schweizer AG ihren Sitz. Hedingen liegt im südöstlichen Zipfel des Kantons Zürich, von hier steigt das Land wellenartig bis zu den Alpen an. Hartwig verantwortet die Montagesysteme für die Photovoltaik, ein wichtiges Standbein im Solargeschäft des Schweizer Unternehmens. „Seit 2015 gewinnen diese Produkte für uns an Bedeutung“, sagt er. „Im vergangenen Jahr konnten wir deutliches Wachstum verzeichnen.“
In Deutschland weitgehend unbekannt
Vielen Installateuren ist das Unternehmen weitgehend unbekannt. Denn bislang hat sich der Hersteller von Montagesystemen und Solarkollektoren vorwiegend im Heimatmarkt etabliert. Mit dem Indachsystem Solrif ist Ernst Schweizer AG jedoch bekannt, damit wurden schon vor bald 20 Jahren Solon-Module montiert.
In der Schweiz wiederum ist die Firma ein Begriff wie bei uns in Deutschland Schüco oder Velux. 1920 als Bauschlosserei gegründet, wird sie mittlerweile in der dritten Generation als Familienbetrieb geführt. Derzeit findet wieder ein Generationswechsel statt. Das Unternehmen hat 539 Mitarbeiter. Der Schwerpunkt liegt auf den Kunden in der Schweiz, und fünf Geschäftsbereiche tragen die Umsätze:
- Fassaden (projektgetrieben)
- Holz/Metall (Profile, Konstruktionen)
- Fenster
- Briefkästen und Paketboxen
- Solarsysteme
Die ersten Produkte im Jahr 1920 waren die Briefkästen, danach folgten sehr schnell zahlreiche Produkte für den Bau. Der Marktanteil bei Briefkästen in der Schweiz beträgt 30 Prozent. Seit Kurzem werden Paketboxen für Häuserkomplexe angeboten und installiert, in denen der Logistiker Pakete hinterlegen kann und die sich vom Empfänger per Code öffnen lassen. „Das ist ein besonderes High-End-Produkt für die Schweiz“, erläutert Helge Hartwig.
Drei Werke in Hedingen
Drei Werke hat Ernst Schweizer AG in Hedingen, für die Briefkästen, für Fassadensysteme, für die Blechbearbeitung und die Solarprodukte. Obwohl das Unternehmen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stark gewachsen ist, wurde der Energieverbrauch konstant gehalten. „Für uns ist Nachhaltigkeit sehr wichtig“, meint Hartwig. „Das gilt nicht nur für unsere Produkte, sondern auch für unsere Fertigung.“
Derzeit verbraucht das Unternehmen knapp sieben Gigawattstunden Strom und Wärme, genauso viel wie 1978 – obwohl sich die Zahl der Mitarbeiter und der Umsatz nahezu verdoppelt haben.
Ursprünglich sind die Schweizer mit solarthermischen Kollektoren ins Geschäft mit der Sonnenenergie gestartet. Schon 1978 brachten sie den ersten Flachkollektor auf den Markt. Früher wurden im Jahr etwa 100.000 Quadratmeter Kollektorfläche gefertigt, heute sind es noch etwa 60.000. „In der Schweiz liefern wir komplette Pakete mit Kollektoren, Pufferspeichern und Solarstationen aus“, berichtet der Experte. „Außerhalb der Schweiz liefern wir unsere Kollektoren an die Firma Max Weishaupt, die wiederum die Bestellungen ihrer Kunden europaweit konfektioniert.“
In Österreich werden großflächige Kollektoren bei Doma Solartechnik in Satteins, Vorarlberg, gefertigt, einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft. Insgesamt hat die Solarsparte der Ernst Schweizer AG rund 75 Mitarbeiter.
Bekannt durch Solrif
Das Photovoltaikgeschäft begann Ende der 90er-Jahre, als das Indachsystem Solrif in den Vertrieb kam. Es wurde – und wird bis heute – vornehmlich über die Modulhersteller vertrieben.
Solon hat damit gebaut, Aleo und Centrosolar. Dann kam die Krise, diese Anbieter verschwanden oder durchliefen eine bittere Insolvenz. „Da haben wir einige unangenehme Erfahrungen gemacht“, bestätigt Hartwig. „Nun wollen wir mit unseren Partnern langfristig wachsen.“
Elf Arbeitstage dauert es ungefähr, bis ein Rahmensatz für das Solrif-System aus dem Werk kommt. Von der Bestellung bis zur Auslieferung an den Modulhersteller können etwa drei Wochen vergehen.
