Nach der Katastrophe in Fukushima ging es Schlag auf Schlag. Als erste Reaktion ordnete die chinesische Regierung eine umfangreiche Sicherheitsprüfung von sämtlichen Atomreaktoren in der Planungs- und Bauphase an. Anfang April wurden die Ausbauziele der Photovoltaik im Land verdoppelt, von bisher fünf Gigawatt auf zehn Gigawatt bis 2015, dem letzten Jahr des neuesten Fünfjahresplans. Mitte April meldete sich dann ein Verband chinesischer Solarunternehmen mit der Absicht, dem regierenden Staatsrat einen noch ehrgeizigeren Plan vorzutragen, der Ausbauziele von 15 Gigawatt bis 2015 und 50 Gigawatt bis 2020 vorsieht. Laut dem chinesischen Wirtschaftsmagazin Caixin sollen diese neuen Ziele bis Jahresende von der Zentralregierung verabschiedet werden.
Neue Ausbauziele
Inzwischen scheinen diese neuen Ziele tatsächlich zu gelten. Diesen Eindruck kann man jedenfalls bekommen, wenn man Wang Sicheng auf der Intersolar zuhörte. Der Experte der staatlichen Planungsbehörde NDRC (National Development and Reform Commission) ging mit seinen Vorstellungen sogar noch weiter. Er schloss sich der jüngsten Forderung der chinesischen Solargemeinde an, diebis 2020 gerne 100 Gigawatt installieren würde, da 50 Gigawatt installierte Photovoltaikleistung nur 0,5 Prozent der gesamten chinesischen Stromerzeugung ausmachen würden – wenig angesichts der Absicht, bis 2020 15 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien zu generieren.
Dass Chinas Energiepolitik für den heimischen Photovoltaikmarkt im Umbruch ist, dürfte dabei besonders auch die Herzen der Solarmanager in Europa und Nordamerika höher schlagen lassen. Bisher hat China den eigenen Markt kaum entwickelt, und die dortigen Modulhersteller haben mit ihren enormenProduktionskapazitäten den Markt hierzulande zu Billigpreisen bedient. Angesichts der Größe Chinas mit 1,3 Milliarden Einwohnern könnte die jetzige Entwicklung zu einer steigenden Binnennachfrage und zu einem ausgewogeneren und tragfähigeren Wirtschaftsmodell führen.
Diese Kritik an der bisherigen Situation war auch ein Grund, um den Photovoltaikausbau im Land deutlich zu beschleunigen. Allerdings dürfte eine gewichtigere Rolle spielen, dass China einen riesigen Energiehunger hat und mit einem stärkeren Binnenmarkt seine eigene Solarindustrie weiter fördern kann. Er würde es zum Beispiel auch erlauben, Produkte und Dienste mit einer höheren Wertschöpfung zu entwickeln.
Bieterverfahren statt Umlage
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie China am besten seinen heimischen Photovoltaikmarkt fördern kann. Eine nationale Einspeisevergütung wurde bisher nicht beschlossen – trotz der Tatsache, dass ein derartiges System bereits für andere Erneuerbare in China existiert. So beträgt die Vergütung in der Windbranche je nach Standort 0,51 bis 0,61 Renminbi pro Kilowattstunde, umgerechnet etwa 5,5 bis 6,5 Euro-Cent. Ende 2010 waren schon Windkraftanlagen mit einer Leistung von 41,8 Gigawatt installiert, ein Vielfaches mehr als die installierten 800 Megawatt Photovoltaikleistung.
Allerdings gab es die Einspeisevergütung für Windkraft auch erst nach einigen Jahren der Entwicklung. In einer Anfangsphase organisierte die chinesische Regierung eine Reihe von Bieterprojekten, um die Marktkonditionen auf dem Windmarkt besser zu erfassen. Das macht verständlich, dass jetzt ein ähnlicher Prozess in der Photovoltaikbranche läuft. Von den derzeit drei nationalen Förderprogrammen ist das erste ebenfalls ein Bieterverfahren, das seit März 2009 Freilandanlagen im Westen Chinas unterstützt, wo es bessere Einstrahlungswerte gibt als im Osten.
Kernstück des dreiteiligen nationalen Fördersystems ist aber das Programm, das Ende 2009 gestartet wurde. Unter dem offiziellen Titel „Golden Sun Demonstration Project“ gab es bisher zwei getrennte Phasen. In der ersten Phase wurden 98 Projekte mit einer Gesamtleistung von 201 Megawatt gefördert, in der zweiten Phase sollen 50 Projekte mit einer Kapazität von insgesamt 272 Megawatt gefördert werden. Im Oktober 2010 wurden diese Projekte der letzten Runde genehmigt mit der Auflage, die Projektrealisierung binnen eines Jahres durchzuführen. Anders als bei dem zuerst erwähnten Bieterprogramm im Westen Chinas liegt der Fokus von Golden Sun auf Dachinstallationen in oder in der Nähe von Stromverbrauchszentren, sprich in den Ballungszentren Chinas. Photovoltaik kann da ihre Stärken ausspielen, denn sie erzeugt die Energie dort, wo sieverbraucht wird. Kohle, mit der 70 Prozent des Stroms hergestellt werden, muss dagegen von den Bergwerken im Westen in den Osten transportiert werden. Im Dezember 2010 nannte das Finanzministerium als Ziel für Golden Sun, ab 2012 pro Jahr ein Gigawatt zu installieren. Es ist zu erwarten, dass sich das noch erhöht, um den neuesten Entwicklungen Rechnung zu tragen.
Chance für Europäer
Wie können ausländische Unternehmen an diesem Wachstumsmarkt partizipieren? Zuerst eine Warnung: Golden Sun und die zwei anderen nationalen Förderprogramme sind nicht so großzügig wiedie Förderung im Westen. Das wurde vergangenen Dezember deutlich, als Chinas Finanzministerium die Gewinner einer öffentlichen Ausschreibung für Kernkomponenten von Golden-Sun-Anlagen bekannt gab. Zu den Kernkomponenten gehören Solarmodule, Wechselrichter und Batterien; die erfolgreichen Bieter hatten Wattpreise von 10,5 bis 11 Renminbi (1,14 bis 1,19 Euro) bei Modulen, 0,86 bis 1,3 Renminbi (0,09 bis 0,14 Euro) bei Wechselrichtern und 0,48 bis 0,69 Renminbi (0,05 bis 0,08 Euro) bei Batterien. Das ist deutlich weniger als in Europa und Nordamerika. Wenn chinesische Firmen trotzdem mitmachen, dann nicht um reich zu werden, sondernum Vorreiter in einem zunehmend attraktiven Markt zu sein.
Eine ähnliche Markteinschätzung ist natürlich auch für nichtchinesische Firmen denkbar, außerdem sind die Hürden bei Golden Sun nicht mehr so hoch wie früher. Im ersten Schritt muss jeder Golden-Sun-Lieferant eine Golden-Sun-Zertifizierung erlangen, bevor er an einer Ausschreibung von Photovoltaik-Kernkomponenten teilnehmen kann. Das Zertifikat kann er in China bei der Zertifizierungsbehörde CGC beantragen oder bei einer Organisation wie dem TÜV Rheinland, der mit CGC eine Partnerschaft eingegangen ist, um Golden-Sun-Zertifizierungen auch im Ausland anbieten zu können. Laut Ulrike Therhaag vom TÜV Rheinland in Shanghai bietet der TÜV Rheinland „einen One-Stop-Zugang zur Golden-Sun-Zertifizierung in allen sechs Testzentren weltweit, inklusive China (Festland), Taiwan, Japan, Indien, USA und Deutschland. Damit bieten wir eine einfache Möglichkeit für ausländische Modulhersteller, die Zugang zu Golden Sun und dem chinesischen Photovoltaikmarkt wollen.“ Eine Golden-Sun-Zertifizierung basiert auf den IEC-Standards 61215 (Kristallinmodule), 61646 (Dünnschichtmodule) und 61730 (Sicherheitsstandards für Kristallin- und Dünnschichtmodule). Einer Zertifizierung steht nichts mehr im Wege, wenn diese Standards erfüllt sind.
