Licht und Schatten liegen nicht nur sprichwörtlich dicht beieinander. Wer eine Solaranlage plant, sollte sogar ganz genau wissen, wo die Grenze zwischen Hell und Dunkel verläuft und wie sie im Tagesverlauf, wetter- und jahreszeitenbedingt wandert. Erst dann können die Erträge verlässlich ermittelt und zum Beispiel schattenbedingte Verluste durch eine optimale Platzierung der Anlage minimiert werden. Unabhängige Software für Ertragsprognosen wie PVSYST und PVSOL haben dazu schon seit Jahren Verschattungssimulationen im Programm.Sie berücksichtigen dabei allerdings nicht oder nur eingeschränkt die noch junge Geräteklasse der Leistungsoptimierer, die seit rund zwei Jahren zu kaufen sind. Wer sich für Leistungsoptimierer entscheidet, installiert sie meist an jedem Modul. Sie sollen dafür sorgen, dass jedes einzelne Modul stets am Leistungsmaximum, am sogenannten Maximum Power Point (MPP), arbeitet. Sie verringern dadurch Leistungsverluste, denn in der direkten Reihenschaltung eines Modulstrings genügt ein einziges verschattetes, verdrecktes oder gealtertes Element, um den Stromfluss in allenanderen Modulen des Strings zu reduzieren. Dadurch sinkt die nutzbare Gesamtleistung um einen höheren Prozentsatz, als Fläche verschattet ist (siehe photovoltaik 04/2011, Seite 86).
Komplizierte Optimierer
Um bei der Planung entscheiden zu können, ob sich Leistungsoptimierer lohnen, wäre es wünschenswert, die Auswirkung von Verschattungen mit und ohne solche Geräte simulieren zu können. „Leider scheint das Interesse an einer Einbindung unserer Maximizer vonseiten der unabhängigen Anbieter von Simulationssoftware eher gering zu sein“, sagt Bernd Neuner, Direktor Business Development EMEA des Herstellers Tigo Energy. „Dabei wird das Thema immer brisanter, denn die Zahl perfekter Dächer nimmt ab.“ Auch für die Planung von Freiflächenanlagen ist es ihm zufolge wichtig, die Leistungsoptimierer in den Ertragsprognosen zu berücksichtigen. Schließlich sollen die Modulreihen möglichst dicht hintereinander positioniert werden, um Fläche zu sparen. Die Simulationen können zeigen, ob die Verluste durch eine gegenseitige Verschattung der Modulreihen wirtschaftlich noch akzeptabel sind, mit und ohne Leistungsoptimierer. „Die Simulation der Effekte ist eine Herausforderung, aber machbar“, meint Neuner. „Wir haben das mit einem eigenen mathematischen Modell schon gezeigt.“ Das unabhängige Programm PVSYST berücksichtigt zwar Leistungsoptimierer, aber nur solche aus dem Hause Solaredge. „Falls erforderlich“, wollen die Softwarespezialisten um André Mermoud, der die Entwicklung von PVSYST an der Universität Genf leitet, auch Eingabemöglichkeiten für die Gerätespezifikationen weiterer Hersteller schaffen. Für die Simulation des Verschattungsfalls sieht Mermoud indes grundsätzlich keinen Verbesserungsbedarf. „Unsere lineare Lösung ist eine sehr gute Annäherung für die Wirkung von Leistungsoptimierern“, sagt er. Dabei wird angenommen, dass die Ertragsverluste genau der verschatteten Fläche entsprechen. Im Normalfall liefert diese Methode eine Untergrenze für Verschattungseffekte, die der versprochenen Wirkung von Leistungsoptimierern entspricht.
Eine zweite Berechnungsmöglichkeit von PVSYST liefert Mermoud zufolgeeine Obergrenze für die Schatteneffekte, wie sie ohne Leistungsoptimierer auftreten. Dabei wird die Anlagenfläche in Rechtecke unterteilt. Schon wenn nur ein Teil ihrer Fläche im Dunkeln liegt, bewertet sie das Programm als elektrisch inaktiv. Zusätzlich berechnet es noch Verschattungsfaktoren für den diffusen Anteil der Strahlung, indem es über alle möglichen Richtungen integriert, aus denen Licht auf die vordefinierten Flächen treffen kann.
Die Kritik, nicht auf Modulebene zu simulieren und dadurch grob zu vereinfachen, wollen die Entwickler jetzt mit einer Neuauflage entkräften: Anfang dieses Jahres wird eine neue PVSYST-Version auf den Markt kommen. „Sie liefert eine detaillierte elektrische Berechnungvon der Teilverschattung jedes Untermoduls und für jeden Inverter-Input“, berichtet der Softwareingenieur.
Vorsichtiges Herantasten
Das konkurrierende Programm PVSOL simuliert die Verschattungseffekte schon seit 2008 auf Modulebene und seit der ersten Version von 1998 mit einer Eingabemöglichkeit für Modulwechselrichter. „An dieser Stelle können auch Kennwerte von Leistungsmaximierern eingegeben werden“, sagt Silke Reichmann de Salas, Ingenieurin beim PVSOL-Anbieter Valentin Software. Damit könne der Einfluss der Geräte auf den Energiejahresertrag ermittelt werden, auch unter Verschattung. Zwar wird dabei weder die für Leistungsoptimierer üblicheSerienschaltung der Module noch der dazugehörige Zentralwechselrichter berücksichtigt, doch für den energetischen Effekt von Leistungsoptimierern im Verschattungsfall liefert das Vorgehen Reichmann de Salas zufolge eine gute Näherung.
