„Es gibt einen globalen Wettbewerb um die besten politischen Rahmenbedingungen, die Investments anlocken und die Grundlage für eine grüne Wirtschaft legen, die künftigen Wohlstand und Fortschritt sichert.“ Das sagt George Smitherman, Minister für Energie und Infrastruktur und stellvertretender Premierminister von Ontario. Mit einem im Mai verabschiedeten Green Energy Act möchte sich die Provinzregierung „als Führer bei erneuerbaren Energien und Energieeffizienz“ positionieren. In den nächsten drei Jahren sollen 50.000 neue grüne Jobs geschaffen, bis 2015 sechs Gigawatt Energie eingespart und die installierte Leistung erneuerbarer Energien bis 2025 um 25 Gigawatt ausgebaut werden.
Der Green Energy Act setzt hierbei vor allem auf Einspeisetarife nach deutschem Vorbild. Mit gestaffelten Sätzen wird Strom aus Biomasse, Biogas, Deponiegas, Wasserkraft, Wind und Photovoltaik 20 Jahre lang vergütet, die Kosten hierfür werden auf die Stromverbraucher umgelegt. Die vorgesehenen Vergütungssätze für PV sind vor allem bei kleinen Dachanlagen Weltspitze: Strom von Dachanlagen bis zu einer Leistung von zehn Kilowattstunden soll mit 80 kanadischen Cent pro Kilowattstunde vergütet werden (51 Euro-Cent). Die Solarstromvergütung größerer Dachanlagen soll pro Kilowattstunde zwischen 71 und 54 kanadischen Cent liegen, die vorgesehene Vergütung für Freiflächenanlagen bei 44 kanadischen Cent (29 Euro-Cent) und damit etwas unter deutschem Niveau. Doch wird dies durch die höhere solare Einstrahlung wieder aufgefangen: In weiten Teilen Ontarios scheint die Sonne 10 bis 15 Prozent häufiger als in Süddeutschland.
Seit Mitte März diskutiert die Ontario Power Authority (OPA) Details der vorgesehenen Einspeisetarife mit Interessenvertretern. „Der Prozess läuft sehr transparent und offen ab“, lobt nicht nur Torsten Scholl, Vorstand der Omniwatt AG. Das Düsseldorfer Unternehmen hat seit 2007 eine Niederlassung in Ontario und plant dort Freiland- und Dachprojekte mit einer Leistung von 30 Megawatt. Seit Wochen beteiligt sich der Vorstand des deutsch-kanadischen Projektierers zusammen mit anderen Solarbranchenvertretern an den öffentlichen Anhörungen. Aufgrund der Lobbyarbeit verbesserte die Regulierungsbehörde in etlichen Punkten die Förderbedingungen für Photovoltaik. So sollen nach dem aktuellen Vorschlag der OPA Freiflächenanlagen mit einer Leistung bis zu zehn Kilowatt dieselbe Vergütung erhalten wie entsprechende Dachanlagen. Mittelgroße Dachanlagen zwischen 100 und 250 Kilowatt Leistung sollen dieselbe Vergütung wie kleinere Anlagen ab zehn Kilowatt bekommen.
Mitte Mai zog die OPA ihren Vorschlag zurück, für Freiflächenanlagen schon ab einer beantragten Gesamtkapazität von 100 Megawatt installierter Leistung eine Degression von neun Prozent einzuführen. „Dies hätte den Markt für Freiland-PV schon im Keim erstickt“, sagt Jürgen Deffner, Geschäftsführer der Refergy GmbH, die seit 2006 mit einer Niederlassung in Ontario präsent ist und dort Solarparks mit einer Leistung von 115 Megawatt plant. Die Vergütung von Freiflächenanlagen soll nun wie für alle anderen Anlagen alle zwei Jahre von der OPA überprüft werden. Für Freilandanlagen, die von indigenen Gruppen (Aboriginals) betrieben werden, ist ein Bonus von 0,015 Cent pro Kilowattstunde geplant, für Freilandanlagen von sonstigen Gemeinschaften (Communities) ein Zuschlag von 0,010 Cent.
