Diesmal brennt die Halle komplett aus. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach einer Lagerhalle hatte sich erneut entzündet. Es ist innerhalb weniger Wochen der dritte Brand an der 450 Quadratmeter großen Aufdachanlage. Bisher war die Feuerwehr rasch Herr der Lage gewesen. Doch dieses Mal kommt sie einfach zu spät.
Auslöser für alle drei Brände war die unzulässige Erwärmung von Steckverbindungen an der Anlage. In der Regel kommen dann Schadensersatzklagen auf den Installateur zu. Im Fall der niedergebrannten Halle waren Steckverbindungen verschiedener Hersteller die Brandursache, sogenannte Kreuzverbindungen. Dabei wähnte der Installateur sich auf der sicheren Seite. Er hatte vorkonfektionierte Steckerleitungen gewählt, die laut Hersteller mit den Steckverbindern an den Modulen kompatibel waren. „Die Steckverbinder passten prima“, erinnert sich der Installateur. „Beim flüchtigen Hinschauen sah man in Farbe und Oberfläche keinen Unterschied.“ Jetzt hat er eine Zivilklage am Hals, die ihn die Existenz kosten kann.
Dieses Beispiel wird gern von Sascha Schmidt angeführt. Schmidt ist Produktmanager bei Multi-Contact in Essen, dem Marktführer bei Steckverbindungen für photovoltaische Anlagen. In den letzten Jahren hat das Unternehmen immer wieder vor Plagiaten gewarnt und vor angeblich kompatiblen Steckverbindungen, die technisch nicht sicher seien und wegen der Haftung für den Installateur zudem riskant.
Dabei könnte mehr Kompatibilität zwischen verschiedenen Steckerherstellern den Installateuren und damit auch den Endkunden über den Preis das Leben leichter machen. In diese Richtung gehen die beiden Hersteller Kostal und Lapp. „Lasst uns gegenseitig unsere Stecker prüfen“, erzählt Thomas Hoffmeister, Geschäftsleiter Photovoltaik bei U. I. Lapp in Stuttgart, über die Anfänge der Kooperation mit Kostal. Dies war ein ungewöhnlicher Schritt. Denn normalerweise geben die Hersteller bestimmte Daten zu den Steckverbindern nicht gern heraus. Das ist nachvollziehbar, denn in den Entwicklungen steckt sehr viel Know-how.
Mit den Linien MC3 und MC4 hat sich Multi-Contact über die Jahre bei Photovoltaikanlagen durchgesetzt und internationale Standards definiert. Die von Multi-Contact entwickelte Lamellentechnik sorgt dafür, dass der Strom an den Anschlusskontakten mit niedrigen Widerständen fließt. MC4-Steckverbinder verfügen über ein Verriegelungssystem und eine Sicherungshülse, die mit nur einem Werkzeug gelöst werden können.
Passend war Glückssache
Die MC4-Stecksysteme waren nach ihrer Einführung bald so gefragt, dass es in der Vergangenheit mitunter zu Lieferschwierigkeiten kam. Quasistandard, Akzeptanz und Knappheit riefen zahlreiche Hersteller auf den Plan, die kompatible Streckverbindungen versprachen, nach dem Motto: Wenn es passt, dann passt es. Doch mit diesem Versprechen war es nicht weit her.
Da waren zum einen die Fertigungstoleranzen für die Kontakte. Weil die Toleranzgrenzen für die Kontakte nicht an die Marktteilnehmer weitergegeben wurden, konnten diese auch keine passgenauen Gegenstücke produzieren. Denn wenn der nicht eingeweihte Produzent ein zufällig ausgewähltes Einzelexemplar analysiert, kann er nicht wissen, ob dieses von den Stärken der Kontakte nun gerade nach oben oder nach unten vom Prototyp abweicht. Normgenaue Entsprechungen werden so zum Zufallstreffer.
Das ist keine gute Ausgangslage für eine Standardisierung. Man stelle sich vor, beim Schukostecker müsste der Kunde darauf achten, dass Stecker und Steckdose vom gleichen Hersteller kommen. Kein Elektrogerät dürfte an eine beliebige Steckdose in der Nähe angeschlossen werden. Auch bei Elektroautos ist erst mit der Standardisierung der Steckverbindungen für Europa im vergangenen Frühjahr eine wesentliche Voraussetzung für die weitere Akzeptanz und Verbreitung geschaffen worden.
Deshalb bemühten sich die Experten sowohl bei Kostal als auch bei Lapp um einen Schritt in Richtung Standardisierung. Dass beide Hersteller dann ins Gespräch kamen, war kein Zufall. „Man kennt sich. Die Philosophie verbindet“, so Markus Vetter, Leiter Marketing und Kommunikation bei Kostal Industrie Elektrik in Hagen, und „die Chemie stimmt.“ Das ist wichtig, im wahrsten Sinne des Wortes. Die konkrete Zusammenarbeit zwischen Kostal und Lapp zur Entwicklung kompatibler Steckverbinder begann vor etwa einem Jahr. Zunächst haben die Kooperationspartner Zeichnungen offengelegt, ihre Toleranzen ausgetauscht und festgelegt, wer später was prüfen wird. Denn um vollständig kompatibel zu sein, müssen die Steckverbindungen an den stromleitenden Kontakten 100-prozentig passen. „Unterschiedliche Materialkompositionen bei Metallen, Kunststoffen und Dichtungen müssen harmonieren“, erklärt Jörg Schmidt, Leiter Vertrieb PV-Modul-Anschlusstechnik bei Kostal Industrie Elektrik. Nur so seien die Paare sicher und langlebig. Sonst könnten die unterschiedlichen Kunststoffe im ungünstigen Fall miteinander reagieren und deshalb vorzeitig altern. Die Dichtungen würden sich eventuell unterschiedlich ausdehnen. Steckverbindungen in Photovoltaikanlagen sind extremen Temperaturschwankungen, Wind und Sturm, manchmal Sonne und mitunter Schadstoffen oder aggressiver Seeluft ausgesetzt. Dennoch sollen sie über einen langen Zeitraum einwandfrei funktionieren.
Um die Risiken zu minimieren, wurden die Untersuchungen zum Nachweis der Kombinierbarkeit der Stechverbinder von Kostal und Lapp in beiden Unternehmen auf der Basis der hier einschlägigen Norm DIN EN 50521 (Steckverbinder für Photovoltaiksysteme, Sicherheitsanforderungen und Prüfungen) durchgeführt und mit positivem Ergebnis abgeschlossen. Ein Bestandteil dieses Verfahrens sind auch Langzeittests. Um alle Anforderungen zu bestehen, haben die Partner sich Zeit genommen und die gemischten Paare ein halbes Jahr lang auf Herz und Nieren geprüft. Auf der Basis der Tests und angeglichenen Konstruktionsunterlagen konnten Lapp und Kostal dann im Frühsommer dieses Jahres zur Intersolar in München die Kompatibilität ihrer Steckverbinder Epic Solar 4 Thin und Kostal KSK 4 präsentieren. Kostal und Lapp haben darüber hinaus vereinbart, sich auch über künftige Änderungsvorhaben gegenseitig zu informieren, beispielsweise beim Einsatz neuer Werkstoffe oder Veränderungen von Materialzusammensetzungen. Sollte es trotzdem zu einer Beschädigung durch die Kombination der Steckverbinder kommen, übernimmt der jeweilige Hersteller die Gewährleistung für seine Komponenten. Ergibt die Fehleranalyse keine eindeutige Zuordnung zu einem der Hersteller, übernehmen beide Firmen die Gewährleistung jeweils zur Hälfte. Mit dieser Lösung soll das Schadensrisiko von den Schultern der Installateure und Anlagenbetreiber genommen werden.
Mittlerweile sind die kompatiblen Stecker ein halbes Jahr lang auf dem Markt. Zeit für eine erste Bilanz. Von den Kunden gab es bisher Anerkennung: Endlich mal jemand, der sich der Thematik annimmt. Probleme durch die geprüften Kreuzverbindungen gab es nach Angaben der beiden Hersteller bisher nicht.
Kein finales Prüfprogramm
Auch andere Institutionen wie beispielsweise der TÜV können solche Fälle nicht angeben. Dennoch bleibt die Haltung beim TÜV Rheinland in Köln skeptisch. „Die Kooperation ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung“, lobt zunächst Guido Volberg, beim TÜV Rheinland verantwortlich für die Komponentenprüfung von Photovoltaiksystemen. „So ein Kooperationsvertrag kann jedoch nicht alle Probleme beseitigen.“ Er wisse nicht, was die Partner alles wie geprüft hätten. „Es gibt meiner Kenntnis nach noch kein finales Prüfprogramm“, warnt Volberg und meint damit ein validiertes Prüfprogramm vom TÜV oder von anderen Normungsgremien.
Es gibt schon einige Hersteller, die sich auf TÜV-getestete Kompatibilitäten berufen, bestätigt Volberg, schränkt jedoch ein: „Das sind alles nur Teilprüfungen.“ Eine komplette Kompatibilität von Steckverbindern unterschiedlicher Hersteller habe der TÜV noch nie geprüft. Dazu gehörten auch Material- und Langzeitprüfungen. „Bisher haben auch noch keine Hersteller eine solche Prüfung beantragt, so Volberg. Markus Vetter von Kostal schließt nicht aus, „in Zukunft auch den TÜV mit ins Boot zu holen“. Konkretes ist in der Richtung jedoch bisher nicht geplant. Ohne diese zusätzlichen TÜV-Prüfungen gibt es aber keinen Segen vom Überwachungsverein. „Wenn meine Kollegen derzeit eine Anlage prüfen, würden sie das bemängeln“, so Volberg.
Standards als Innovationsbremse?
Gegen solche Standardisierungen durch Kooperation argumentiert auch Marktführer Multi-Contact. „Ein Abgleich würde umfangreiche und kostspielige Untersuchungen erfordern“, so Michael Berginski, Leiter des globalen PV-Produktmanagements und Engineerings bei Multi-Contact in Essen. Ein Abgleich lediglich von Maßen und Toleranzen reiche technisch nicht aus. Stattdessen müssten zum Beispiel der Fertigungsprozess, die eingesetzten Materialien und Produktionshilfsstoffe sowie die spezifische Werkzeugauslegung bis ins letzte Detail aufeinander abgestimmt werden. Der Aufwand sei enorm, um jedes Werkzeug mit dem eines anderen Herstellers kompatibel zu machen. „Theoretisch ist das natürlich auch in einem Firmenverbund möglich, aber von effizienten Prozessen mit der Zielsetzung der Kostensenkung kann dann nicht mehr gesprochen werden.“ Eine Standardisierung bei hoher Qualität sei daher mit wettbewerbsfähigen Preisen nicht vereinbar. Daneben gibt Berginski zu bedenken, dass ein Standard eine Innovationsbremse darstelle. Auf veränderte Anforderungen könne längst nicht so schnell reagiert werden wie bei im technischen Wettbewerb stehenden Unternehmen. Die Standardisierung als Irrweg und die bilaterale Kooperation als unsicheres Abenteuer?
So sehen es nicht alle. Kostal und Lapp hätten durchaus erkannt, worum es geht, sagt Udo Siegfriedt, Gutachter bei der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) in Berlin. Sie wüssten offensichtlich, worauf es bei einer Kooperation ankomme. „Das gilt ja nicht nur für Steckverbinder von Fremdherstellern. Auch die eigenen Produkte müssen bestimmten Kriterien genügen, denn zumindest Teile können von mehreren Zulieferern stammen. Im eigenen Haus muss zur Qualitätssicherung also beschrieben werden, was wichtig ist und wie es dann auszusehen hat. Gegenüber Dritten muss das auch so sein. Das wollen aber Hersteller wie Multi-Contact nicht, da sie lieber selbst liefern. Daher lehnen sie das auch kategorisch ab.“ Das bedeutet: Standards werden nicht nach außen gegeben, Änderungen der Produktion nicht kommuniziert. „Somit können Fremdhersteller nie auf Dauer die Qualität gemischter Verbindungen garantieren.“
Es ist verständlich, dass der Marktführer sein Know-how weiter ummünzen möchte. Es ist auch verständlich, dass der TÜV seine Dienstleistungen diversifizieren möchte. Aber trotz aller Widerstände: Bilateral zu kooperieren und mehr Standards durchzusetzen, wie es Kostal und Lapp begonnen haben, ist gut. Wie weit sich diese Kreuzverbindungen auch immer auf lange Zeit bewähren werden: Installateure brauchen sich wegen der Garantien der Hersteller keine Sorgen mehr zu machen, für wirtschaftliches Denken bestraft zu werden.
Kooperation Lapp & Kostal
Schritt zur Standardisierung
Kombinierbare Steckverbinder:
Epic Solar 4 Thin + Kostal KSK 4
Haftung im Schadensfall:
Bei nicht eindeutiger Fehleranalyse trägt jedes Unternehmen 50 Prozent
Ihre Meinung: Haben Sie bisher Kreuzverbindungen vermieden?
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