Das Programm PVSOL Expert rechnet dabei mit Zellstrings im Modul und berücksichtigt auch die Zahl der Bypassdioden, die den Strom innerhalb eines Moduls umleiten. Sie sollen vor punktueller Überhitzung schützen, begrenzen aber auch den Ausfall durch eine Teilverschattung. Die Software berücksichtigt den Einfluss auf die Strom-Spannungskennlinie des Moduls und kann resultierende MPP-Spannung des Photovoltaikgenerators im Verschattungsfall berechnen: In einem Modul mit zwei Bypassdioden wird die Spannung im Schattenfall um die Hälfte reduziert, bei drei Dioden um ein Drittel und so weiter.
Spätestens im Februar geht eine neue Version PVSOL Expert ins Rennen, die noch mehr können soll. „Sie wird unter anderem Freiflächenanlagen mit bis zu 2.000 Modulen mit und ohne Gefälle inder 3D-Visualisierung abbilden“, berichtet die Ingenieurin. Auch Sperrflächen und der Schattenwurf von runden Schornsteinen beispielsweise können erstmals dreidimensional simuliert werden. Ein Tool, das dann alle Effekte von Leistungsoptimierern berücksichtigt, zum Beispiel ganz neue Möglichkeiten für die Verschaltung von Modulen zu nutzen, sucht man allerdings vergeblich. „Zurzeit beobachten wir, was sich in Wissenschaft und Feldtests tut. Vielleicht werden wir irgendwann eine Lösung anbieten, die dann herstellerunabhängig funktionieren sollte. Aktuell haben wir aber keinen Fokus auf diesem Thema“, sagt die Ingenieurin.
Die Programme Greenius und DESIRE aus der Softwareschmiede von Volker Quaschning, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin, werden bis auf Weiteres ebenfalls nicht mit Leistungsoptimierern kalkulieren. „Für das Programm Greenius sind im Verschattungsbereich keine neuen Funktionen geplant, die über den existierenden Verschattungseditor hinausgehen“, berichtet Quaschning. An der Software DESIRE finden zurzeit überhaupt keine größeren Weiterentwicklungen statt, weil die Wissenschaftler gerade andere Projekte mit höherer Priorität bearbeiten.
Salomonische Lösung
Ralf Haselhuhn, Photovoltaikexperte der Deutschen Gesellschaft für Sonnenergie (DGS) in Berlin, sieht vor allem die grundsätzlichen Probleme bei der Simulation von Schatteneffekten. „Bisher berechnen die meisten Programme schattenbedingte Verluste allein aus der verdunkelten Fläche, und das kann sehr verkehrt sein“, sagt er. Bis zu 95 Prozent könne der berechnete Wert vom Realwertabweichen. Dass die Jahresprognose dann doch so falsch wieder nicht ist, liegt daran, dass sich die Fehler über die Monate gegenseitig relativieren.
Ein kritischer Punkt ist Haselhuhn zufolge die Kennlinien-Simulation verschatteter Module. „Das Problem ist noch immer nicht zufriedenstellend gelöst, die verwendeten Ersatzschaltbilder vereinfachen zu stark“, betont er. Um genauer zu werden, müssten die Verschattungseffekte auf Zellebene gerechnet werden. Einen möglichen Simulationsalgorithmus dazu konnten die DGS-Wissenschaftler schon auf dem Photovoltaik-Symposium 2008 in Kloster Banz präsentieren. „Allerdings wird die Umsetzung in Anwenderprogramme, die zudem noch gut bedienbar sein sollen, angesichts der höheren Komplexität viel schwieriger“, räumt Haselhuhn ein.
Vollkommen unklar ist Haselhuhn zufolge außerdem, welchen Betriebspunkt zentrale Wechselrichter, Modulwechselrichter oder eben Leistungsoptimierer einstellen. „Nur sehr selten gibt es Herstellerangaben zu den Regelalgorithmen der verwendeten MPP-Tracker. Deshalb kann die korrekte Umsetzung in Simulationsprogramme bisher nicht erfolgen“, meint der DGS-Ingenieur. „Im Grunde weiß niemand, wie die Geräte in der Realität funktionieren.“ Bedenken, ob sich die aufwendige Entwicklung detailgetreuer Software inklusive Leistungsoptimierer zur Simulation von Schatteneffekten überhaupt lohnt, kommen aus dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. „Für einen Installateur mit mehreren Kunden im Jahr kann so ein Programm durchaus ein nützliches Werkzeug sein und sich letztlich auch rentieren“, sagt ISE-Wissenschaftler Christian Reise. Allerdings geht es für den Endkunden um eher kleine Effekte. Feldtests haben gezeigt, dass Leistungsoptimierer zwar kurzfristig Mehrerträge im zweistelligen Prozentbereich bringen können. Über das Jahr gesehen schrumpft der Vorteil aber je nach Randbedingungen auf einige wenige Prozent. Deshalb ist eine Simulation der Effekte vor allem für Anlagen mit einem hohen Gesamtertrag von Bedeutung, zum Beispiel für große Freiflächenanlagen. Dazu meint Reise: „Für Freiflächenanlagen sollten Schattensituationen aber grundsätzlich tabu sein und schon bei der Planung ausgeschlossen werden.“