Lotterieverfahren vom Tisch
Vom Tisch scheint nun auch ein Lotterieverfahren für die Auslosung von Solarparkbetreibern, das die OPA am 12. Mai in Toronto präsentierte. Die Regulierungsbehörde wollte damit anscheinend verhindern, dass in der der Anfangsphase zu viele Projekte angemeldet und damit limitierte Netzanschlusspunkte blockiert würden (siehe photovoltaik12/2008). „Durch eine solche Regelung wäre ein offener Markt verhindert worden“, sagt Omniwatt-Vertreter Scholl. Große Projektierer wie First Solar hatten die vorgesehene Regelung ebenfalls kritisiert – und schließlich intervenierte auch Minister Smitherman (siehe Interview). Um den Bau beantragter Solarpark-Projekte sicherzustellen, ist nun allerdings vorgesehen, für die Anmeldung der Anlagen Gebühren zu erheben.
Um Fehler wie in Spanien zu vermeiden, wo hauptsächlich ausländische Unternehmen von den Einspeisetarifen profitieren, setzt die Regierung von Ontario auf einen nationalen Anteil an der Wertschöpfung (Domestic Content) als Voraussetzung für die Programmteilnahme. „Das Gesetz wird Unternehmen mit Sitz und Geschäftsaktivitäten in Ontario bevorzugen, um hier Arbeitsplätze zu schaffen“, betont Energieminister Smitherman. Einzelheiten würden noch ausgearbeitet. Derzeit sei ein Anteil „heimischer“ Produkte und Dienstleistungen von 40 bis 60 Prozent vorgesehen, berichtet Paul Gipe, Spezialist für Einspeisevergütungen, als Vertreter der Green Energy Act Alliance.
Um die heimische Cleantech-Industrie zu stärken, brachte die Regierung bereits im vergangenen Jahr neue Förderprogramme auf den Weg. 1,15 Milliarden kanadische Dollar (724 Millionen Euro) stark ist der „Next Generation of Jobs Fund“. Er fördert Investitionen und die Forschung von Cleantech-Unternehmen, wenn diese mindestens 100 neue Arbeitsplätze in Ontario schaffen. Insgesamt 500 Millionen kanadische Dollar (315 Millionen Euro) stellt die „Advanced Manufacturing Investment Strategy“ für Firmen bereit, die neue Fertigungstechnologien entwickeln. Zusätzlich soll bis 1. Juli ein „Emerging Technologies Fund“ aufgelegt werden. Er stellt insgesamt 250 Millionen kanadische Dollar (157 Millionen Euro) für Investitionen in Start-ups im Cleantech-Bereich bereit.
Noch bis Anfang Juni sollen die Anhörungen der OPA zu Details der Programmgestaltung fortgesetzt werden. Bis Ende Juni sollen die Einspeisetarife dann voraussichtlich in Kraft treten. George Smithermans Vision einer führenden Position Ontarios bei der Green Economy könnte also bald Wirklichkeit werden.
Green Energy Act: Vorgesehene Einspeisetarife für PV | ||
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Euro/kWh | CAD/kWh | |
Dach-/Freiflächenanlagen unter 10 kW | 0,51 | 0,802 |
Dachanlagen zwischen 10 und 250 kW | 0,45 | 0,713 |
Dachanlagen zwischen 250 und 500 kW | 0,40 | 0,635 |
Dachanlagen über 500 kW | 0,34 | 0,537 |
Freiflächenanlagen bis zu 10 MW | 0,29 | 0,443 |
Quelle: Ontario Ministry of Energy, Wechselkurs vom 19.05.2009; www.powerauthority.on.ca |
„Mehr Wertschöpfung hier behalten"
Interview: George Smitherman, stellvertretender Premierminister und Energieminister von Ontario, erläutert die Zielsetzungen und Hintergründe des jüngst verabschiedeten Green Energy Act.
Gratuliere, mit dem nun verabschiedeten Green Energy Act hat sich Ontario an die Weltspitze bei der Förderung der erneuerbaren Energien und der Photovoltaik katapultiert. Welche Ausbauziele haben Sie sich gesetzt?
