Auch im hohen Norden, genauer in Handewitt, ist der Speicherboom längst angekommen. „Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021 konnten wir in den ersten sechs Monaten bei Speichersystemen immerhin 50 Prozent Absatzsteigerung erreichen, wobei der Anteil Hochvoltspeicher auf 80 Prozent angestiegen ist“, sagt Kai Lippert, Geschäftsführer bei EWS.
Der Großhändler wird kontinuierlich und mit stark ansteigenden Stückzahlen beliefert. Die Nachfrage habe sich allerdings gegenüber den ersten sechs Monaten gefühlt verdoppelt, erläutert Lippert, wobei Deutschland weiter der mit Abstand stärkste Absatzmarkt in Nordeuropa sei.
Dabei variieren die Wartezeiten zwischen den verschiedenen Herstellern sehr stark. „Wer flexibel ist, findet bei uns aber auch jetzt eine kleine Auswahl an Speichersystemen, die wir innerhalb von zwei Monaten liefern können“, verspricht er.
Das Wachstum unter den bei EWS vertretenen Herstellern sei prozentual am größten bei RCT und Fenecon. Aber im Vergleich zu BYD und Huawei seien die Liefermengen hier immer noch sehr klein und in den nächsten sechs Monaten inzwischen kaum frei verfügbar, berichtet Lippert.
Huawei-Speicher immer beliebter
Huawei-Speichersysteme legen demnach in der Gunst der Stammkunden rasant zu. BYD und LGES geben derzeit nur kurzfristig Liefersicherheit. „Wir erwarten aber, dass unser riesiger Bestellvorlauf für das letzte Quartal des Jahres demnächst bestätigt wird, wobei hiervon allerdings auch bereits große Mengen in Aufträgen gebunden sind. Die Einkaufspreise pro Kilowattstunde , die das Handwerk für Speicher bezahlt, sind nach einem leichten Preisrückgang in der zweiten Jahreshälfte 2021 nun im ersten Halbjahr um neun Prozent geklettert“, erklärt Lippert. „Der Preisanstieg liegt damit aber deutlich unter dem bei Modulen und Montagegestellen, der bei knapp 17 Prozent lag.“ Die Installateure bekommen in diesem Jahr zunehmend Anfragen für das gewerbliche Speichersegment, wobei hier die Planungszeiträume länger sind. Lippert erwartet, dass sich die Verfügbarkeiten von Gewerbespeichern im nächsten Jahr so entspannen werden, dass das Segment Anschluss an die Entwicklung von Heimspeichern findet.
Speicher kosten zehn Prozent mehr
Der Flaschenhals seien nicht nur die Batterien, sondern auch die Hybridwechselrichter, gerade der europäischen Hersteller, berichtet Großhändler Krannich aus Weil der Stadt. Denn eine Photovoltaikanlage auf dem Eigenheim ohne Speicher sei mittlerweile die Ausnahme. Aber es gibt auch gut verfügbare Geräte: Von Solaredge beispielsweise ist das neue Speichersystem RWS zur Nachrüstung von Bestandsanlagen und für Neuanlagen ab Herbst dieses Jahres in hohen Stückzahlen gut verfügbar.
Die Wartedauer unterscheidet sich auch beim Großhändler IBC Solar je nach Produkt. „Ab dem vierten Quartal werden wir eine sehr gute Verfügbarkeit von Speichern und passenden Hybridwechselrichtern und Smart Metern haben“, verspricht Jürgen Dursch, Abteilungsleitung Distribution Deutschland. Aktuell werden etwa 80 Prozent aller Anlagen mit Speichersystemen gebaut. „Im Bereich Gewerbe gibt es jedoch ebenfalls ein sehr großes Potenzial und wir sehen, dass die Nachfrage weiter steigt“, sagt er.
Die Preise für Speicher seien, unabhängig von Systemgrößen, im Vergleich zu letztem Jahr durchschnittlich etwa um zehn Prozent gestiegen, bestätigt auch Dursch. Darüber hinaus sei erst mal trotz Skaleneffekten nicht mit sinkenden Preisen zu rechnen, da die Nachfrage auch im nächsten halben Jahr das Angebot übersteigen werde, prognostiziert er.
Baywa: Lieferzeit bis neun Monate
„Die Nachfrage variiert je nach Hersteller sehr stark. Grundsätzlich ist die Nachfrage von 2021 auf 2022 aber gestiegen“, erklärt Friedhelm Enslin. Er ist Geschäftsleiter für das Installateurgeschäft bei Baywa r.e. Solar Energy Systems. Der Konzern ist nicht nur Großhändler, sondern selbst Projektierer und auch Dienstleister für die Branche. Der Umsatz liegt bei mehr als 17,2 Milliarden Euro. „Die Verfügbarkeit von Speicherkomponenten hängt vor allem von zwei Faktoren ab: der Nachfrage sowie der Verfügbarkeit seitens des jeweiligen Herstellers“, sagt er.
