Meteotest in Bern ist einer der wichtigsten Lieferanten von Daten zum Solarertrag, zu Wetter und Klima. Die Experten können auf mehr als dreißig Jahre Erfahrung zurückgreifen. Sogar Expeditionen auf den Mount Everest haben sie schon beraten.
Wenn es ums Wetter geht, sind die Schweizer kaum zu beeindrucken. Heiße Sommer mit mehr als 30 Grad Celsius wechseln sich ab mit eisigen Wintern, die im Gebirge ebensolche Minusgrade erreichen können. Meterhoher Schnee, gleißender Sonnenschein auch im Januar, plötzliche Gewitter und Stürme: Die Bewohner der Alpen und des Vorlands leben damit seit Menschengedenken. Denn wer das Wetter nicht im Blick hat, kommt am Berg nicht weit.
Mittendrin in Europas Wettersuppe
Im Süden Italien, im Osten der weitere Verlauf der Alpen nach Österreich, im Westen sich weit öffnende Lande, die vom Mittelmeer und vom Atlantik dominiert werden – wettermäßig. Und im Norden das Allgäu, die Schwäbische Alp, dazwischen der Bodensee: lang auslaufende Vorgebirge, jedes eine kleine Wetterscheide. Wenn jemand inmitten der europäischen Wettersuppe schwimmt, dann die Schweiz, die obendrein die höchsten Gipfel zählt, bedeckt mit Gletschern und ewigem Schnee.
So wundert es nicht, dass sich ausgerechnet in Bern ein ganz wichtiger Akteur der Energiewende entwickelt hat: Meteotest, Lieferant von Daten zur Sonneneinstrahlung, zum Wetter und zum Klima. Ohne die genauen Daten zur Einstrahlung der Sonne an einem bestimmten Ort auf der Erde könnte niemand Solargeneratoren planen, bauen oder betreiben. „Schon 1981 haben wir uns als Genossenschaft gegründet“, erzählt René Cattin, einer der Geschäftsleiter von Meteotest bei unserem Besuch in Bern. „Damals fand sich eine Gruppe von Geografen zusammen, das war eine Ausgründung der Universität.“
Eine Zeit, vom Hörensagen
Cattin ist jung, er kennt diese Zeit nur vom Hörensagen, von den alten Kämpen, die bis heute gelegentlich vorbeischauen oder selbst noch in den Büros mitarbeiten. Vierzig Mitarbeiter führt er heute. Noch immer firmiert Meteotest als Genossenschaft, bei der jedes Mitglied eine Stimme hat, wie in Deutschland. Das unterscheidet sie von der Aktiengesellschaft, bei der das Stimmrecht von der Größe der Unternehmensanteile abhängt. „Rund ein Drittel unserer Mitarbeiter hält Anteile an der Genossenschaft“, erzählt Cattin. „Genossenschaft klingt ein bisschen wie Freizeitverein. Aber wir sind ein Unternehmen, das wirtschaftlich geführt wird und Steuern zahlen muss, wie jede andere Firma auch.“
1981 – das liegt mehr als drei Jahrzehnte zurück. Damals waren die Gründer junge Leute, Geld war knapp, sogar in der Schweiz, dem Zentrum der Hochfinanz. Eine Genossenschaft braucht weniger Eigenkapital als eine AG, auch war der Zeitgeist damals ein anderer. Damals herrschte ein gewaltiger Aufbruch, denn 1981 war auch das Jahr, in dem IBM den ersten Arbeitsplatzcomputer präsentierte, genannt Personal Computer, kurz: PC. Ein gewisser Bill Gates lieferte dafür das Betriebssystem.
IBMs verzweifelter Versuch
Der PC war der verzweifelte Versuch von IBM, einen Ausweg aus der Absatzkrise bei den Großrechnern zu finden. Dass die Computerbranche damit überhaupt erst zu ihrem globalen Siegeszug ansetzen würde, war nicht vorauszusehen. Damals stand die Computertechnik am selben Punkt, wie die Photovoltaik heute. Denn der PC öffnete beiden Technologien ungeahnte Möglichkeiten. „Der PC hat es erlaubt, dass jedermann Wetterdaten nutzen kann“, meint René Cattin. „Das war vorher nur mit Supercomputern möglich.“
Historisch gesehen wurden Wetterdaten zunächst mit analogen Messgeräten erhoben, systematisch etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Später erfassten digitale Systeme die Sonneneinstrahlung, die Temperaturen, den Druck, die Niederschläge und Winde. Diese digitalen Daten wurden in Supercomputer gefüttert, die ganze Säle füllten und kleine Kraftwerke zu ihrem Betrieb benötigten. Erst liefen sie mit Röhren, später mit Siliziumchips. Mit den PCs stellte sich die Frage: Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich, um Wetterdaten zu verarbeiten?
