Der französische Solarmarkt gilt in vielen Punkten als Sonderfall. Mit einem eher bescheidenen Wachstum von geschätzten 40 Megawatt neu installierter Leistung im Jahr 2007 zählt Frankreich aktuell noch zu den kleinen Absatzmärkten für PV-Produkte. Dennoch rangiert Frankreich in der aktuellen Ländermarktstudie „The French Photovoltaic Market 2007/08“ von EuPD Research unter den „Top Ten“ der weltweiten Zukunftsmärkte im Solarsektor. Nach Spanien und Italien gilt die Grande Nation für viele Unternehmen als einer der interessantesten Wachstumsmärkte in Europa. Und das, obwohl die Solarförderung in Frankreich auf das Betreiben gebäudeintegrierter Solaranlagen (BIPV: building integrated photovoltaics) ausgelegt ist.
Sehen Unternehmen aus den Nachbarländern in diesem Nischenkonzept meist den strategischen Versuch der Regierung, den französischen Markt gegen ausländische Wettbewerber abzuschotten, so bezeichnen französische Installateure das Konzept der „Pariser Technokraten“ schlicht als Irrsinn, der mit den Gegebenheiten vor Ort nichts gemein habe.
Branche unzufrieden
Die Idee, Solaranlagen auch architektonisch zu einem harmonischen Bestandteil der Städte und Gebäude zu machen, sei ja an sich nicht verkehrt, meint Andreas Semmel, Geschäftsführer des Installationsbüros TerraSource mit Sitz im südfranzösischen Aubagne bei Marseille. „In der Praxis führt die Beschränkung der Förderung auf gebäudeintegrierte Anlagen allerdings zu erheblich höheren Kosten für den Endkunden und damit logischerweise auch zu einem langsameren Marktwachstum. Ganz zu schweigen von dem höheren Installationsaufwand.“ Auch Gilles Salsarulo, Geschäftsführer des Installationsbetriebs Amperel in Boulogne-Billancourt, einer Kleinstadt vor den Toren von Paris, sieht die Gebäudeintegration heute mit gemischten Gefühlen: „Ursprünglich sollte mit dieser Zusatzregelung wohl ein ‚Wildwuchs‘ von Solaranlagen im ganzen Land vermieden werden. Als ein solcher Filter ist diese Regelung sicherlich auch gut geeignet, doch wir sind der Meinung, dass man den Schwerpunkt der Gebäudeintegration deutlich abmildern sollte.“ Ähnlich äußert sich auch der Verband für erneuerbare Energie, Syndicat des Energies Renouvelables (SER), der sich schon seit längerem für eine Anhebung der Grundvergütung von Solarstrom stark macht.
Sarah Endres, Projektmanagerin und Expertin für den französischen Solarmarkt beim Marktforscher EuPD Research, erklärt den französischen Weg so: „Anders als in Deutschland soll das Marktwachstum in Frankreich scheinbar nicht nur über das reine Installationsvolumen erreicht werden. Vielmehr sollen sich PV-Anlagen landesweit als eine natürliche Komponente des modernen Bauens etablieren.“ Langsames, kontrolliertes Marktwachstum sei gewissermaßen das erklärte Ziel der Branche. Da verwundert es wenig, dass sich der Markt auch aus Sicht der Installationsbetriebe bisher vornehmlich als Markt für private Kleinanlagen bis zu einer Anlagengröße von drei Kilowatt darstellt.
Kleinbetriebe organisieren sich
Für die Zukunft sehen Experten dennoch gute Chancen, dass sich auch in Frankreich mittelgroße Anlagen bis 100 Kilowatt durchsetzen werden. „Bisher war besonders der öffentliche Sektor ein verlässlicher Stützpfeiler der Photovoltaik“, erklärt Sarah Endres, „künftig könnte es aber zu einer Verlagerung in den kommerziellen Sektor kommen, denn auch hier entdeckt man die Sonnenenergie zunehmend als Renditeobjekt oder als Mittel zur Senkung der eigenen Energiekosten.“ Für Andreas Semmel und seine Kollegen dürfte im öffentlichen Sektor allerdings kaum ein Auftrag zu holen sein. „Ausschreibungen für Anlagen auf öffentlichen Gebäuden sind zwar für jeden zugänglich, in der Praxis erhalten aber meist die großen Hersteller mit ihren Installateursnetzen den Zuschlag“, beklagt sich Semmel, „da haben Betriebe unserer Größe eigentlich kaum eine Chance.“ Und doch organisieren sich in immer mehr Regionen Netzwerke und Zusammenschlüsse von Installateuren, um den großen Firmen die Stirn zu bieten. So hat sich TerraSource mit vier weiteren Betrieben aus der Region Provence Rhône-Alpes zusammengeschlossen, um gemeinsam auch an großen Ausschreibungen teilnehmen zu können. „Wir sind zwar eigentlich Konkurrenten, arbeiten aber als Netzwerk Solaire Excel gezielt zusammen, wenn es um Großaufträge und öffentliche Ausschreibungen geht“, sagt Semmel.
Auch bei der Installation der Solaranlagen gehen die französischen Unternehmen vielfach eigene Wege. Die meisten PV-Hersteller unterhalten für den direkten Vertrieb beim Endkunden eigene Installateursnetzwerke, über die sowohl die Anlagenplanung als auch die eigentliche Errichtung abgewickelt werden. Rund 80 Prozent dieser Betriebe, die teilweise erst in den letzten Jahren gegründet wurden, sind hauptsächlich in den Bereichen der Photovoltaik und der Solarthermie tätig. Dies hat zur Folge, dass klassische Sanitär-Heizung-Klima-Betriebe, Dachdecker und herkömmliche Elektroinstallateure augenblicklich noch eher geringe Anteile am Wachstumsmarkt Solarenergie halten. Dem will nun der französische Verband der Solarindustrie Enerplan mit einem immer dichter geflochtenen Installateursnetzwerk begegnen. Um das notwendige Fachwissen zu vermitteln und eine gleichbleibende Qualität der Installationen zu gewährleisten, setzt Richard Loyen, Generalbevollmächtigter von Enerplan, auf die verbandseigene Qualifikationsoffensive „Quali’PV“.
Aufschlussreich ist auch die Betrachtung der Installationsbetriebe nach verkauften Mengen. Die Marktforscher von EuPD Research konnten in ihrer Analyse vor allem im Bereich der umsatzstarken Betriebe einen erheblichen Zuwachs der verkauften Mengen messen. So gaben lediglich acht Prozent der befragten Betriebe an, im Jahr 2006 im Bereich der Photovoltaik ein Gesamtvolumen von mehr als 100 Kilowatt verkauft zu haben. 2007 erzielten dagegen bereits 21 Prozent der befragten Installateure Verkäufe jenseits der 100 Kilowatt. Und auch der Anteil der Betriebe mit Verkäufen zwischen 31 und 100 Kilowatt stieg binnen Jahresfrist von 26 Prozent auf über 34 Prozent. „Diese Zahlen belegen, dass die Verkäufe der Installateure im Jahr 2007 zum Teil erheblich zugenommen haben“, erklärt Sarah Endres. Betrachtet man diese Erhebung im Hinblick auf den Radius der Vertriebsaktivitäten der Unternehmen, so lässt sich daraus ein unmittelbarer Rückschluss auf den französischen Gesamtmarkt ziehen, da weniger als drei Prozent der Installateure auch außerhalb des Landes tätig sind. Positive Verkaufszahlen der inländischen Betriebe spiegeln demnach unmittelbar die Absatzentwicklung auf dem heimischen Markt wider.
