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Boom in Nippon

Zwar musste Ena Masui vom Veranstalter Reed Exhibitions bei den Besucherzahlen der World Smart Energy Week 2013, in die die PV Expo eingebettet war, wieder etwas zurückrudern. Offiziell kamen 76.340 Fachbesucher und 1.585 Aussteller – nicht wie zuvor verkündet 125.000 Fachbesucher und 1.890 Aussteller. Aber nichtsdestotrotz war die PV Expo 2013 die erste Solarmesse seit Monaten, bei der eine Boom-Stimmung in der Luft lag und sich vor manchen Messeständen so große Menschentrauben bildeten, dass kaum noch ein Durchkommen war. Neben heimischen Anbietern zeigten vor allem große chinesische Modulhersteller wie Suntech, Yingli, Canadian Solar, Trina, Jinko, ET Solar oder Phono Solar sowie taiwanesische Hersteller wie Motech, Gintech, AUO oder Winaico auf dem Event in Tokio Flagge. Daneben waren auch internationale Projektierer wie Sky Solar, Sunedison oder Juwi und viele Komponentenhersteller präsent.

Ein attraktiver Markt

Klar wurde jedenfalls, dass Japan derzeit einer der weltweit attraktivsten und am stärksten wachsenden Photovoltaikmärkte ist. Die nicht gedeckelte Einspeisevergütung ist auch bei einer geplanten zehnprozentigen Absenkung ab April mit 37,8 Yen (0,30 Euro) pro Kilowattstunde für Anlagen mit mehr als zehn Kilowatt und 38 Yen (0,31 Euro) pro Kilowattstunde für Anlagen unter zehn Kilowatt Leistung immer noch Weltspitze. Zusammen mit niedrigen Bankzinsen, einem starken Umwelt- und Qualitätsbewusstsein, einer großen Planungs- und Rechtssicherheit sowie einem hohen Ersatzstrombedarf durch die Abschaltung der meisten Atomkraftwerke nach der Katastrophe von Fukushima stimuliert die Einspeisevergütung das Wachstum des Photovoltaikmarktes und lockt zudem internationale Firmen an.Besonders ausländische Unternehmen, die qualitativ hochwertige Produkte anbieten, haben auf dem japanischen Markt gute Chancen, wie sich in Gesprächen mit Ausstellern auf der PV Expo in Tokio zeigte. So macht beispielsweise SMA in Japan blendende Geschäfte. Der Wechselrichter-Weltmarktführer eröffnete erst im vergangenen Juni eine Niederlassung in Nippon. Seit September hat das Unternehmen bereits Wechselrichter mit einer Leistung von über 200 Megawatt verkauft, die meisten davon für Großanlagen mit einer Leistung von mehr als 500 Kilowatt, sagt Yoshimi Murakami, Representative Director Japan bei SMA. So liefert das Unternehmen unter anderem 140 Wechselrichter des Typs Sunny Central 500 CP-JP, die für die japanischen Anforderungen modifiziert wurden, für den mit 70 Megawatt bisher größten Solarpark in Kyushu. Für Kleinanlagen werden seit Herbst die Wechselrichter Sunny Boy 3500TL-JP und 4500TL-JP vertrieben, die beide JET-zertifiziert sind, also ein Zertifikat der Japan Electrical Safety & Environment Technology Laboratories haben. Das dreiphasige Modell Sunny Tripower 10.000 TLEE-P sei kürzlich zur JET-Zertifizierung eingereicht worden, so Murakami.

Know-how und Qualität gefragt

Auch bei Schletter brummt das Japan-Geschäft. Der Montagegestellanbieter eröffnete im April vergangenen Jahres eine japanische Niederlassung und verkaufte seitdem schon über 25 Megawatt, davon circa zehn Megawatt für Dachanlagen, sagt Dominik Grützner, Director Schletter Japan. Zugute kommt dem Unternehmen dabei sein jahrelanger Know-how-Vorsprung, vor allem bei größeren Dach- und Freilandanlagen, gegenüber der heimischen Konkurrenz. „Weg wie warme Semmeln“ gingen dem Unternehmen zufolge beispielsweise die Rapid-Modulklemmen, die mit ihrem Klicksystem helfen, 10 bis 20 Prozent der teuren Montagekosten in Japan einzusparen. In Deutschland dagegen würden meist die günstigeren Standardklemmen verkauft, so Grützner. Ein weiterer Pluspunkt sei, dass die meisten japanischen Kun

den „sehr technikbegeistert“ seien und auf hochwertiges Engineering setzen. Nun sei man dabei, neue Produkte einzuführen, die speziell für den japanischen Markt entwickelt wurden, wie beispielsweise Falzklemmen für die weit verbreiteten Blechfalzdächer.

