Wie stellt sich ein Vertriebsmanager aus der Solarbranche das Paradies vor? Vielleicht so: Eine Einspeisevergütung von bis zu 52 Cent pro Kilowattstunde bei mindestens 1.300, vielerorts sogar 1.600 Kilowattstunden Sonneneinstrahlung pro Quadratmeter und Jahr. Weite, landwirtschaftlich ungenutzte Flächen für Solarparks, gutes Essen und hunderte Kilometer Traumstrände, die dazu einladen, an die Dienstreise noch ein Badewochenende dranzuhängen.Das Paradies gibt es wirklich – wir sprechen von Griechenland. Mit seinen hervorragenden klimatischen Bedingungen und der mehr als großzügigen Förderung – 52 Cent für Dachanlagen bis zehn Kilowatt, 37,6 Cent für Anlagen bis hundert Kilowatt Leistung und 33,4 Cent für größere Installationen, alles bezogen auf einen Netzanschluss bis August kommenden Jahres; danach sinkt die Vergütung um wenige Cent – bietet das Land beste Voraussetzungen für einen Solarboom sondergleichen. Doch bislang sind die Installationszahlen mehr als mau. Im laufenden Jahr rechnen die Marktforscher von IHS iSuppli mit einem Zubau von etwa 320 Megawatt. Zwar ein starkes Wachstum im Vergleich zum Vorjahr, jedoch auf sehr niedrigem Niveau. Insgesamt liegt die installierte Leistung bei nur 500 Megawatt; gerade mal ein Vierzigstel dessen, was hierzulande am Netz ist.
Seit einiger Zeit setzt die griechische Regierung jedoch auf göttlichen Beistand: Im Namen des Sonnengotts Helios stellte Energie- und Umweltminister Giorgos Papakonstantinou, der auch der neuen Übergangsregierung angehört, auf der Hamburger PVSEC-Konferenz ein Großprojekt vor, das in der Branche wie in der Politik für Aufsehen sorgte. Der Umweltminister will Investoren dazu bringen, XXL-Anlagen zu errichten, die Solarstrom für den Export nach Deutschland erzeugen. Die Kapazität der Anlagen soll bis 2020 bei 2,2 Gigawatt, bis 2050 bei zehn Gigawatt liegen. Entstehen sollen sie auf rund 200 Quadratkilometer Fläche in ehemaligen Braunkohle-Abbaugebieten im Norden des Landes, die in Staatsbesitz sind und langfristig verpachtet werden könnten. Die Regierung will dabei als eine Art „All-Inclusive“-Anbieter auftreten, der den Projektierern alle Genehmigungs- und Verwaltungsprozesse abnimmt. Papakonstantinou rechnet mit Investitionskosten von insgesamt 20 Milliarden Euro.
Viele offene Fragen
Die Ankündigung war ein echter Paukenschlag. Doch kaum war der verhallt, begann das Rätselraten, wie das Projekt denn konkret umgesetzt werden soll. Vor allem die Vorstellungen Papakonstantinous zur Refinanzierung sorgten für Kopfschütteln: Er schlug vor, das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für griechischen Solarstrom zu öffnen. Unterstützung bekam er von Horst Reichenbach, der die EU-Taskforce leitet, die Griechenland bei den anstehenden Reformen unterstützen soll.Doch Bundesumweltminister Norbert Röttgen und viele andere Politiker erhoben postwendend Einspruch. Diese Botschaft ist in Athen angekommen, meint der Erneuerbare-Energien-Experte der grünen Bundestagsfraktion Hans-Josef Fell. Er traf den griechischen Energie- und Umweltminister Mitte Oktober zu einer Unterredung. „Papakonstantinou hat verstanden, dass niemand in Deutschland das EEG für Griechenland öffnen kann und will. Denn wenn das geschähe, müsste man das auch diskriminierungsfrei für alle anderen EU-Länder tun. Das geht aber nicht, weil sonst die deutschen Stromkunden alle Solarprojekte Europas finanzieren würden“, sagt Fell. Stattdessen bringt der Grünen-Politiker eine andere Idee ins Spiel. „Wenn es privatwirtschaftliche Aktivitäten gäbe, etwa von Eon, Atomstrom durch griechischen Solarstrom zu ersetzen, soll mir das recht sein. Ein solcher Ansatz könnte tragfähig sein.“ Vorbild für diesen Gedanken ist die Desertec-Initiative, die unter anderem von RWE und Eon vorangetrieben wird.