Die Produktion und Auslieferung der Speichersysteme hat sich laut Enslin zwar bei den meisten Herstellern gegenüber dem Vorjahr 2021 gesteigert. Dennoch reichen die verfügbaren Mengen derzeit nicht aus, um die tatsächliche Nachfrage zu bedienen. Die Folge sind teilweise lange Wartezeiten für Kunden von Baywa. Die meisten Speichersysteme sind demnach nach rund sechs bis zu neun Monaten lieferbar. „Die längste Lieferdauer beträgt aktuell ein Jahr. Einige Hersteller können aber auch schon nach drei Monaten ausgeliefert werden“, berichtet der Baywa-Manager.
Rohstoffe und Fracht werden deutlich teurer
Dabei ist im Gewerbespeichermarkt ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Das starke Wachstum führt auch hier zu Engpässen, denn Gewerbespeicherhersteller greifen häufig auf dieselben Zellhersteller zurück wie die Hersteller von Heimspeichern. Ein entscheidender Unterschied sei jedoch, dass Gewerbespeicher meist projektbezogen produziert werden, weiß Enslin. „Eine gut aufeinander abgestimmte Projektplanung aller Beteiligten kann so eine weit bessere Planbarkeit ermöglichen, als es bei Heimspeicherprojekten derzeit möglich ist.“
Auch Baywa stellt eine steigende Entwicklung bei den Preisen pro Kilowattstunde fest. Die Gründe liegen in den ebenfalls höheren Kosten für Rohstoffe und Fracht sowie in den aktuellen Devisenkursen. „Das zusammen hat die Preise für Speicher über alle Systemgrößen hinweg um rund zehn bis 20 Prozent gesteigert“, berechnet er.
Drei aktuelle Trends, die auch Speicher puschen
Enslin sieht vor allem drei wesentliche Trends, die auch den Speichermarkt stark beeinflussen. Erstens die stärkere Eigennutzung der erzeugten Energie. Derzeit legt die Bundesregierung den Fokus vor allem auf den Einsatz von Wärmepumpen. Durch die Anbindung an ein Energiemanagementsystem sind sie als steuerbarer thermischer Speicher einsetzbar. Baywa r.e. bietet bereits seit einigen Jahren mit Sonniq ein herstellerunabhängiges Energiemanagementsystem (EMS) an. Und die Relevanz des EMS werde in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Das EMS visualisiert Energieflüsse und steuert Verbraucher, wie zum Beispiel eine Waschmaschine, gezielt an. Damit lassen sich höhere Autarkie- und Eigenverbrauchsraten erzeugen.
Smart Meter bringen mehr Transparenz für Verbraucher
Zweitens werden flexible Stromtarife weiter an Bedeutung gewinnen. Durch die Einbindung von Smart Metern sind die Weichen dafür bereits gestellt. Den Grundgedanken kennen Endverbraucher bereits von Nachtspeicheröfen, die abends und nachts günstigeren Strom speichern und so die Stromrechnung senken. Durch die Integration der Smart Meter sind Stromanbieter zukünftig in der Lage, die Preise an das Angebot und die Nachfrage anzupassen – ganz tageszeitunabhängig. In Verbindung mit einem intelligenten EMS profitieren Endverbraucher von der Transparenz ihrer Stromkosten und können entsprechend gegensteuern.
Bidirektionales Laden kommt
Der dritte Trend ist bidirektionales Laden. Über neudeutsch „Vehicle to Home“ kann der eigene Pkw zum Heimspeicher umfunktioniert werden. Vor einem Jahr im Herbst 2021 gründete sich die Initiative Bidirektionales Laden. Sie will das Elektroauto ins Energiesystem integrieren. Die Initiative ist ein Zusammenschluss von Unternehmen, darunter Autobauer und Energieversorger, die von einer Parkhausgesellschaft, einem Softwarespezialisten sowie zwei Beratungshäusern flankiert werden.
Mehrere Hersteller wie E3/DC arbeiten bereits an einer konkreten Lösung. E-Auto-Fan und Firmenchef Andreas Piepenbrink will die Technologie noch in diesem Jahr umsetzen und erproben – inklusive der Notstromversorgung aus dem E-Fahrzeug. •
CEO-TALKs
Trends und Ideen für die Energiewende
Im Videogespräch mit der Redaktion stellen zahlreiche Entscheider ihre Visionen vor und skizzieren neue Geschäftsmodelle. Zudem wird die technische Weiterentwicklung der Branche diskutiert:
Martin Hackl von Fronius:
Volle Autarkie durch 24 Stunden Sonne und Wasserstoff
Achim Lösch von Kostal Solar Electric:
Leistungselektronik – Hirn und Herz der Solaranlage
Franz-Josef Feilmeier von Fenecon:
Leistungsstarke Speicher für Gewerbe und Industrie
Stephan Volgmann von Phoenix Contact:
Alle Sektoren der Energiewende koppeln
https://www.photovoltaik.eu/videos/pv-guided-tours-2022
PV GUided Tours
Die Neuheiten bei Stromspeichern im Video
In München sind unsere Redakteurinnen und Redakteure mit Kamerateams ausgeschwärmt, um die wichtigsten Innovationen per Video einzufangen. Bei den Stromspeichern und Wechselrichtern stellen wir die Neuheiten dieser Anbieter vor: