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Speedy Modules

Schrecken, Angst und Panik – das ist nur eine der vielen Deutungen des Kürzels SAP, die in deutschen Unternehmen kursieren. Besonders im Mittelstand. Reinhard Hafner, Leiter Marktentwicklung bei AI Informatics, kann sich noch gut an die Reaktionen bei Avancis erinnern, als er dort das aktuelle Produkt seines Hauses vorstellte. „Der Entscheiderkreis wollte alles, nur kein SAP.“ Zu teuer, zu starr, zu komplex lautete die einhellige Meinung. Zunächst.

Avancis ist kein Einzelfall. SAP ist zwar in Deutschland das bekannteste Unternehmen für betriebswirtschaftliche Standardsoftware.

Aber nicht jeder IT-Leiter, der SAP kennt, mag SAP. Eine Umfrage von RAAD bei über 2.000 IT-Verantwortlichen in Unternehmen mit 100 bis 2.000 Mitarbeitern hat ergeben, dass es bei Betrieben dieser Größe besonders viele Vorbehalte gegen die Software gibt, die von Haus aus eben nicht für Schrecken, Angst und Panik steht, sondern für Systeme, Anwendungen und Produkte in der Datenverarbeitung. 61 Prozent der Befragten bewerten SAP als sehr teuer – allerdings geben nur 15 Prozent an, die SAP-Preismodelle gut zu kennen. Etwa die Hälfte hält SAP für nicht geeignet für die eigene Branche, und auch die Mittelstandskompetenz wird bezweifelt. Gleichzeitig wurde bei der Umfrage jedoch noch etwas klar: Die Tage der Best-of-Breed-Lösungen und Eigenentwicklungen im Mittelstand sind gezählt. Wenn Unternehmen sich neu aufstellen oder wenn sie alte Systeme migrieren oder ablösen wollen, sind sie zu deutlichen Investitionen in den Kernbereichen bereit – mit einem ebenso deutlichen Trend zur Standardsoftware.

Diesen Trend nutzen Firmen wie AI Informatics. Die Siemens-Tochter hat sich darauf spezialisiert, Unternehmen der Fertigungsindustrie über alle Phasen von IT-Anwendungen und -Infrastrukturen zu begleiten: vom Design über die Implementierung bis hin zum Application Management und dem laufenden Betrieb. Dabei geht es nicht um ein Einheitsprodukt, sondern um spezifische Branchenlösungen, die bei AI unter der Bezeichnung Speed laufen. Speed ME ist auf die Erfordernisse von Maschinenbau und Hightech-Industrie abgestimmt, Speed AS auf Automobilzulieferer, Speed PE auf den Anlagenbau.

Skalierbares Branchenpaket

Jüngste Entwicklung: Speed Solar. Inside ist zwar SAP, aber mit Business All-in-One eine ausgewiesene Lösung zur Unternehmensplanung (Enterprise Resource Planning, ERP) für größere Mittelständler oder Konzerntöchter. Inside ist außerdem ein Branchenpaket, das auf die Anforderungen von Unternehmen aus der Solarbranche zugeschnitten ist. Dem Speed-Solar-Leistungskatalog zufolge – mit geführten Demonstrationen oder Screenshots ist AI Informatics angesichts der wachen Konkurrenz sehr zurückhaltend – stellt die Software Solarunternehmen alle wichtigen Funktionen für die Abbildung ihrer branchenspezifischen Wertschöpfungsprozesse bereit.

„Wir zielen vor allem auf zwei Gruppen“, sagt Reinhard Hafner. „Zum einen auf Start-ups oder Gründungen, die noch relativ klein sind, zum anderen auf bereits etablierte und daher größere Unternehmen der Branche. Schwerpunkt sind Firmen im deutschsprachigen Raum, die international agieren.“ Avancis gehört zur ersten Gruppe – und hat sich inzwischen längst von den SAP-Vorbehalten verabschiedet. „Mit der Branchenlösung können wir unsere Geschäftsvisionen am besten umsetzen“, sagt CFO Oliver Just in einer Case Study, mit der AI Informatics auf Messen wirbt. „Sie ist skalierbar, lässt sich international einsetzen und wird kontinuierlich weiterentwickelt.“ Das 2006 gegründete Dünnschicht-Joint-Venture wächst rasant, von 25 Mitarbeitern auf derzeit über 100, und will international expandieren. Die bis Ende 2007 eingesetzten Excel- und datenbankbasierten Programme waren nicht ausreichend, die Buchhaltung hatte das Unternehmen ausgelagert. Speed hilft jetzt dabei, auf Grundlage einer unternehmensweit einheitlichen Datenbasis alle Prozesse miteinander zu verknüpfen. Innerhalb von vier Monaten gingen laut Case Study Finanz- und Anlagenbuchhaltung, Controlling und Materialwirtschaft live, nach weiteren drei Monaten die Anwendungen für Logistik und Produktionsplanung. Den Betrieb sowie Pflege, Wartung und Anpassung hat Avancis an das Rechenzentrum von AI Informatics in Pforzheim ausgelagert. Just: „So konzentrieren wir uns ganz auf unser Kerngeschäft und sparen Zeit und Kosten.“ Wobei natürlich auch Speed Solar etwas gekostet hat: Auf etwa 300.000 Euro beziffert Reinhard Hafner das zum Festpreis abgewickelte Projekt.