Zertifizierung machbar
Eine Golden-Sun-Zertifizierung ist also deutlich leichter geworden. Und in der zweiten Jahreshälfte sollte sich eine weitere Gelegenheit bieten, sich als Komponentenhersteller für Golden-Sun-Projekte zu bewerben. Zuständig in der Zentralregierung ist das Finanzministerium, und im Bieterprozess arbeitet die Zertifizierungsbehörde CGC eng mit dem Finanzministerium zusammen. Es würde kaum überraschen, wenn die gebotenen Preise weiter nach unten gehen, da die Produkte erfahrungsgemäß preiswerter werden und der chinesische Markt nach Fukushima an Attraktivität gewonnen hat. Zugang zu Golden Sun ist nicht nur für Hersteller offen. Auch Systemintegratoren und Projektentwickler können an diesem Programm teilnehmen. Hersteller bekommen eine staatliche Subventionierung von 50 Prozent bei Kernkomponenten, also bei Modulen, Wechselrichtern und Batterien, die beiOffgrid-Installationen sogar 70 Prozent beträgt. Projektentwickler können vier bis sechs Renminbi (0,44 bis 0,65 Euro) pro Watt für die Systemintegration bekommen. Die höhere Vergütung betrifft gebäudeintegrierte Installationen.
Im Regelfall holt der Projektentwickler von den Golden- Sun-Herstellern Kaufverträge ein, bevor er seinen Förderantrag beim Finanzministerium stellt. Kernkomponenten-Lieferanten erhalten ihre Förderung von 50 beziehungsweise 70 Prozent direkt vom Finanzministerium, und der Förderbetrag wird durch die vom Finanzministerium veröffentlichten Preise gedeckelt, die in der sogenannten „Key Equipment Shortlisted Company List“ aufgelistet sind. Ein Beispiel: Bestellt der Projektverantwortliche seine Module bei Yingli, kann die Golden-Sun-Förderung nicht mehr als 5,25 Renminbi pro Watt betragen, also 50 Prozent des festgesetzten Lieferpreises von 10,5 Renminbi pro Watt. Natürlich wird Yingli auch vom Kunden Geld für seine Module fordern, aber dieser Teil des Geschäfts ist rein kommerzieller Art und nur Sache zwischen Kunden und Lieferanten. So kann Yingli weitere 5,25 Renminbi pro Watt bekommen – oder mehr beziehungsweise weniger.
Wird das Golden-Sun-Projekt von der Regierung genehmigt, fließen zunächst 70 Prozent der Fördermittel. Die restlichen 30 Prozent werden erst nach finaler Prüfung der fertiggestellten Anlage ausbezahlt. Die Zertifizierungsbehörde CGC kann auch diesen Teil übernehmen und den sogenannten „Project Completion Acceptance Report“ erstellen. Dieser Bericht richtet sich nach den technischen Standards, die in den „Basic Requirements of Project Acceptance for the Grid-Connected Photovoltaik Power System (CNCA/CTS 0004-2010)“ spezifiziert werden. Werden die dort beschriebenen technischen Standards eingehalten, kann auch der Projektverantwortliche den Bericht erstellen und anschließend an die National Energy Administration (NEA) übergeben. Schließlich können die restlichen Fördermittel nach Genehmigung der NEA ausbezahlt werden.
Schlechte Netzintegration sorgt für Probleme
Trotz der Optimierungen auf der Golden-Sun-Seite bleibt die schlechte Netzintegration ein großes Problem in China. Das hat gerade den Windmarkt stark getroffen. Für Golden-Sun-Projekte ist das weniger ein Problem, da dort die Stromerzeugung in den Ballungsgebieten erfolgt und nicht im weit entfernten Inland. Das wurde vergangenen Dezember deutlich, als die Zentralregierung 13 sogenannte „demonstration zones“ vorstellte, Vorzeigeparks für das Golden-Sun-Programm. Diese Parks sind Industriegebiete innerhalb von Chinas Ballungszentren und schließen unter anderem Industriegebiete in Peking (Yizhuang) und Shanghai (Zhangjiang) ein. Letztendlich werden damit Photovoltaik-Cluster in den Großstädten gebildet, was die Netzintegration erleichtert, da bei einem zentralen Cluster nur ein statt mehrerer Standorte ans Netz gebracht werden muss. Diese Industriestandorte werden gleichzeitig etwas weniger abhängig vom herkömmlichen Netz, ein Vorteil gerade zur Sommerzeit, wenn es dort regelmäßig zu Ausfällen kommt.
Diese Golden-Sun-Cluster werden voraussichtlich Projekte mit einer Kapazität von zehn bis 20 Megawatt umfassen. Nichtchinesische Unternehmen, die den Projektentwicklern in diesen Golden-Sun-Clustern Waren und Dienstleistungen anbieten können, finden so eine gute Gelegenheit für den Einstieg in den chinesischen Markt.