Solrif gibt es lackiert und unlackiert, in verschiedenen Farben. Die Module bekommen dafür spezielle Rahmen, damit die Montage ins Dach reibungslos und flott von der Hand geht.
2017 hat die Ernst Schweizer AG rund 100.000 solcher Rahmenbausätze ausgeliefert. „In Hochzeiten waren es schon 800.000“, erinnert sich Helge Hartwig. „Aber langsam erholen sich die Märkte, und wir können neue Kunden gewinnen.“
So ist Aleo wieder im Geschäft. Auch das frühere Modulwerk von Centrosolar in Wismar kommt wieder auf die Beine, firmiert als Sonnenstromfabrik. Helge Hartwig hat fünf Leute in seinem Vertriebsteam, ist im Jahr einige Hunderttausend Kilometer unterwegs. Sein Ziel ist es, die Montagesysteme zunehmend im Ausland bekannt zu machen.
Übernahme von Hilti
2015 übernahm Ernst Schweizer die Montagesysteme der Hilti AG, Aufdach- und Flachdachsysteme. Hilti hatte sich davon getrennt, um sich auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren. Heute werden diese Systeme angeboten:
- MSP-FR-EW: Flachdachsystem für Ost-West-Ausrichtung,
- MSP-FR-S: Flachdachmontage für Südausrichtung,
- MSP-PR: Montagesystem für Schrägdächer,
- MSP-TT: Montagesystem für das Trapezblechdach.
Diese Systeme werden von der Tochtergesellschaft Doma im österreichischen Satteins in erster Linie direkt an die Installateure vertrieben und von ihnen installiert.
Auch verschiedene Großhändler führen sie in ihrem Sortiment. Die Teile für die Produkte werden von europäischen Zulieferern nach Hedingen gebracht und dort im Hochregallager vorgehalten.
Eine eigene Pressung von Profilen hat das Unternehmen nicht, auch das erledigen qualifizierte Zulieferer. Zwischen 800 und 900 verschiedene Profile werden in Fassaden, für Fenster und die Solarsysteme benötigt. Im Werk in Hedingen werden sie gebohrt, gefräst und abgelängt.
Stetiges Wachstum braucht Platz. Deshalb wird die Fertigung in den kommenden Jahren erweitert. Der Firmensitz wird moderne Gebäude erhalten – ein neues Gesicht.
Kurz nachgefragt
„Wir müssen sehr effizient sein“
Ernst Schweizer ist vor allem wegen seines Indachsystems Solrif bekannt. Wie hat sich dieses Produkt entwickelt?
Sjef de Bruijn: Mittlerweile ist es ein bewährtes und über die Schweiz hinaus führendes System. Seit der Markteinführung 1999 haben wir europaweit damit rund 750 Megawatt gebaut. Aber im Vergleich mit Aufdachsystemen tun sich viele Solarteure noch sehr schwer mit der Indachmontage.
Helge Hartwig: Vor allem in Deutschland sind Indachsysteme noch sehr mit Vorurteilen behaftet. Da spielen vor allem Schnittstellen zwischen Dachdecker und Solarteur eine Rolle, Fragen zur Gewährleistung. In Ländern wie der Schweiz, Österreich oder Großbritannien klappt das besser. Jetzt steigt auch die Nachfrage aus den baltischen Ländern, ebenso aus Benelux. In Frankreich und Italien hingegen wurde die Förderung plötzlich gekappt. Aber uns hilft der hohe Bekanntheitsgrad von Solrif, diesen Markt sukzessive auszubauen.
Sjef de Bruijn: In der Schweiz funktioniert die gewerkeübergreifende Zusammenarbeit recht gut. In Deutschland sind die Dachdecker noch stark auf die herkömmlichen Ziegel fixiert. Es gibt viele Berührungsängste zwischen den Solarteuren und den Dachdeckern. Solrif funktioniert wie ein Ziegeldach, man kann damit beliebig große Dächer bauen. Es ist einfacher zu installieren als ein klassisches Schrägdachsystem. Zwei Leute können am Tag rund 30 Kilowatt ins Dach bringen. Allerdings muss man vorher das Dach genauer ausmessen, um zu wissen, wo man mit den Modulen rauskommt.
In der Schweiz haben Sie mit dem Indachsystem schon einen starken Stand. Wie werden sich die Märkte in Zukunft entwickeln?
Helge Hartwig: Wir gehen davon aus, dass in die Fassade oder ins Dach integrierte Photovoltaiksysteme stärker wachsen werden als der Photovoltaikmarkt insgesamt. Diese Nische wird sich öffnen, verbreitern. Hohe Qualität und Präzision in der Fertigung und bei der Installation sind dafür unabdingbare Voraussetzung. Dennoch ist die Montage mit Solrif sehr einfach.