Die Preise diktieren die Großen
Dabei lag das Preisniveau für Photovoltaiksysteme in Frankreich 2007 deutlich über dem anderer Länder. Als durchschnittlichen Preis für Kleinanlagen bis drei Kilowatt ermittelten die Marktforscher von EuPD Research 7.789 Euro je Kilowatt für eine nicht integrierte Anlage und beinahe das Doppelte für BIPV-Installationen. Im Schnitt kostet jedes Kilowatt satte 13.659 Euro, rechnet die Studie vor. Auch Anlagen jenseits der zehn Kilowatt kosten im Schnitt noch 7.000 Euro je Kilowatt. „ Bei den gebäudeintegrierten Anlagen kann ich mir solche Preise eigentlich nicht vorstellen“, widerspricht Andreas Semmel von TerraSource und berichtet von Einkaufspreisen bei Markenmodulen zwischen 5,50 Euro und 6,50 Euro pro Watt. „Eine integrierte Anlage installieren wir, wenn es hoch kommt, für 9.500 bis 10.500 Euro je Kilowatt.“
Warnung vor Billigware
Zwar biete sich häufig auch die Möglichkeit, billigere Module, etwa von asiatischen und osteuropäischen Firmen zu beziehen, er hält das aber nicht für empfehlenswert. Und auch Gilles Salsarulo fürchtet bei Billigware die Konsequenzen. „Wir hören in letzter Zeit immer wieder von Kunden, die sich für Solaranlagen unbekannter Herkunft entschieden haben und damit nun Erträge erwirtschaften, die unterhalb jeg licher Wirtschaftlichkeit liegen“, berichtet der Geschäftsführer von Amperel. Gleichzeitig argumentiert Salsarulo auch mit der Angebotssituation: „Die Nachfrage liegt nach wie vor deutlich über dem Angebot – zumindest bei Qualitätsprodukten. Außerdem decken sich die meisten französischen Installateure fast ausnahmslos im Inland ein, bei Großhändlern oder bei inländischen Niederlassungen internationaler Unternehmen.“ Sich direkt im Ausland mit Ware zu versorgen und damit gegebenenfalls von den günstigeren Konditionen zu profitieren, wäre für viele Installateure gar nicht möglich, weiß auch Semmel. Große Mitbewerber wie Apex BP Solar, Tenesol und Photowatt Technologies täten ein Übriges, um kleinen Betrieben das Geschäft mit der Solarenergie streitig zu machen. „Ganz besonders weh tun inzwischen die großen Energieversorger, die – anders als in Deutschland – ebenfalls Solaranlagen installieren. Unternehmen wie die Electricité de France (EDF) und die Gaz de France (GDF) genießen ein hohes Ansehen in der Bevölkerung und können mit ganz anderen Finanzierungsmodellen an die Kunden herantreten“, erklärt Semmel. Das sei vielfach ein Schlüsselargument, weiß der Unternehmer aus zahllosen Beratungsgesprächen. „Aufgrund der hohen Anschaffungskosten ist die Finanzierung der Anlage das entscheidende Kriterium für viele Kunden. Daher sind einige große Installateure inzwischen dazu übergegangen, die Anlagen zusammen mit einer passenden Finanzierung anzubieten, teilweise sogar kreditfrei. So erwirtschaftet der Betreiber zwar erst nach acht Jahren seine erste Rendite, er braucht dafür aber keine eigenen Mittel zur Finanzierung einzubringen“, erklärt Semmel die Strategie der Großen. Doch was sich aus Sicht der Kunden verlockend anhört, entpuppt sich nach Ansicht vieler Installateure meist als Mogelpackung. „Mit diesen Angeboten halten die großen, finanzkräftigen Unternehmen die Preise künstlich hoch und verdienen sich gleichzeitig eine goldene Nase“, ärgert sich der TerraSource-Chef. Gleichwohl werden die Preise durch die Entwicklung neuer Technologien mittelfristig fallen, da sind sich Semmel und Salsarulo einig. Während EuPD Research davon ausgeht, dass im Jahr 2010 auf dem Photovoltaiksektor eine neu installierte Leistung von 153 Megawatt aufgebaut wird, sehen die Berater von Navigant Consulting für das gleiche Jahr
Steuernachlass für Photovoltaik in der Übersicht | |
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Antragsteller | Maximaler Steuernachlass |
Pro Person | 8.000 € |
Verheiratetes Paar | 16.000 € |
Erhöhung pro Person | 400 € |
Für das zweite Kind | 500 € |
Ab dem dritten Kind | 600 € |
Die Höhe der Steuernachlässe für Photovoltaik in Frankreich richtet sich nach der familiären Situation des Antragstellers. Generell werden 50 Prozent der Investitionskosten einer Anlage über eine Steuerrückerstattung getragen. Diese erfolgt zum Jahresende. |
Photovoltaik-Förderungen in der Übersicht | ||
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Kontinentalfrankreich | Überseegebiete (DOM) und Korsika | |