Wir verfolgen nicht die Strategie, quantifizierte Ausbauziele mit Prozenten und Obergrenzen zu formulieren. Stattdessen haben wir einen Einspeisetarif initiiert, der ziemlich offen ist. Bei der Photovoltaik wollen wir vor allem die Anwendung in den städtischen Regionen fördern, nicht nur auf dem flachen Land. Wenn Sie sich unsere Einspeisetarife anschauen, sehen Sie, dass wir den stärksten finanziellen Anreiz für kleine PV-Anlagen geben, womit den Verbrauchern in den Städten ermöglicht wird, sich an der Produktion von grüner Energie zu beteiligen. Wir wollen unsere Elektrizitätsversorgung dezentralisieren, weg von einigen großen Kraftwerken, hin zu tausenden und hunderttausenden von Mikrokraftwerken. Hierbei spielt die Photovoltaik eine entscheidende Rolle.
Gleichzeitig verzichten Sie nun jedoch auf eine ursprünglich vorgesehene Vergütungsdegression für Freilandanlagen ab einer beantragten Zubaukapazität von nur 100 Megawatt, was nach Ansicht vieler Branchenvertreter den Markt im Keim erstickt hätte. Das heißt, Sie wollen auch den Ausbau größerer Solarparks voranbringen?
Es ist möglich, dass wir im Laufe der Zeit an einen Punkt kommen, wo wir zu viel Photovoltaik haben. Denn wir haben im Vergleich zu Deutschland bereits jetzt viel mehr natürliche erneuerbare Energieressourcen, vor allem im Bereich der Wasserkraft – denken Sie nur an die Niagarafälle. Zudem ist Ontario ja ein ziemlich großer Staat, größer als ganz Europa. Doch wir entschieden uns dennoch auch bei der Förderung der Solarparks, stärker auf den Markt zu setzen. Nun liegt es an den Unternehmen und Investoren zu zeigen, was möglich ist und wie sie Projekte nach vorne bringen können. Alle zwei Jahre können wir ja den Einspeisetarif überarbeiten und an die aktuellenEntwicklungen anpassen.
Kontrovers diskutiert wird derzeit ein von der Ontario Power Authority, der OPA, vorgeschlagenes Lotteriemodell für die Programmbeteiligung von Solarparkbetreibern …
Das ist nicht meine Idee, hier liegt das Problem. Ich halte gar nichts von Lotterien oder Wartelisten. Ich glaube an eine Politik, die Leistung belohnt. Diejenigen Projekte, die am umsetzungsreifsten sind, sollten möglichst realisiert werden können. Wir sind derzeit dabei, Kriterien zu entwickeln, die dies ermöglichen.
Doch gibt es nicht aufgrund von Netzengpässen Restriktionen für einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien in Ontario?
Kurzfristig haben wir eine Netzkapazität für die Einspeisung von mindestens zusätzlich 250 Megawatt und sind derzeit dabei, neue Leitungen für rund 1.500 Megawatt erneuerbar produzierten Stroms zu bauen. In Bälde werden wir weitere Netzkapazitäten schaffen. Das wird uns ermöglichen, mehrere tausend Megawatt Strom aus Wasserkraft, Windkraft, Biomasse, Biogas sowie Solarstrom einzuspeisen und zu verteilen.
Was halten Sie von Visionen einer Vollversorgung mit regenerativen Energien?
Dr. Scheer kommt gerne nach Kanada, um uns zu erzählen, dass wir das machen sollten …
Sie haben aber immer noch Atomkraft …
Sie in Deutschland ja auch, zudem haben Sie auch noch Kohle und bauen sogar noch neue Kohlekraftwerke. Wir dagegen steigen aus der Kohle aus. Das ist die größte Klimaschutzinitiative in ganz Nordamerika. Bis in fünf Jahren schalten wir alle Kohlekraftwerke ab. Bereits im vergangenen Jahr produzierten wir zu 75 Prozent CO2-freien Strom, aus Wasserkraft und Kernenergie. Atomstrom ist seit den 1970er Jahrenein wichtiger Teil unseres Energiemixes und wird weiterhin einen wichtigen Teil unseres Grundlaststroms abdecken. Dies ist unser Regierungskurs, der von den Wählern in Ontario bei den letzten Wahlen bestätigt wurde.
Lassen Sie uns auf die Arbeitsplätze bei den erneuerbaren Energien schauen. Ein wichtiges Ziel des Green Energy Acts ist es, neue Arbeitsplätze in Ontario schaffen, mindestens 50.000 innerhalb der kommenden drei Jahre.
Bei uns gibt es auch Leute, die sagen, dass faktisch sogar mehr neue Arbeitsplätze entstehen werden.
Wie viele neue Jobs wollen Sie im Bereich der Photovoltaik schaffen?
Spezifische Ziele für die einzelnen erneuerbaren Energien haben wir uns nicht gesetzt. Wir werden den Markt zeigen lassen, was möglich ist. Wir haben in Ländern wie Deutschland gesehen, welch großes Beschäftigungspotenzial hier vorhanden ist. Ein Teil der neuen Arbeitsplätze in Ontario wird sicherlich im Bereich der Fertigung entstehen. Derzeit liegt unsere Importquote ja noch sehr hoch. Künftig möchten wir mehr Wertschöpfung hierbehalten.
Wir erlebten ja jüngst in Spanien, dass es nicht ausreicht, nur den Zubau bei den Installationen zu fördern …
Wir müssen beides tun, den Zubau und die Produktion fördern.
Stimmt es, dass nun in Kingston eine neue Solarfabrik mit mindestens 1.200 neuen Arbeitsplätzen entstehen soll?
Das ist eine von vielen Ankündigungen der jüngsten Zeit, neue Fertigungsstätten in Ontario zu schaffen. Das von Ihnen erwähnte Projekt in Kingston soll 2.000 neue Jobs schaffen. Wir werden sehen. Mein Job ist es, die Politik so zu gestalten, dass der Ausbau bei den erneuerbaren Energien vorangeht und Regeln für einen nationalen Anteil an der Wertschöpfung (Domestic Content) geschaffen werden, um mehr Produkte aus Ontario in die Lieferkette zu bekommen.
Steht ein solcher Domestic Content nicht im Widerspruch zu WTO-Regeln und zu Verhandlungen Kanadas mit der EU über ein Freihandelsabkommen?
Wir planen ja keinen 100-prozentigen Domestic Content. Wir wollen nur den Anteil heimischer Produkte und Dienstleistungen erhöhen.Lassen Sie mich hierzu ein Beispiel nennen: Wir haben über 1.000 Megawatt Windleistung in Ontario installiert. Doch der Anteil unserer Wertschöpfung an diesen Projekten beträgt nur 20 Prozent. So produzieren wir beispielsweise Türme für Windkraftanlagen in Ontario, doch sie wurden bisher hier nicht installiert. Uns geht es nun nicht darum, die Grenzen dicht zu machen. Doch wir wollen Anreize dafür schaffen, dass ein Teil der Produkte von auswärts kommt und ein größerer Teil aus Ontario. Und das werden wir auf eine Weise regeln, dass unsere Handelsbeziehungen mit der Europäischen Union und Nordamerika nicht gestört oder verletzt werden.
Der Green Energy Act wurde nun zwar mit großer Parlamentsmehrheit verabschiedet, doch Kritiker wie der energiepolitische Sprecher der größten Oppositionspartei, der Progressive Conservative Party of Ontario, John Yakabuski, weisen auf die hohen Kosten für die Stromverbraucher hin …
Ich denke, dass solche Leute mit einer veralteten Weltsicht argumentieren, denn sie glauben, dass Kohle auch künftig billig sein wird. Andererseits propagieren sie die CO2-Abtrennung (CCS) in Kohlekraftwerken, die sehr teuer ist. Auf diese Weise werden wir sicher keinen Strom mit einem Preis von nur vier Cent pro Kilowattstunde bekommen. Doch eigentlich geht es ja nicht darum, wie hoch der Strompreis ist, sondern wie viel wir verbrauchen. Der Green Energy Act fördert zum einen den Ausbau der erneuerbaren Energien und möchte zum anderen eine Kultur des effizienten Umgangs mit Energie schaffen, der unseren Bürgern ermöglicht, weniger Strom als bisher zu verbrauchen. Wir denken, dass die meisten Haushalte in Ontario ihren Stromverbrauch um mindestens 15 bis 20 Prozent reduzieren können. Dadurch wird auch ihr Geldbeutel entlastet.