Noch sind einige Leute aus der Gründerzeit dabei, doch der Generationswechsel ist auch bei Meteotest in vollem Gange. Das Unternehmen ist eine der ältesten Privatfirmen in Europa, die sich dem Geschäft mit Wetterdaten verschrieben hat. „Das ist Big Data“, erläutert Jan Remund, der Fachverantwortliche für Sonnenenergie und Klimatologie bei Meteotest. Er ist seit 22 Jahren im Unternehmen tätig und so etwas wie der Kopf von Meteonorm. „Wir nutzen die Daten von rund 8.000 Wetterstationen weltweit, die verschiedene Parameter und unterschiedliche zeitliche Auflösung bieten. Die Datenmengen aus den Wetterstationen und Satelliten umfassen einige Terabyte.“ Nicht nur die Verfügbarkeit aktueller Wetterdaten macht das Geschäft aus, sondern vor allem die langjährige Erfahrung in der Interpretation und Aufbereitung.
Meteonorm überall integriert
Jeder Planer, jeder Installateur von Photovoltaik kennt Meteonorm: die Software für Einstrahlungsdaten, die in den meisten Programmen zur Auslegung der Generatoren integriert ist. Schon 1985 kam die erste Version auf den Markt.
Zwischen 1993 und 1995 wurde bei Meteotest die erste digitale Version erstellt, im Auftrag des Schweizerischen Bundesamtes für Energie. Dieses Programm wurde zum Standard in der Photovoltaik, es wird in allen Simulationen von Solargeneratoren verwendet. Die Programme zur Planung und zur Simulation verfügen über einen Kern der Meteonorm, der bei Meteotest in Bern als Plug-in verwaltet wird.
Meteonorm wird auch als Webservice (API) und Plug-In (DLL) angeboten, man kann über das Internet zudem einzelne Datensätze kaufen. „Meteonorm nutzen alle großen Firmen der Photovoltaikbranche“, erzählt Jan Remund. „Weltweit haben wir viele Lizenzen verkauft, das Programm stellt bisher fünf Sprachversionen zur Verfügung.“ Auch das ist ein Vorteil der Schweizer: Deutsch, Französisch und Italienisch sind Landessprachen.
Jeder Installateur kann die Datensätze einzeln kaufen, oder eine einmalige Lizenz für die Software, die er zur Anlagenplanung nutzt. Meteonorm ist international anwendbar, egal, in welchem Land der Installationsbetrieb seinen Sitz hat.
Auf Leben und Tod
Was die wenigsten Solarexperten wissen: Meteotest ist auch mit Daten zur Luftqualität befasst, vornehmlich für Schweizer Kunden und die Behörden auf Ebene des Bundes und der Kantone. Dazu gehören Messwerte und Verteilungskarten zum Feinstaub, zum Ozon und zu Stickoxiden, ebenso Gutachten für Kehrichtverbrennungsanlagen, wie man die Müllverbrennung in der Schweiz nennt, für Autobahnzubringer oder Tunnels. Kein Wunder: Unzählige Tunnels führen durch die Alpen, die Abgase und Feinstäube aus Millionen Autos sind ein enormes Problem.
Außerdem stellt Meteotest – wie könnte es bei den Schweizern anders sein – Daten und Prognosen für alpine Expeditionen bereit, im Himalaya oder in den Anden. Allein im Frühjahr 2013 wurden 20 Expeditionen auf den Mount Everest mit Wetteranalysen betreut. Bei solchen Expeditionen sind Fehler nicht erlaubt: Jenseits des letzten Basislagers geht es um Leben und Tod. Kein Detail darf übersehen oder falsch interpretiert werden, erst recht nicht die Zeichen des Himmels: Wolken, Winde, das Licht und die Temperaturen. „Die Versicherungen fordern genaue Wetterprognosen, um das Risiko von Stürmen und Gewittern abzuschätzen“, meint René Cattin. „Sonst werden auch Open-Air-Events nicht mehr versichert.“ (Heiko Schwarzburger)
Den vollständigen Report über Meteotest lesen Sie im Februarheft von photovoltaik, das am 11. Februar 2016 erscheint. Inhaber eines Abos können den Beitrag auch im Internet oder als E-Paper lesen.