Speed sorgt bei Avancis jetzt für durchgängig IT-gestützte, transparente und effiziente Arbeits- und Belegflüsse. Beispielsweise werden Bestellanforderungen für Produktionsmaterial ohne Medienbruch sowie auf Grundlage eines mehrstufigen Berechtigungskonzeptes bearbeitet – vom Einkäufer über den Kostenstellenverantwortlichen und das Controlling bis hin zum Management. Dabei prüft Speed automatisch, ob die Werte aus einer Bestellanforderung oder einem Einkaufsbeleg den vorher festgelegten Freigabebedingungen entsprechen. Sämtliche Arbeitsschritte werden in einem Workflow-Protokoll dokumentiert, was Prozess- und damit auch Revisionssicherheit garantiert.

Zahlreiche Schnittstellen

Darüber hinaus verwaltet Avancis jetzt die Daten zu Wareneingängen und -ausgängen sowie zu Umbuchungen zentral. Mitarbeiter in der Disposition können aktuelle Lagerbestände jederzeit abrufen und mit dem Bedarf in der Produktion abgleichen. Dadurch werden Kapazitäten in der Fertigung optimal ausgelastet. Daten aus den Produktionssystemen, etwa zu Fertigmengen, werden über Schnittstellen an die Branchenlösung übermittelt und dort weiterverarbeitet. Und aus allen Unternehmensbereichen fließen Finanzdaten an das Controlling, so dass das Management auf alle wichtigen Kennzahlen zugreifen kann; eine integrierte Ergebnisrechnung macht außerdem die Absatzplanungen genauer. Im nächsten Schritt will Avancis auch die Prozesse in der Personalwirtschaft sowie im Qualitätsmanagement mit der Branchenlösung abbilden.

Die Berliner Solon SE, 1997 gegründet und 1998 als erstes Solarunternehmen in Deutschland an der Börse notiert, hatte in Sachen IT ebenfalls dringenden Handlungsbedarf. „Im Rahmen der Solon-Ausschreibung hat sich AI Informatics intensiv mit den Anforderungen der Solarindustrie auseinandergesetzt. Vorher hatten wir noch kein Branchen-Know-how“, sagt Reinhard Hafner. Solon suchte 2005 nach einer IT-Unterstützung für den konzernweiten Überblick über alle Geschäftsbereiche und Zahlenströme. Und bei der Anpassung von Speed ME wurde AI Informatics mit so vielen Spezialfragen und Knackpunkten konfrontiert – schwankende Qualitäten im Einkauf, stochastische Produktion –, dass die erste Version von Speed Solar entstand.

Dieter Neberg, IT-Projektleiter bei Solon, ist laut Case Study von AI Informatics mit dem Ergebnis zufrieden. „Wir können uns nun ganz auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren.“ Denn in den Jahren davor konnte die IT-Umgebung mit der schnellen Unternehmensentwicklung kaum Schritt halten; die heterogene IT-Landschaft, bestehend aus einer kleinen ERP-Software und einer Stand-alone-Lösung für die Produktion, musste dringend neu gestaltet werden. Sieben Monate dauerte schließlich die Implementierung der etwa eine Million Euro teuren IT. „Wir bauen immer parallel zum laufenden Unternehmen die neue IT-Umgebung auf und gehen zu einem bestimmten Stichtag live“, erklärt Hafner.

Einheitliche Berichtsstandards

Das Solarunternehmen bildet Kernprozesse nun im Rahmen einer einheitlichen Konzernstruktur und auf Grundlage konsolidierter Stammdaten ab. Sämtliche Informationen von Bestellung und Auftragsabwicklung bis zur Fakturierung werden zentral erfasst, verwaltet und verteilt, dadurch lassen sich Termin- und Materialplanungen sowie Beschaffungs-, Fertigungs- und Lagerprozesse besser steuern. Auch bisher papiergebundene Prozesse bei der Intercompany-Abwicklung laufen heute weitgehend automatisiert, was die Abläufe beschleunigt, die Prozesssicherheit verbessert. Als weiterer Vorteil gilt, dass Daten zu Kosten und Umsätzen aus angeschlossenen Konzernbereichen und -gesellschaften sofort in die Finanzbuchhaltung fließen, außerdem gibt es jetzt unternehmensweit einheitliche Standards für die interne und externe Berichterstattung. „Dadurch überblicken wir die Konzernentwicklung genauer und können unsere Wachstumsstrategie noch gezielter umsetzen“, sagt Dieter Neberg.

Wie es um die Wachstumsstrategien der Solarindustrie bestellt ist, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Reinhard Hafner rechnet mit einer deutlichen Konsolidierung der Branche, mit Übernahmen, auch einige Pleiten hält er für möglich. „Die Branche ist gut aufgestellt, aber die internationale Wirtschaftskrise macht ihr doch zu schaffen.“ Vielleicht eine wahre Quelle von Schrecken, Angst und Panik.

Petra Hannen

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