Einspeisevergütung | 30 Cent/kWh | 40 Cent/kWh |
BIPV-Prämie* | 25 Cent/kWh | 15 Cent/kWh |
Laufzeit | 20 Jahre, nicht degressiv | 20 Jahre, nicht degressiv |
Fördergrenze | 1.500 h pro kWp/JahrJede weitere Stunde pauschal mit 5 Cent vergütet | 1.700 h pro kWp/JahrJede weitere Stunde pauschal mit 5 Cent vergütet |
* BIPV: Building Integrated Photovoltaic Quellen: EuPD, Europressedienst |
Zuwächse von 166 Megawatt. Der Europäische Photovoltaik Industrie Verband EPIA veröffentlichte dagegen kürzlich sogar Schätzungen, die von 200 Megawatt Zubau unter pessimistischen Annahmen und 300 Megawatt unter politisch forcierten Bedingungen reichen. Eine Konkurrenz zwischen der Photovoltaik und der stark wachsenden Solarthermie sehen die Installateure dabei aber nicht. Andreas Semmel gibt zu bedenken, dass sich der Markt nicht destabilisieren lassen dürfe. „Es hat etwas von einem Wild-West-Eldorado, wenn man sich den Solarmarkt in Frankreich anschaut. Jeder will mitmischen, aber manches Mal scheint mir, der langfristige Plan zu fehlen. Wir müssen aufpassen, dass der Markt dadurch nicht verunsichert wird.“
EPIA-Forum kritisiert Anmeldestau
Derzeit wird der französische Markt jedoch noch stark durch die Bürokratie ausgebremst. Die monatelangen Wartezeiten bei der Netzanmeldung waren das Hauptthema beim Frankreich-Forum des Europäischen Photovoltaikindustrieverbandes EPIA, das Ende Juni unter dem Titel „Nachhaltige Entwicklung des Photovoltaiksektors in Frankreich“ in Aix-les-Bains stattfand. Auf Einladung des neugewählten EPIA-Präsidenten Ernesto Macías, Generalmanager des spanischen Herstellers Isofotón, waren rund 300 Vertreter der internationalen Photovoltaik branche in den Kurort am Lac du Bourget, östlich von Lyon, angereist. Deutlich weniger als die im Vorfeld angekündigten 900 Teilnehmer, dafür konnte im „kleinen Kreis“ intensiv diskutiert werden.
Als Kernproblem des französischen Marktes wurden die umständlichen Anmeldeprozeduren und der damit verbundenen Anmeldestau ausgemacht. In Zahlen ausgedrückt: Nach Angaben von François Henimann, als Bereichsleiter verantwortlich für die Anschlüsse beim Netzbetreiber Electricité Réseau Distribution France (ERDF), wurden dieses Jahr allein bis zum 1. März Netzzugänge für 70 Megawatt Solarstrom neu beantragt. Nur zwei Megawatt konnten jedoch bis März, zehn Megawatt bis Mai realisiert werden. Insgesamt erwartet man bei der ERDF für das laufende Jahr rund 22.000 neue Anträge, nachdem 2007 lediglich 6.972 Anfragen eingingen.
Mit diesem Ansturm sei man derzeit schlicht überfordert, gibt Henimann zu. Er versuche nun die Genehmigungsprozesse zu vereinfachen und neue Mitarbeiter einzustellen, um die Bearbeitungszeit zu verkürzen. Aktuell liegt die allerdings immer noch zwischen acht und 26 Monaten. Winfried Hoffmann, EPIA-Präsident in den vergangenen zwei Jahren, kritisierte die vorgeschlagenen Änderungen allerdings postwendend als nicht weitreichend genug. Entsprechend durchwachsen fiel sein Fazit des Branchentreffens aus: Die Entwicklung auf dem französischen Solarmarkt sei „mehr als man noch vor einigen Jahren erwarten durfte, doch im Vergleich zu anderen Ländern immer noch mäßig“.
Wie zu erwarten war, wurde auch über Alternativen zur einseitigen Konzentration der Solarförderung auf gebäudeintegrierte Anlagen diskutiert. Wiederholt wurde in Aix-les-Bains die Forderung laut, Aufdachanlagen künftig mit höheren Tarifen zu fördern oder integrierten Anlagen gleichzustellen.
So sprach sich Eric Laborde, Generaldirektor des PV-Herstellers Photowatt Technologies, dafür aus, einen einheitlichen Tarif für Anlagen bis drei Kilowatt einzuführen, unabhängig vom Anlagentyp.
Der Erneuerbare-Energien-Verband „Syndicat des Energies Renouvelables“ (SER) strebt dagegen einen Zwischentarif für Aufdachanlagen an. Diese Entscheidungen stünden laut SER-Vizepräsident Arnaud Mine aber frühestens gegen Ende des Jahres auf der Agenda. Um sich der Photovoltaik noch gezielter widmen zu können, hat der Verband inzwischen eine eigene Kommission für Solarenergie gegründet, die Organisation SOLER. Neben einer Anpassung der Tarife lag vielen Branchenvertretern auch die Anhebung des Ausbauziels für Solaranlagen am Herzen. Sieben Gigawatt bis 2020 war der Wunsch, maximal 5,4 Gigawatt wird aber voraussichtlich der Kompromiss lauten.