Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Stabilität in den Reihen

Zur Ertragsoptimierung von größeren gewerblichen Freiflächenanlagen haben sich in den letzten Jahren Trackersysteme fest etabliert. Mit gutem Grund: Denn die Nachführsysteme erzeugen durch ihren dem Sonnenstand angepassten Anstellwinkel einen höheren Ertrag als fest installierte Anlagen. Der wirtschaftliche Vorteil durch den Mehrertrag überwiegt in der Regel deutlich die höheren Gestellkosten. In der Praxis haben sich einachsige Trackersysteme durchgesetzt. Gegenüber zweiachsigen Systemen punkten sie durch robustere Technik, geringeren Flächenbedarf und dadurch wesentlich höhere Kosteneffizienz.

Hohe Torsionskräfte wirken

Die vorherrschenden einachsigen Trackersysteme am Markt sind vom Prinzip her alle ähnlich oder sogar gleich konstruiert. Der Antrieb der einzelnen Reihen erfolgt über eine durchgehende Zentralwelle, die die Drehbewegung der Modulflächen ausführt. Diese Konstruktion ist zwar einfach, sie bringt aber eine entscheidende technische Herausforderung mit sich: Über die Länge der Zentralwelle treten durch Wind und Eigengewicht erhebliche Torsionskräfte auf, die technisch beherrscht werden müssen.

Bei immer größeren Reihenlängen von bis zu 120 Metern ist das kein einfaches Unterfangen. Zumal diese Torsionskräfte bei praktisch allen gängigen Systemen pro Reihe nur einmal zentral in der Antriebseinheit aufgenommen werden.

Aufgrund der Restelastizität der Zentralwelle kann es über die gesamte Reihenlänge zu einer starken Verdrehung kommen. Das macht solche Konstruktionen anfällig für windinduzierte Schwingungen um ihre Drehachse.

Aufschaukeln durch Gallopingeffekt

Diese Schwingungen können bereits bei geringen Windgeschwindigkeiten zum gefährlichen sogenannten Gallopingeffekt führen, einem selbstverstärkenden Aufschaukeln des gesamten Systems (Resonanz). Sobald ein torsionsweiches System – in diesem Fall die Zentralwelle – durch eine äußere Kraft verdreht wird, wird das Gesamtsystem wie eine Feder vorgespannt. Das bedeutet: Im mechanischen System wird nach und nach eine Gegenkraft zu der äußeren Belastung aufgebaut. Das Wechselspiel von Kraft und Gegenkraft bringt das System zum Schwingen.

In Verbindung mit der Masseträgheit im System kann bei bestimmten Frequenzen ein Überschwingen auftreten. Das bedeutet: Die Gleichgewichtslage wird überschritten und das System schwingt über die spannungsfreie Mittellage hinaus zurück. Das System schaukelt sich auf, die Schwingung wird unkontrollierbar.

Im Falle von großen Photovoltaikprojekten muss nicht nur der einzelne Tracker aus aeroelastischer Sicht betrachtet werden. Auch die aerodynamische Beeinflussung zwischen den Trackerreihen spielt eine wichtige Rolle. Sich von einer Trackerreihe ablösende Wirbel üben zusätzliche Belastungen auf benachbarte Trackerreihen aus.

Schadensfälle in der Praxis

Die Kräfte, die bei windinduzierten Schwingungen auftreten, können so dominant sein, dass selbst massivste Konstruktionen versagen. Bekanntestes Beispiel für solche sich selbst verstärkenden Torsionsschwingungen ist vermutlich der Einsturz der Tacoma Bridge. Die 850 Meter lange Hängebrücke im US-Bundesstaat Washington stürzte im November 1940 infolge selbstverstärkender windinduzierter Schwingungen spektakulär ein.

Forschungsergebnisse zeigen, dass gerade bei torsionsweichen Strukturen wie Photovoltaiktrackern das Risiko für aeroelastische Phänomene wie den Gallopingeffekt hoch ist. Eine Reihe von teilweise spektakulären Schadensfällen an einachsigen Trackersystemen in jüngster Vergangenheit hat dies eindrucksvoll bestätigt und das Problem bei der Planung von Projekten in das Bewusstsein gerückt. Diese resonanzbedingten Schadensfälle traten im Übrigen deutlich unter den maximalen Windgeschwindigkeiten auf, für die diese Anlagen ausgelegt waren.

Gängige Lösung: hydraulische Dämpfer

Das gängige Mittel, um solche Schwingungen zu vermeiden, ist derzeit der Einsatz hydraulischer Dämpfer. Dazu müssen pro Reihe mehrere auf den spezifischen Resonanzfall ausgelegte Dämpfer verbaut werden. Hydraulische Dämpfer sind grundsätzlich geeignet, um das Risiko von Galloping zu reduzieren. Allerdings sind Einsatz und Dimensionierung der Dämpfer alles andere als trivial.

Hinzu kommt eine Reihe von in der Praxis gravierenden Nachteilen. Denn hydraulische Dämpfer sind Verschleißteile mit einer begrenzten Lebensdauer. Fallen sie aus oder lässt ihre Leistung nach, etwa weil sie nicht rechtzeitig ersetzt werden, kann dies schwerwiegende Folgen haben. Die Häufigkeit der Schadensfälle in der Praxis zeigt, dass falsche Dimensionierung, fehlerhafte Montage, mangelnde Wartung oder technisches Versagen der Dämpfer zur Zerstörung kompletter Anlagen führt – und das bei nur mäßigen Windgeschwindigkeiten.

Mit anderen Worten: Die physikalischen Phänomene sind zwar hinreichend erforscht und bekannt. Sie sind im Prinzip auch technisch durch den Einsatz von hydraulischen Dämpfern beherrschbar. In der Praxis bleiben aber bei diesem Ansatz viele Risiken mit hohem Schadenspotenzial. Hinzu kommt, dass der Einsatz von Dämpfern im Grunde nur eine Hilfskonstruktion ist. Sie setzt nicht dort an, wo das Problem entsteht. Um das zu tun, muss das System konstruktiv grundlegend geändert werden.

Lasten gleichmäßig verteilen

Dazu muss man sich den Ursprung genau vergegenwärtigen. Kern des Problems ist, dass die Lastableitung bei herkömmlichen einachsigen Trackern nur ein Mal pro Reihe erfolgt. Bei fest aufgeständerten Systemen ist das hingegen nicht der Fall. Hier wird die Modulfläche an jedem Pfosten abgestützt, der die Lasten direkt in den Boden ableitet. Dieses verteilte Einleiten von Kräften in die einzelnen Pfosten und damit in das Fundament reduziert die Restelastizität im Gesamtsystem erheblich und verhindert die wellenförmige Ausbreitung der Schwingungen über die gesamte Tischlänge.

Die entscheidende Frage ist also: Wie kann das Prinzip der gleichmäßigen Lastenverteilung in die einzelnen Pfosten auf ein Trackersystem übertragen werden? Dabei muss die ungewollte Drehung der Modulfläche an jedem Pfosten verhindert werden, ohne die gewollte Nachführung des Systems infrage zu stellen. Erschwerend kommt hinzu, dass die direkte Ableitung der Torsionskräfte dem jeweiligen Verstellwinkel des Tisches variabel angepasst sein muss.

Zahnradbogen mit Selbsthemmung

Hierzu bietet sich der Einsatz eines Zahnradbogens in Verbindung mit einer Selbsthaltefunktion an jedem Pfosten an. Der Zahnradbogen vereint die Stütz- und Verstellfunktion in einem Bauteil. Er hält – wie die Stützen einer Festaufständerung – den Modultisch und sorgt zugleich für deren Nachführung. Hinzu kommt noch ein weiterer Vorteil. Der Zahnradbogen gibt die Lasten aus dem Modultisch untersetzt an die weiter unten am Pfosten liegende Antriebswelle weiter. Das bedeutet, die Torsions- und Antriebskräfte am Schnittpunkt mit dem Pfosten sind dadurch bereits deutlich geringer.

Zwar bedarf es auch bei einer solchen Konstruktion einer durchgehenden Antriebswelle über die gesamte Reihenlänge. Sie unterscheidet sich aber in zwei Punkten entscheidend von den üblichen zentralen Antriebswellen. Erstens wirken auf diese – aufgrund der Untersetzung – geringere Kräfte. Und zweitens muss die Antriebswelle – wegen der Selbsthemmung – nur die Antriebskräfte über die gesamte Länge transportieren. Die Haltekräfte dagegen werden jeweils lokal auf den jeweiligen Pfosten abgeleitet. Möglich wird das durch den Einsatz eines Malteserkreuzgetriebes. Ein solches Getriebe ist das Herzstück des neu entwickelten Trackers von Schletter. Bei einem solchen sogenannten Schritt- oder Rastgetriebe wird in der Ruhephase der Zahnradbogen durch eine zentral positionierte Nocke formschlüssig in seiner Lage gesichert.

Dadurch erreicht man im Ruhezustand des Trackers eine mechanische Selbsthemmung. Alle auftretenden Lasten werden direkt in die Pfosten und somit in das Fundament abgeleitet. Es wirken keinerlei Lasten auf den durchgehenden Antriebsstrang beziehungsweise den Motor oder das Getriebe. Soll der Tracker bewegt werden, versetzt ein mittig in der Reihe positionierter Motor die Antriebswelle in Drehung.

Dadurch entriegelt die Haltenocke, während eine außen liegende weitere Nocke in eine Aussparung des Zahnbogens greift und diesen in die gewünschte Richtung weiterschiebt. Sobald der Tracker die gewünschte Position erreicht, greift wieder die Selbsthemmung. Das Malteserkreuzgetriebe verriegelt in seiner Ruheposition und die Haltekräfte werden lokal in die Pfosten des Montagegestells abgeleitet.

Der Vorteil dieser Konstruktion ist enorm. Durch die mechanische Selbsthemmung hat das System die Stabilität einer echten Festaufständerung. Es bedarf keiner zusätzlichen Komponenten wie Dämpfer oder sonstiger Hilfskonstruktionen zur Reduzierung von Schwingungen. Der nach diesem Prinzip konstruierte Tracker von Schletter ist damit unempfindlich gegenüber aeroelastischen Phänomenen, insbesondere dem gefährlichen Gallopingeffekt. Ein Aufschaukeln, wie dies bei Systemen mit Zentralwelle möglich ist, wird dadurch vollständig ausgeschlossen.

Den neu entwickelten Tracker hat Schletter in diesem Jahr auf der Intersolar Europe präsentiert. Derzeit wird im bayerischen Freihung ein erstes Projekt der Solarpower Project Invest aus Nürnberg realisiert. Die Fertigstellung ist noch für Dezember 2018 geplant.

www.schletter.eu

Schletter

Solarparks individuell geplant

Schletter hat zusammen mit dem Projektentwickler Envalue zwei neue Freiflächenanlagen in Oberviecht und Gammelsdorf in Bayern realisiert. Zusammen haben sie eine Leistung von 17 Megawatt. Bei den Projekten stand vor allem die Ertragsoptimierung im Vordergrund. Diese wurde vor allem durch eine individuelle, an das Gelände angepasste Planung erreicht.

Das Projektteam von Schletter hat für die beiden Anlagen verschiedene Tischkonfigurationen geplant. So wurden die Module in Oberviecht auf den Tischen in sechs Reihen horizontal übereinander installiert. In Gammelsdorf hingegen haben die Planer von Schletter zwei verschiedene Systeme verwendet. So haben sie einen Teil der Module ebenfalls sechsreihig horizontal übereinander montiert. In einem anderen Teil des Parks wurde die Paneele allerdings vierreihig vertikal auf den Tischen installiert. Der Grund für die verschiedenartige Auslegung der Tische war die unterschiedliche Geländeneigung. „Bei Freiflächenanlagen wird häufig durch Pauschallösungen wertvoller Ertrag verschenkt“, sagt Sven Höpfner vom Projektvertrieb der Schletter Group. „Genau das wollte der Auftraggeber hier vermeiden.“

Die Systeme sind mit Rammfundamenten aus verzinktem Stahl im Boden verankert. Um eine standsichere und stabile Montage zu gewährleisten, erstellten die Techniker von Schletter vorher ein geologisches Gutachten und berechneten die Statik detailliert. Auch die Rammtiefen wurden individuell berechnet, um jeweils die nötigen Gründungstiefen zu erreichen.

www.schletter.eu

Der Autor

Gabriel Dechant

ist schon seit vielen Jahren Entwicklungsingenier bei der Schletter Group. Er war maßgeblich an der Umsetzung des neuen Trackers beteiligt.

Stefan Spork

ist technischer Berater der Schletter Group. Außerdem ist er Geschäftsführer von Spork & Partner und arbeitet als externer Projektleiter für den Hersteller aus Kirchdorf/Haag.

Cedrik Zapfe

ist Mitglied der Geschäftsführung der Schletter Group und leitet dort die Entwicklungsabteilung. Er war federführend an der Kreation des neuen Trackersystems beteiligt.

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ PV E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Fokus PV: Sonderhefte (PDF)
+ Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
+ Adresseintrag im jährlichen Ratgeber
uvm.

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen