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Mesor soll es richten

Auf der Europakarte, die Carsten Hoyer-Klick an die Leinwand wirft, dominieren Rottöne. Blau und Grautöne sind selten. Das ist der tiefere Grund, weshalb die Besucher während der Intersolar zu der Präsentation des Physikers vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gekommen sind. Er stellte das von der EU finanzierte Projekt Mesor vor, ausgeschrieben heißt das Management and Exploitation of Solar Resource Knowledge. Es geht also – salopp gesprochen – um den besten Umgang mit Wissen, in diesem Fall um Informationen aus Datensätzen zur Sonneneinstrahlung.

Dass die Farbe blau in der Karte so selten ist, bedeutet, dass die Abweichungen der Datensätze nicht zu vernachlässigen sind. Denn die verschiedenen Farben auf der sogenannten Unsicherheitskarte der Europäischen Union stehen für die unterschiedlich großen Abweichungen der acht verglichenen Datensätze. Je stärker der Rotton an dem Standort, an dem Photovoltaik installiert werden soll, umso mehr hängt die für eine Photovoltaikanlage prognostizierte Rendite vom Datensatz ab, der in die Ertragsprognose eingeflossen ist. Deutschland liegt dabei im Mittelfeld. „Hier weichen die Datensätze der Sonneneinstrahlung um vier bis sechs Prozent ab“, sagt Hoyer-Klick.

Eine Ertragsprognose kann nie genau stimmen. Denn man muss für die Sonneneinstrahlung einen Mittelwert nutzen, der aus den Daten der letzten Jahre berechnet wird. Mit einem Blick in die Vergangenheit wird also darauf geschlossen, wie sich die Sonneneinstrahlung in den nächsten 20 Jahren verhält.

Wie wichtig eine gute Mittelung ist, zeigt etwa ein Blick nach Potsdam im Jahr 2003. Die Strahlung stieg im Vergleich zum Vorjahr um über 15 Prozent an. Ein Jahr später fiel sie wieder um rund zehn Prozent. Über die 20 Jahre Laufzeit einer Anlage werden in einem Gutachten solche Schwankungen teilweise nivelliert. Um zu wissen, wie gut das funktioniert, muss man aber tiefer in die Statistik einsteigen.

Nach den Gesetzen der Statistik ließe sich schlussfolgern: Je mehr Jahre aus der Vergangenheit in die Berechnung einbezogen werden, umso besser ist der Mittelwert. Doch so leicht ist es nicht, denn die Einstrahlung ist nicht nur statistischen Schwankungen unterworfen, sondern verändert sich auch durch andere Parameter. Etwa durch das Global Dimming, zu deutsch: globale Verdunklung. So nennen die Experten den Effekt, dass mit Beginn der 50er Jahre bis zum Ende der 80er Jahre relativ wenig Sonnenstrahlung die Erde erreichte, da sich das Licht an den Schmutzpartikeln in der Luft streute. Seit den 90er Jahren ist die Luft unter anderem dank neuer Umweltgesetze und der Deindustrialisierung in Ostdeutschland sauberer geworden. Mit der Folge, dass die Einstrahlung zunahm. „Für die Berechnung einer Photovoltaikanlage sollten keine Werte verwendet werden, die vor 1990 gemessen wurden, da sich die Umweltbedingungen deutlich geändert haben“, sagt Volker Quaschning, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Er hat die Potsdamer Wetterdaten der letzten 70 Jahre analysiert. Eine Ertragsprognose mit einem 20-jährigen Mittel würde also zu schlechte Werte einbeziehen. „Ein Mittelwert der letzten zehn Jahre eignet sich besser“, sagt er.

Dieter Noga vom Deutschen Wetterdienst kennt diese Theorie und bestätigt sie für Deutschland, sieht aber Unwägbarkeiten im Ausland: „In China wächst die Industrie, die Luftverschmutzung nimmt zu.“ Es bleibt offen, wie sich diese Entwicklung auswirken wird und ob die Industrialisierung der Schwellenländer oder die Flächenbrände im Regenwald nicht ein neues weltweites Global Dimming verursachen.

Acht Prozent Differenz

Doch selbst wenn man keine Bedenken wegen eines zukünftigen Global Dimmings hat, die statistischen Abweichungen akzeptiert und sich auf ein bestimmtes Mittel festlegt, ist eine Ertragsprognose noch nicht eindeutig. So liegen etwa für Potsdam Strahlungsdaten von neun verschiedenen Anbietern vor, die ihre Werte unterschiedlich messen, sodass diese sich um acht Prozent unterscheiden. Im italienischen Messina unterscheiden sich die Angaben sogar um mehr als 15 Prozent. Ein Teil dieser Daten stammt von Bodenstationen, die in Deutschland relativ zahlreich vorhanden sind. Da sich die Bodenstationen aber nicht immer genau am Standort der Anlage befinden, können ihre Werte ungenau sein. In den meisten Regionen ergibt sich eine räumliche Auflösung von 25 Kilometern. Eine Alternative bieten hier Satelliten. Sie ermitteln die Globalstrahlung für den gesamten Globus, für jeden beliebigen Standort der Welt, meist mit einer Auflösung von nur einem Kilometer.

Doch beide Systeme haben ihre Schwächen. Mit einer Gerätetoleranz von plus/minus drei Prozent messen die Bodenstationen das einfallende Sonnenlicht zwar zuverlässiger als Satelliten, doch sie sind sehr wartungsintensiv, und ihre Sensoren können schnell verschmutzen. Satelliten hingegen messen nicht direkt die Globalstrahlung, sondern nehmen Bilder von der Wolkenbewegung über der Erde auf. Da Wolken die Sonnenstrahlung absorbieren, errechnet der Satellit über die Anzahl der Wolken am Himmel, wie viel Licht die Erde erreicht. Dabei ergibt sich in den Berechnungen des Satelliten allerdings einen Jahresfehler von sieben Prozent.

Deshalb entscheidet die Entfernung der Photovoltaikanlage zur nächsten Bodenstation, welche Daten sich besser eignen. „Satellitendaten sind genauso gut wie die Bodenwerte aus 25 Kilometern Entfernung“, sagt Hoyer-Klick. Anbieter von Ertragsgutachten kombinieren daher die beiden Datenarten.

Drastische Gewinnschwankung

Ob nun Bodenmessung oder Satellit: Hier liegt nicht der einzige Unterschied zwischen den Strahlungsdaten. Bei der Messung der Sonnenstrahlung differiert auch die räumliche und zeitliche Auflösung. „Die Daten sind im Prinzip nicht vergleichbar“, räumt Elke Lorenz, Physikerin an der Uni Oldenburg, ein. So misst Satel-Light seit 1996 alle 30 Minuten in einem Radius von sechs Kilometern die Globalstrahlung per Satellit. ESRA hingegen misst seit 1981 einmal am Tag Bodenwerte für einen Umkreis von zehn Kilometern. Die Satelliten von Solemi erfassen seit 1991 jede Stunde die Globalstrahlung mit einer Auflösung von einem Kilometer.

Welche Auswirkungen die Ungenauigkeit bei den Strahlungsdaten hat, macht Jethro Betcke, Physiker an der Uni Oldenburg, deutlich. In seiner Beispielrechnung erzeugt eine bei München stehende Photovoltaikanlage mit einer installierten Nennleistung von 1.000 Kilowatt im Jahr 1.230 Kilowattstunden pro installiertem Kilowatt. Für den Bau der Anlage mussten 4,40 Euro pro Watt investiert werden. Durch eine Einspeisevergütung von 32 Cent pro Kilowattstunde bringt die Anlage über eine Laufzeit von 20 Jahren jährlich knapp 400.000 Euro ein. Abzüglich der Kreditkosten bei einem Zinssatz von 4,5 Prozent bleibt ein Jahresgewinn von rund 55.000 Euro – vorausgesetzt, die prognostizierten und die tatsächlichen Strahlungswerte stimmen exakt überein.

Rechnet Betcke für die gleiche Anlage allerdings mit einer um fünf Prozent reduzierten Strahlung, schrumpfen die Einnahmen auch um fünf Prozent, also um 22.000 Euro. Der Gewinn minimiert sich dadurch auf rund 36.000 Euro. Das sind also ganze 40 Prozent weniger, wenn sich die pessimistischeren Strahlungsdaten in der Zukunft als die bessere Vorhersage erweisen sollten.

Deshalb hat sich Mesor auf die Fahnen geschrieben, den Einfluss der Ungenauigkeiten der Datensätze zu reduzieren. „Wir sind allerdings kein neuer Datenanbieter, sondern ein Vermittlungsportal. Wir wollen die bestehenden Daten zusammenführen und den Zugriff darauf erleichtern und vereinheitlichen“, sagt Projektleiter Hoyer-Klick. Europaweite Strahlungsdaten verschiedener Anbieter sollen über einen Server abrufbar sein und die wichtigen Metadaten wie Art, Herkunft, räumliche oder zeitliche Auflösung der Messung mitliefern. So kann der Nutzer genau erkennen, wie ein Datensatz erstellt wurde.

Die Strahlungsdaten, die unter anderem von Meteonorm, Solemi und Helioclim 3 kommen werden, lassen sich für den entsprechenden Ort über Google Earth auswählen. Die Ergebnisse wird es in mehreren Formaten geben: Als PDF, Excel-Tabelle oder als Textdatei sind sie in jede Art von Planungssoftware übertragbar. Zielgruppe für diese Dienstleistung sind Planungsbüros, Investoren und Banken, aber auch private Anlagenbesitzer sollen die Daten nutzen können.

Bessere Einschätzung dank Mesor

Die Daten selbst werden durch Mesor zwar nicht hochwertiger, aber die Genauigkeit der Daten soll sich besser beurteilen lassen, da Mesor die eingehenden Daten auch auf Plausibilität prüft. Dazu werden die verschiedenen Datenbanken untereinander und mit hochwertigen Bodenmessungen verglichen. Stimmen sie überein, haben die Daten eine hohe Güte. Messungen, die völlig andere Werte liefern, werden hingegen kritisch betrachtet. Noch ist der Mesor-Server nur als Prototyp online und enthält nicht alle Datensätze. In zwei Jahren soll das Portal dann voll funktionsfähig sein.

Katrin Petzold

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