Offen ist auch, wie der Strom von Griechenland nach Deutschland gelangen soll. Bis zu 2,5 Gigawatt könnten über bestehende Leitungen transportiert werden, meint Umweltminister Papakonstantinou. Langfristig müsse aber die Verbindung über den Balkan nach Mitteleuropa ausgebaut werden. Finanziert werden sollen die neuen Netze – wie auch die Anlagen selber – mit Beteiligung von Förderbanken, etwa der Europäischen Investitionsbank oder derKreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Dies soll es anderen Investoren leichter machen, sich ebenfalls zu engagieren.
Stefanos Melissopoulos, Geschäftsführer der griechischen Niederlassung von Conergy, begrüßt die Idee, für die Entwicklung der Photovoltaik in Griechenland Förderbanken mit ins Boot zu holen.„Sie könnten den Markt anschieben.“ Hermann Klughardt, geschäftsführender Gesellschafter des auf erneuerbare Energien spezialisierten Emissionshauses Voigt & Collegen, sieht das ähnlich, weist aber darauf hin: „Erst mal müssen Projekte entwickelt werden. Da liegt das größte Risiko: Was passiert, wenn ich bei der Planung von Solarparks in den bürokratischen Mühlen hängen bleibe? Erst wenn man da durch ist, kann man Schritt für Schritt Investoren suchen.“ In der Tat ist die Genehmigungspraxis eine von zwei hohen Hürden, die für das Hinterherhinken Griechenlands beim Ausbau der Photovoltaik verantwortlich sind. „Die administrativen Hindernisse machenes unmöglich, in einem absehbaren Zeitrahmen Projekte umzusetzen“, berichtet Klughardt. Sein Unternehmen ist wegen der bürokratischen Hindernisse nicht in Griechenland engagiert. Er erzählt von einem griechischen Projektentwickler, der ihm im Dezember 2007 seine Pläne für einen Solarpark vorstellte. Einige letzte Genehmigungen fehlten noch. „Er war sich damals sicher, in vier Wochen mit dem Bau starten zu können. Ich glaube, diese vier Wochen laufen heute immer noch“, sagt Klughardt.
Hohe Hürden
Die griechische Regierung hat das Problem erkannt. Minister Papakonstantinou hat den Vertretern der deutschen Solarbranche während des Besuchs von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler im Oktober zugesagt, die Genehmigungsverfahren für Photovoltaikanlagen deutlich zu straffen. Bereits im Sommer vergangenen Jahres fielen einige administrative Hürden. Klughardt allerdings ist skeptisch, ob das reicht: „Die Regierung ist gewillt, die Prozesse zu vereinfachen, keine Frage. Aber das nützt nichts, wenn die Stellen, die die Genehmigungen dann tatsächlich erteilen, so viele Hindernisse errichten, dass die Vorgaben von oben nicht umgesetzt werden. Der griechische Verwaltungsapparat ist nicht mal in der Lage, zügige Abläufe zu schaffen, um ausstehende Steuern einzutreiben.“ Selbst wenn die Regierung mit dem Bürokratieabbau tatsächlich erfolgreich wäre, wird das Land für die Geldgeber damit nicht automatisch attraktiver. „Über allem schwebt ein Damoklesschwert: Was passiert, wenn Griechenland aus dem Euro aussteigt“, sagt Klughardt. Dann nämlich würden die Erlöse aus den Solarprojekten in der neuen Währung ausgezahlt werden, während die Finanzierung noch in Euro läuft. Zwar könne vertraglich festgehalten werden, dass das Darlehen in die neue Währung konvertiert wird. Dennoch sei es schwer, das Vertrauen der Investoren zu gewinnen – „auch aus emotionalen Gründen, denn kaum jemand mag sich auf die Sicherheit solcher Verträge verlassen“, sagt Klughardt.
Auch Conergy-Manager Melissopoulos sieht in der Finanzierungsfrage einen Schlüssel für den Ausbau der Photovoltaik in Griechenland. „Wir kennen viele Investoren, die über baureife Projekteverfügen, aber noch auf eine Finanzierungszusage warten. Da herrscht zurzeit Stillstand. Alle warten, wie es weitergeht“, so Melissopoulos. Darunter leidet auch Conergy selbst, die bereits seit 2004 im Land aktiv sind und heute zu den Marktführern gehören: Von den im vergangenen Jahr mit einem Rahmenvertrag besiegelten Projekten mit einem 32-Megawatt-Volumen ist derzeit noch nicht ein einziges im Bau, weil dem lokalen Investor die Finanzierung nicht gelingt. Ursprünglich sollte Mitte dieses Jahres der erste Spatenstich stattfinden. Allerdings konnte Conergy in diesem Jahr bereits sechs Megawatt aus anderen Projekten ans Netz bringen.
Nur wenig besser sieht es bei den kleinen, privaten Dachanlagen aus. „Dieser Markt läuft einigermaßen, könnte aber noch viel besser sein“, sagt Melissopoulos. Angesichts der Sparmaßnahmen der Regierung und der Gehaltskürzungen seien die Griechen zurzeit sehr vorsichtig und hielten ihr Geld zusammen. „Sie warten lieber ab, bevor sie in eine Dachanlage investieren – auch wenn dies ein sicheres und lukratives Investment ist“, sagt der Conergy-Manager.
Helios macht Hoffnung
Trotz der vielen offenen Fragen sehen viele in der Solarbranche in der Helios-Initiative einen wichtigen Denkanstoß, um den griechischen Solarmarkt voranzubringen. „Helios ist durchaus eine wertvolle Diskussionsgrundlage, ähnlich wie Desertec. Es löst wichtige Debatten aus, etwa darüber, wie sich die Leitungsprobleme lösen lassen könnten“, sagt Klughardt. Zugleich betont er aber: „So, wie die Pläne jetzt angedacht sind, halte ich sie für nicht umsetzbar.“ Melissopoulos weist darauf hin, dass Helios langfristig angelegt ist: „Es wird sich über Jahrzehnte erstrecken. Wenn man dies jedoch in Phasen umsetzt, hätte man genug Zeit, Lösungen für offene Fragen wie die Vergütung oder den Netzausbau zu finden.“ Und der griechische Solarverband Helapco warnt davor, schon heute Antworten auf alle Herausforderungen zu erwarten. „Helios ist momentan nicht mehr als ein Konzept, es gibt noch nichts Konkretes“, sagt dessen Geschäftsführer Stelios Psomas.
Bleibt die Frage, ob mit Helios nicht auch die Vertreibung aus dem Paradies eingeleitet wird – ähnlich wie in Spanien, wo exzellente Förderbedingungen zu einem Solarboom sondergleichen geführt haben. Mit der Folge, dass die Vergütung radikal gekürzt wurde, was den spanischen Markt hat zusammenbrechen lassen. Energieexperte Hans-Josef Fell sieht diese Gefahr nicht. „Natürlich ist die Vergütung in Griechenland sehr hoch. Aber wer Kredite nur zu extrem hohen Zinsen bekommt, hat eine ganz andere Reamortisierung“, sagt der Grünen-Politiker. Schon allein dies verhindert, dass die Installationszahlen binnen kurzer Zeit nach oben schießen werden. „Eine Überhitzung des Marktes wird es deshalb nicht geben“, meint Fell. Melissopoulos geht davon aus, dass die griechische Regierung aus den Fehlern anderer Länder gelernt hat. „Ich erwarte zwar eine Anpassung, da auch die Systempreise nach unten gegangen sind, aber keinen abrupten Abbruch“, sagt der Manager. Das wäre auch im Sinne von Helapco. „Wir brauchen einen gesunden Markt, der sich entwickelt – und zwar in einer Gangart, die sich noch beherrschen lässt“, sagt Stelios Psomas.