Bei der jüngsten EEG-Novelle vor Jahresfrist hielt sich die bayerische CSU mit Kritik an der schwarz-gelben Bundesregierung zurück. Auf eine schicke Solarstromanlage mochte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) dennoch nicht verzichten. Schon im Juni 2011 hatte er versprochen, auf dem Dach der Staatskanzlei in München einen Sonnengenerator zu installieren. Bayern als weltgrößter Regionalmarkt für Photovoltaik, und ein Ministerpräsident ohne Solarstrom? Das passt nicht zusammen. Also setzte Seehofer „ein Signal in Sachen Energiewende“, wie er damals verlautbaren ließ.
Doch die Solaranlage erwies sich als kompliziert. Anfangs war eine Anlage auf der Südseite vorgesehen. Aber der Denkmalschutz legte sich quer, die Pläne gerieten ins Stocken. Man hätte die Solarmodule von der Straße aus erkennen können. Das Gebäude ist historisch wertvoll, ein altehrwürdiger Prunkbau, der die Münchener Innenstadt ziert.
Auch sahen die ursprünglichen Planungen vor, die Solarmodule, wie auf Industriedächern üblich, aufzuständern. Entweder hätten sie wie Sägezähne über das Dach geragt oder die Aufständerung wäre wie bei Sheddächern erfolgt. Eine Verschandelung für den Bau, die Kritik der Denkmalschützer war berechtigt. Auch die Stadtgestaltungskommission hätte dem Vorhaben aus ästhetischen Gründen widersprochen.
Erst als die Solarinitiative München einbezogen wurde, kam neuer Schwung in die Idee. So geriet ausgerechnet die Solaranlage für die Staatskanzlei zum Paradebeispiel, dass die Energiewende in kompetente Hände gehört. Sonst endet alles in Zank und Streit und im Nichts.
Mehr Strom aus Osten
Zur Solarinitiative München gehören die Stadt München, die Stadtwerke der bayerischen Landeshauptstadt, die Baywa AG, die Immobilienfirma Südhausbau und die Inka Gruppe. Der geänderte Belegungsplan für die Staatskanzlei wies eine größere Anlage nach Osten aus. Damit haben es Geschäftsführer Harald Will und sein Team in enger Abstimmung mit dem staatlichen Bauamt geschafft, die Auflagen der Denkmalschützer zu erfüllen. „Sie ist optisch gelungen und kann durch die größere Auslegung auch mehr Strom erzeugen“, erläutert Projektleiter Thomas Löschmann von der Solarinitiative München. „Wir haben beide Varianten mit aufwendigen Simulationen bis ins Detail durchgerechnet.“ Sogar die Münchner Lokalbaukommission lobte den Entwurf: „Durch die pultdachartige Ausbildung der Anlage wird diese zu einem selbstverständlichen Bestandteil des Gebäudes und fügt sich zudem harmonisch in die Dachlandschaft der Münchner Innenstadt ein“, urteilte Katja Strohhäcker aus dem Planungsreferat.
Das altehrwürdige Gebäude verdeutlicht, dass scheinbar Unmögliches durchaus möglich ist: Die Widersprüche zwischen behördlichen Auflagen und der Photovoltaik lassen sich auflösen, zum Nutzen beider Seiten. Die 804 Quadratmeter große Anlage auf den beiden großen Seitenflügeln des Gebäudes ist seit November 2012 am Netz. Rechnerisch erzeugt sie im Jahr rund 69 Megawattstunden Sonnenstrom. Verbaut wurden vier SMA-Wechselrichter STP 17000 TL-10. Damit decken die Solarmodule tagsüber einen Teil des Stromverbrauchs der Staatskanzlei. Ein Batteriespeicher wurde nicht eingebaut, der Solarstrom wird in dem großen und repräsentativen Bürogebäude direkt genutzt. „Die Energie entsteht dort, wo sie auch verbraucht wird“, freut sich Harald Will. Es wurden knapp 300 Solarmodule von Typ TSM-PC05 245W verbaut. Die polykristallinen Paneele stammen von Trina Solar, einem chinesischen Hersteller. Der deutsche Ableger des Modulherstellers sitzt gleichfalls in der bayerischen Landeshauptstadt. Jedes Modul leistet 245 Watt.
Besonderes Augenmerk legten die Planer und Installateure auf wichtige Details. So wurde eine breite Metallplanke an der Modulkante montiert. Sie schließt die Module nach unten ab und dient als Schneezaun.
Auf einen Blick
Daten der Anlage
Leistung: 72,52 Kilowatt
296 polykristalline Module von Trina Solar
4 Wechselrichter STP 17000 TL-10 von SMA
Flachdachmontagesystem Isotop von Schletter
Projektierung: Solarinitiative München
Installation: One Solar International GmbH
Fertigstellung im November 2012
Solarstromerzeugung für die Staatskanzlei
Viele ungenutzte Dächer
300 Megawatt möglich
Der Münchner Stadtrat hat bei der Solarinitiative eine umfassende Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Von den insgesamt 42 Millionen Quadratmetern Dachfläche in der Stadt eignen sich rund 15 Millionen Quadratmeter für Photovoltaik – und sind noch ungenutzt. Somit lassen sich auf den Dächern Münchens insgesamt 300 Megawatt Solarleistung installieren, rund sieben Mal mehr als bisher (41 Megawatt). Auch der Münchener Flughafen und die Neue Messe München haben analysieren lassen, wie sie Photovoltaik nutzen können.