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Für den Heimatmarkt

Randy Tallon ist ein Machertyp: schwarze Lederjacke, Glatzkopf, ein Grinsen im breiten Gesicht, aufmerksame blaue Augen, schneller Gang und ein kräftiger Händedruck. Und er hat eine Botschaft sowie eine Mission: „Sault Ste. Marie ist die Hauptstadt der alternativen Energien in Nordamerika.“ Bescheidenheit buchstabiert sich anders. Doch bereits auf dem Weg vom Flughafen ins Zentrum der 75.000 Einwohner zählenden Provinzstadt im Südosten Ontarios wird deutlich, dass der International Relations Director der lokalen Wirtschaftsförderungsagentur nicht nur Sprüche klopft.

Auf den waldigen Hügeln ragen die 126 Windturbinen der 189 Megawatt starken Prince-Wind-Farm in die Höhe. Fünf Wasserkraftwerke rund um die Stadt liefern jährlich rund 203 Megawatt sauberen Strom. Zwei örtliche Firmen arbeiten an der Biodiesel- und Methangasaufarbeitung. Das Stahlwerk Esser Steel Algoma produziert 50 Prozent seiner Energie mit Kraft-Wärme-Kopplung selbst. Und auch in Sachen Photovoltaik muss sich die von den Franzosen im 17. Jahrhundert gegründete alte Trapperstadt direkt am St. Mary‘s River, der den Lake Huron mit dem Lake Superior verbindet, nicht verstecken. Links und rechts einer Zufahrtstraße zur örtlichen Schule und in unmittelbarer Nähe einer Stromleitung blinken tausende von Modulen der ersten beiden Bauabschnitte eines auf 60 Megawatt projektierten Solarparks in der spätherbstlichen Sonne.

Stolz postieren sich Wirtschaftsförderer Randy Tallon, Robert Reid, Chef des örtlichen Energiedienstleisters N-Sci Technologies, sowie Richard H. Weiss vom Betreiber Starwood aus dem US-amerikanischen Connecticut vor dem eingezäunten Solarfeld. „Bisher lief alles nach Plan“, sagt Starwood-Direktor Weiss. „Die örtliche Unterstützung und Akzeptanz ist hervorragend.“ Auftragnehmer des Großprojektes ist Q-Cells International, finanziert wurde das Vorhaben laut Weiss maßgeblich über die US-Niederlassung der Norddeutschen Landesbank. Der Vertrag kam schon unter dem Renewable Energy Standard Offer Program (RESOP) der Provinz zustande, also bevor am 1. Oktober 2009 die Einspeisevergütung (FIT Program) startete. Entsprechend den RESOP-Regelungen wird der eingespeiste Strom der Anlage mit 42 kanadischen Cent (31,4 Euro-Cent) pro Kilowattstunde vergütet.

Vor-Ort-Produktion als Pflicht

Der Tarif des FIT Program für Solarparks mit einer Leistung von zehn Kilowatt bis zehn Megawatt ist mit 44,3 kanadischen Cent je Kilowattstunde (33,1 Eurocent) etwas höher. Voraussetzung für die Vergütung ist nun jedoch, dass der Anlagenbetreiber, der sich bei der Ontario Power Authority (OPA) um einen FIT-Vertrag bewirbt, sicherstellt, dass sein Projekt den Ansprüchen des Ontario Domestic Content (DC) genügt, also zum Beispiel vor Ort produziert Komponenten eingesetzt werden. Diese Regelung gilt grundsätzlich für alle Anlagentypen: Betreiber von Freiflächen- und Aufdachanlagen müssen seit dem 1. Januar 2011 einen DC-Anteil von 60 Prozent nachweisen. Das heißt, dass 60 Prozent des Gesamtwerts eines Projekts in Ontario generiert werden müssen.

Hierzu legte die OPA für Dünnschicht- und kristalline Projekte einen Schlüssel mit qualifizierenden Prozentwerten für verschiedene Projektbestandteile und -schritte vor, der die Grundlage für die DC-Berechnung ist. Wenn für kristalline Photovoltaikprojekte beispielsweise in Ontario hergestelltes Silizium verwendet wird, wird dies mit elf qualifizierenden Prozent veranschlagt, in Ontario gefertigte Zellen schlagen ebenfalls mit elf Punkten zu Buche, in der Region montierte, verdrahtete und getestete Wechselrichter mit acht Punkten. Wenn bei den Konstruktionskosten und der Arbeit vor Ort die Tätigkeit substanziell von Einwohnern Ontarios verrichtet wird, bringt das 18 Prozentpunkte. „Der Betreiber kann sich auf diese Weise aussuchen, welche der Komponenten und Dienstleistungen seiner Anlage made in Ontario sind und welche nicht. Entscheidend ist, dass er den geforderten Gesamtanteil des Domestic Content erreicht“, betont Leo Tasca, Manager Renewable Energy beim Ministerium für Energie und Infrastruktur in Toronto.

Doch gibt es überhaupt genügend Anbieter in dem noch jungen Photovoltaikmarkt Ontario? Bis Ende 2010 konnte ein Betreiber einer Anlage über zehn Kilowatt mit kristallinen Modulen auch dann auf den geforderten Domestic-Content-Anteil kommen, wenn er Planung und Installation an Einwohner vergab und Wechselrichter, Montagegestelle, Stecker und Kabel „made in Ontario“ einsetzte. Für diese Komponenten gibt es eine ganze Reihe von Anbietern vor Ort.