Auch Kurt Krannich, CEO von Krannich Solar, sieht Japan als einen „sehr attraktiven Markt gerade für Unternehmen, die auf Qualität und Service setzen“. Der Großhändler mit Sitz in Süddeutschland eröffnete Anfang Februar seine erste japanische Niederlassung. Der Vertrieb läuft über Wiederverkäufer, hauptsächlich Elektriker.

Japan kann auch für kleinere ausländische Modulhersteller neue Absatzchancen bieten, wie das Beispiel von Luxor Solar mit Sitz in Stuttgart zeigt. „Unser Verkaufsergebnis von 2,5 Megawatt seit vergangenem September übertraf unsere Erwartungen bei weitem“, sagt CEO Volker Leh. Luxor Solar bietet Module mit einer Plustoleranz von 1,5 bis 6,5 Watt an und kooperiert mit einem örtlichen Systemintegrator. Für dieses Jahr rechnet Leh mit einem Absatz von mindestens acht Megawatt, sowohl im Bereich von Anlagen von 15 bis 50 Kilowatt als auch bei größeren Anlagen. Zudem sei man auf der Suche nach einem lokalen Partner für die Auftragsfertigung vor Ort, denn „made in Japan“ sei ein wichtiges Verkaufsargument.

Warnungen vor einer Solarblase

Einen leichten Schatten über die optimistische Messestimmung warfen allerdings einige mahnende Stimmen, die vor einer Marktüberhitzung warnten. „Der derzeitige Einspeisetarif, der zweistellige Renditen ermöglicht, ist viel zu hoch und nicht nachhaltig“, sagt beispielsweise Ash Sharma, Director bei IHS Solar. Wenn die japanische Regierung nicht bald gegensteuere, bestehe die Gefahr, dass der Markt zu stark explodiere – mit allen bekannten negativen Folgen. Die für April geplante zehnprozentige Absenkung der Tarife reiche nicht aus, weitere Schritte müssten folgen. Für dieses Jahr rechnet Sharma mit einem Zubau von fünf Gigawatt, der im kommenden Jahr auf zehn Gigawatt wachsen könne, wenn nicht gegengesteuert werde. Dem tragen allerdings auch bereits die jetzigen Regierungspläne zum Teil Rechnung. Denn das im Juli 2012 gestartete FIT-Programm ist auf drei Jahre begrenzt. Was danach kommt, ist laut Kuniko Misawa, General Manager Marketing Division bei Suntech Japan, noch offen. Entscheidend wird sicherlich auch sein, ob sich der atomfreundliche Kurs des neu gewählten Ministerpräsidenten Shinzo Abe von der Liberaldemokratischen Partei durchsetzt und die 48 abgeschalteten japanischen Atomkraftwerke wieder ans Netz gehen werden.

Doch für die kommende PV Expo Tokio 2014 stehen die Zeichen jedenfalls jetzt schon auf Wachstum. „Wir sind bereits überbucht“, sagt Hajime Suzuki, Direktor des Veranstalters Reed Exhibitions Japan. Schon über 800 Photovoltaikaussteller hätten sich für die kommende PV Expo Tokio registriert, dieses Jahr stellten 558 Photovoltaikfirmen in Tokio aus.

Schletter in Japan

„Wir sind bisher sehr zufrieden“, sagt Dominik Grützner, Direktor von Schletter Japan K.K. Im vergangenen Jahr besuchte der gelernte Metallbautechniker und jahrelange Leiter der Abteilung Technische Beratung Dachsysteme bei Schletter das erste Mal die PV Expo Tokio. Seit Anfang dieses Jahres leitet er die japanische Niederlassung des bayerischen Unternehmens. Keine Probleme habe man beim Markteintritt mit den Anforderungen an die statischen Normen der Montagesysteme entsprechend dem Japanese Industry Standard (JIS) gehabt. Denn die entsprechende Norm C8955:2004 lehne sich stark an die US-Normen an, ein Markt, auf dem Schletter auch schon seit einiger Zeit mitmischt. „Die Statik für Japan zu berechnen ist für uns kein größerer Aufwand als für eine der anderen Weltregionen, in denen wir aktiv sind“, sagt der Schletter-Mitarbeiter. Auch die Zollvorschriften für den Import der Schletter-Montagesysteme aus deutscher, US-amerikanischer oder chinesischer Fertigung seien „kein großes Problem“. Insgesamt müsse man für die Zoll- und Hafengebühren circa zehn Prozent Mehrkosten (bezogen auf den Einkaufspreis) kalkulieren, ein Wert, der im internationalen Durchschnitt liege. Durchschnittlich drei Tage dauere die Zollabwicklung. „Da gibt es keine Schikanen, wir sind sehr zufrieden mit der behördlichen Abwicklung. Sie fordern immer das Gleiche, nicht wie in China, wo man fast schon den Cousin des Beamten kennen muss“, betont Grützner. Sehr wichtig sei es, gute japanische Mitarbeiter zu suchen, die möglichst auch Deutsch und Englisch sprechen. Gute Erfahrungen habe man hierbei mit privaten Arbeitsagenturen vor Ort gemacht. Bei der Auswahl der passenden Firmenform – Schletter Japan K.K. ist eine Aktiengesellschaft, GmbHs gibt es in Japan nicht – habe man mit einem deutschsprachigen Rechtsanwalt im Großraum Tokio zusammengearbeitet, besonders aufwendig sei dies nicht gewesen. „Eher ein Problem“ seien die Währungsschwankungen des Yen. Schletter Japan kauft in Euro ein und verkauft in Yen. So sei der Yen allein innerhalb eines Monats, von Dezember 2012 bis Januar 2013, um 25 Prozent abgewertet worden. Um sich gegen Verluste abzusichern und eine stabile Preisliste anbieten zu können, habe man deshalb mit einer Bank in Deutschland ein einjähriges Währungssicherungsgeschäft abgeschlossen.

Photovoltaikmarkt in Japan

Begünstigende Faktoren
• hohe Sonneneinstrahlung
• hohe, weiter steigende Strompreise (derzeit ca. 26 Yen bzw. 0,21 Euro je Kilowattstunde)
• hoher Energiebedarf (derzeit nur 2 der 50 Atomreaktoren in Betrieb)
• hohe politische Bedeutung der Energieunabhängigkeit
• hohe finanzielle Anreize (Einspeisevergütung, nationale Investitionszuschüsse,
lokale Förderung)
• günstige Bankenfinanzierung (Kreditzinsen ein bis drei Prozent)
• hohe Rechtssicherheit
• hohes Umweltbewusstsein
• Technikbegeisterung/hohes Qualitätsbewusstsein
Behindernde Faktoren
• hohe Systempreise (273.000 bis 437.000 Yen bzw 2.191 bis 3.507 Euro je Kilowatt)
• hohe Landpreise (für Solarparks)
• bisher kein privilegierter Netzzugang für Großanlagen ab einem Megawatt
(Einzelverträge nötig)
• Pro-Atomkraft-Politik des neuen Ministerpräsidenten Shinzo Abe

Tipps für den Markteinstieg

• enge persönliche Kontakte aufbauen und pflegen
• starke lokale Partner und möglichst mehrsprachige japanische Mitarbeiter suchen
• Sprachbarrieren nicht unterschätzen (inkl. Übersetzungsaufwand für technische Dokumente)
• Branding, Service und hohe Qualität wichtig
• großes Potenzial für Produkte/Services, die die hohen BOS-Kosten (insbes. Installation) senken; vor allem bei Großanlagen haben japanische Anbieter bisher wenig Know-how
• Zeitzonenunterschied bei der Kommunikation beachten
• mehrmonatigen Zeitaufwand für die Firmengründung sowie JET-Zertifizierung und J-PEC-Listung für Anlagen unter zehn Kilowatt nicht unterschätzen, die Listung von Modulen ist Voraussetzung für die Beantragung eines einmaligen Investitionszuschusses in Höhe von 48.000 Yen bzw. 385 Euro je Kilowatt (bis maximal 479.520 Yen bzw. 3.848 Euro)
• Firmenzentrale im Großraum Tokio kommt gut an, weil Japan ziemlich zentralisiert ist
• Absicherung gegen Währungsschwankungen empfehlenswert

Hans-Christoph Neidlein

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