Sjef de Bruijn: Die Schweiz ist ein Hochlohnland, aber unsere Produkte und unsere Werke sind sehr effizient. Nur so können wir konkurrenzfähig sein. Wir sind nicht daran interessiert, unsere Produkte über den Preis zu verkaufen. Hier geht es um qualitativ hochwertige Bauprodukte. Der Schweizer Markt belohnt diese Strategie, hier sind wir 2017 um 43 Prozent gewachsen. 2018 erwarten wir über alles ein Wachstum von rund 20 Prozent. Das wird vor allem aus dem Ausland kommen. In der Schweiz dürften wir um zehn Prozent zulegen.
Sjef de Bruijn: Die Schweiz ist ein Hochlohnland, aber unsere Produkte und unsere Werke sind sehr effizient. Nur so können wir konkurrenzfähig sein. Wir sind nicht daran interessiert, unsere Produkte über den Preis zu verkaufen. Hier geht es um qualitativ hochwertige Bauprodukte. Der Schweizer Markt belohnt diese Strategie, hier sind wir 2017 um 43 Prozent gewachsen. 2018 erwarten wir über alles ein Wachstum von rund 20 Prozent. Das wird vor allem aus dem Ausland kommen. In der Schweiz dürften wir um zehn Prozent zulegen.
Wie hoch ist der Anteil des Solargeschäfts am Gesamtumsatz der Ernst Schweizer AG?
Sjef de Bruijn: Etwa ein Fünftel. Wir haben fünf Geschäftsbereiche, Solar ist einer davon. Die Bedeutung von solarthermischen Komponenten sinkt im Vergleich zu früher ab, dafür wachsen die Montagesysteme für die Photovoltaik. Durch die Übernahme der Montagesysteme von Hilti (Aufdach, Flachdach) vor zwei Jahren sind wir nun breiter aufgestellt. Früher war es bei uns in der Schweiz so, dass die westlichen Kantone, also die französische Schweiz, sehr aufgeschlossen waren für die Photovoltaik. In den deutschsprachigen Kantonen wurden dagegen mehr solarthermische Kollektoren nachgefragt. Das ändert sich derzeit, ist aber noch immer spürbar.
Sjef de Bruijn: Etwa ein Fünftel. Wir haben fünf Geschäftsbereiche, Solar ist einer davon. Die Bedeutung von solarthermischen Komponenten sinkt im Vergleich zu früher ab, dafür wachsen die Montagesysteme für die Photovoltaik. Durch die Übernahme der Montagesysteme von Hilti (Aufdach, Flachdach) vor zwei Jahren sind wir nun breiter aufgestellt. Früher war es bei uns in der Schweiz so, dass die westlichen Kantone, also die französische Schweiz, sehr aufgeschlossen waren für die Photovoltaik. In den deutschsprachigen Kantonen wurden dagegen mehr solarthermische Kollektoren nachgefragt. Das ändert sich derzeit, ist aber noch immer spürbar.
Wie organisieren Sie den Vertrieb und das Wachstum im Ausland?
Sjef de Bruijn: Neben Effizienzsteigerungen wollen wir das über Vertreter machen, die über Europa verteilt agieren. Solrif ist ein Alleinstellungsmerkmal für uns, auch mit den MSP-Systemen von Hilti sind wir gut aufgestellt. Unsere Kernmärkte sind Deutschland, Österreich und die Schweiz, gemeinhin als DACH-Region bezeichnet. Wir sehen aber auch in anderen europäischen Märkten gute Chancen. Nach Übersee gehen wir vorerst nicht.
Helge Hartwig: Uns geht es nicht um möglichst viel Volumen. Diesen Fehler machen einige Wettbewerber, die Volumen statt Deckung machen. Zu niedrige Preise – das geht auf Dauer nicht gut. Wir wollen Segmente besetzen, in denen der Wert der Photovoltaik über die reinen Kosten pro Kilowatt hinausgeht.
Sjef de Bruijn: Im Moment hilft uns auch der Wechselkurs, denn der Euro geht rauf. Das hilft uns bei der Wettbewerbsfähigkeit. Doch nachhaltig wachsen können wir nur mit hoher Qualität und effizienter Fertigung. Das wird nicht schnell gehen, kein explosionsartiges Wachstum sein. Aber es wird sich verstetigen, da bin ich mir sicher.
Das Interview führte Heiko Schwarzburger.