Doch seit dem 1. Januar 2011 müssen auch entweder Module, Zellen, Wafer oder Silizium aus Ontario kommen, um einen 60-prozentigen DC-Anteil erfüllen zu können – Komponenten, die bisher kaum in der Provinz gefertigt werden. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass sich dies bald ändern wird“, entgegnet Ministeriumsmitarbeiter Tasca und verweist auf eine aktuelle Liste der Hersteller von Photovoltaikequipment in Ontario, in der über ein Dutzend Modulhersteller genannt sind, die bis spätestens Juli 2011 in Ontario produzieren wollen.

Einer davon, Heliene Canada, ein Tochterunternehmen der spanischen Helios Europe, hat seinen Sitz im neuen Gewerbegebiet von Sault Ste. Marie. „Freie Wochen enden habe ich schon seit Wochen nicht mehr“, sagt Präsident Martin Pochtaruk und winkt einem Gabelstapelfahrer zu, der gerade eine Palette mit Maschinenteilen anliefert. Die Zelllinien in der Halle laufen schon, die Laminatoren sind aufgebaut, die ersten produzierten Module liegen aufgestapelt, doch „wir warten noch auf die Installation der Flasher, bevor wir Ware ausliefern können“, sagt Pochtaruk. Die Maschinen kommen laut Pochtaruk hauptsächlich aus Spanien, Zellen bezieht Heliene Canada von Sunways, Bosch Solar, Arise Technologies und Suniva. Die aktuelle Produktionskapazität sei auf 50 Megawatt ausgelegt, bis zum Frühjahr wolle man auf 80 Megawatt ausbauen. „Im Moment sind wir der größte Modulproduzent in Ontario“, sagt Pochtaruk stolz. Finanziert habe man das zehn Millionen kanadische Dollar teure Werk hauptsächlich über private Investitionen.

Örtliche Zulieferer fehlen

„Wir versprechen uns als Early Mover einen Wettbewerbsvorteil, vor allem da seit 1. Januar die verschärften Anforderungen des Domestic Content beim FIT Program gelten“, betont Pochtaruk. Eine Herausforderung sei jedoch das fehlende Umfeld von örtlichen Zulieferern, viele Produkte wie Glas, Backsheets oder Junction Boxes müssten deshalb noch von Europa bezogen werden. „Wir arbeiten jedoch daran, Lieferanten wie Coveme davon zu überzeugen, sich vor Ort anzusiedeln“, ergänzt Pochtaruk. Dass es zu Modulengpässen kommt, glaubt er nicht, denn andere größere Hersteller wie

Canadian Solar oder Siliken würden ja ebenfalls bald Module „made in Ontario“ anbieten. Zudem rechnet er nicht damit, dass alle Projekte, die bei der OPA beantragt wurden, in den kommenden Monaten gebaut werden, „denn die müssen ja erst mal finanziert sein“. Und gerade bei der Bankability sieht auch Wirtschaftsförderer Randy Tallon noch Nachholbedarf: „Da muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, viele Banken wissen noch wenig mit Photovoltaik anzufangen.“ Nach offiziellen Angaben schloss die OPA unter dem FIT Program bisher 905 Verträge für Photovoltaikprojekte über zehn Kilowatt mit einer Gesamtleistung von 732 Megawatt ab; in Betrieb, genehmigt oder finanziert ist bislang aber nur ein Bruchteil. Martin Pochtaruk erwartet, dass 2011 maximal 300 Megawatt Photovoltaik in Ontario installiert werden.

Klar sei, dass so ein junges Programm Anlaufzeit brauche und eine Region wie Ontario nicht innerhalb von wenigen Monaten eine solare Infrastruktur aus dem Boden stampfen könne. Insofern sei die Zahl der eingereichten Solarprojekte und die Zahl der ansiedlungswilligen oder bereits angesiedelten Unternehmen beachtlich und eine erste Erfolgsgeschichte des FIT Program und seiner Domestic-Content-Regelung, unterstreicht der Präsident von Heliene Canada. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen. So ist Managing Director Meinolf Schulte von Krinner Canada skeptisch, ob sich die hohe Förderung über die nächsten Provinzwahlen 2011 hinaus halten lasse und die in Ontario hergestellten Premium-Preis-Produkte global konkurrenzfähig seien.

Bisher wurden von der Provinzregierung weder Ausbauziele noch ein Deckel der Förderung oder eine Degression der Vergütungssätze festgelegt. Allerdings ist klar, dass das Programm alle zwei Jahre durch OPA überprüft wird. „Wir wollen neue Jobs schaffen, unsere Wirtschaft diversifizieren und unsere Kohlekraftwerke ab 2014 stilllegen, deshalb wollen wir am Anfang keine Bremse bei der Solarförderung einbauen“, unterstreicht Ministeriumsmitarbeiter Tasca. „Bisher ist unser Programm eine Erfolgsgeschichte, und wir bekommen von allen Seiten positive Resonanz“, betont er. Zudem würde im Moment ein Energieplan mit Ausbauzielen für die Erneuerbaren erarbeitet und man beobachte die Entwicklung von Einspeisevergütungen in anderen Ländern aufmerksam.

Spannend bleibt jedenfalls, wie es in Sachen Photovoltaik in Ontario weitergeht und ob auch andere kanadische Provinzen auf den Zug aufspringen und entsprechende Förderprogramme verabschieden. Bisher ist dies noch nicht passiert.

Hans-Christoph Neidlein

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