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Hauptsache billisch?

Spät sind sie aufgewacht, die großen Energiekonzerne. Als die solare Energiewende Fahrt aufgenommen hatte, traten die Versäumnisse offen zutage. So sind beispielsweise die Verteilnetze nicht für Hunderttausende von Photovoltaikanlagen ausgelegt, denn ihre Steuerung ist veraltet. Um die Netzfrequenz bei 50 Hertz zu halten, sollten die Anlagen bei 50,2 Hertz abschalten. Zu hohe Frequenzen entstehen, wenn die Spannung im Netz wächst. Dann droht Überlastung. Also beschlossen der BDEW und der ZVEH, dass ältere Solaranlagen nachgerüstet werden müssen. Die Regelung wurde in der sogenannten Systemstabilitätsverordnung, kurz SysStabV, im Juli 2012 festgelegt.

Zuerst waren die großen Photovoltaikanlagen mit mehr als 100 Kilowatt Leistung dran. Ihre Umrüstung erfolgte bis Ende August, sie ist weitgehend abgeschlossen.

Erhebliche Unruhe bei den Betreibern

Bis Ende Mai dieses Jahres erfolgt die Umrüstung von bundesweit rund 90.000 mittelgroßen Dachanlagen zwischen 30 und 100 Kilowatt. Rund 400.000 kleinere Anlagen mit 10 bis 30 Kilowatt sollen bis Jahresende folgen. Anlagen mit weniger als zehn Kilowatt und alle Generatoren, die erst 2012 und später ans Netz gingen, sind von der Regelung ausgenommen. Sie haben die Zwangsabschaltung bereits implementiert.

In der Praxis hat die bisherige Umrüstung für erhebliche Unruhe gesorgt. Denn formal steht dem Anlagenbetreiber das Recht zu, einen Wunschinstallateur für die Umrüstung zu benennen. Zufriedene Solarkunden wenden sich an den Installateur ihres Vertrauens, zumal sie Eigentümer der Anlagen sind. Doch die Netzbetreiber haben die Umrüstung durch Ausschreibung vergeben. Oftmals wurden Kampfpreise geboten, um die Aufträge zu bekommen. Beharrt der Anlagenbetreiber auf seinem Wunschinstallateur, muss er die Mehrkosten gegenüber den Umrüstpreisen in der Ausschreibung tragen.

Nur: Die Netzbetreiber müssen die Ergebnisse der Ausschreibungen nicht veröffentlichen. Niemand weiß genau, wie hoch eventuelle Mehrkosten sind. Es sei denn, der Anlagenbetreiber klagt sich durch die Instanzen.

Netzbetreiber scheuen die Kosten

Bekannt sind Fälle aus Nordrhein-Westfalen, wo die Ausschreibung mit neun Euro je umzurüstenden Wechselrichter gewonnen wurde. Niemand kann einen Wechselrichter für neun Euro umstellen. Das muss Pfusch werden. Der Billiganbieter soll nun den Wechselrichter öffnen und umrüsten. Auf diese Weise stehen der Garantieschutz und der künftige Ertrag auf dem Spiel. Und die Installateure, die qualitativ hochwertige Arbeit liefern, haben beim Preiskrieg der Ausschreibungen keine Chance. Die Arbeitsstunde eines qualifizierten Fachhandwerkers kostet 45 Euro. Soll heißen: Neun Euro sind zwölf Minuten. In dieser Zeit ist der Monteur höchstens die Kellertreppe runtergelaufen und hat gerade mal den Deckel des Wechselrichters abgeschraubt.

So wichtig war den Netzbetreibern das Thema, dass sich seinerzeit sogar das Bundeswirtschaftsministerium der Sache annahm. Und nun zeigt die Umsetzung der SysStabV, dass es möglichst schnell und billig laufen soll – husch, husch und fertig. Da fragt man sich doch, was wirklich dahintersteckt. Bestimmt nicht die Stabilität der Stromnetze, denn dafür wäre mehr Sorgfalt geboten. Vor allem durch die Netzbetreiber, die viel Wind um diese Sache gemacht haben und nun die Kosten scheuen – die Kosten ihrer eigenen Schlafmützigkeit.

Eine Luftnummer, hübsch aufgebauscht

Denn man kann davon ausgehen, dass die Umrüstung genauso sinnvoll und nützlich ist wie die Wirkleistungsbegrenzung mittels Rundsteuerempfänger. Daran verdienen sich die Netzbetreiber eine goldene Nase. Benötigt werden die teuren Einbauten in der Praxis bisher nicht. Auch haben sich die Netzbetreiber nicht auf gemeinsame Kommunikationsstandards für die Fernwirktechnik geeinigt, um die Kosten für die Technik zu senken. Reine Schikane für die Anlagenbetreiber.

Ganz nebenbei werden sie enteignet, denn den Wechselrichter haben sie teuer bezahlt. Besitz ist heilig, heißt es unter Juristen. Wenn inkompetente Billiganbieter in den Wechselrichter eingreifen, zeigt sich einmal mehr die Arroganz der Netzbetreiber. Ganz offenbar war die Stabilität unserer Stromnetze niemals wirklich in Gefahr. Anders ist nicht zu erklären, dass niemand auf die Qualität der Umrüstung und marktgerechte Preise achtet.

Auf Anfrage wies der BDEW darauf hin, dass der Anlagenbetreiber den Eingriff des Netzbetreibers und seiner beauftragten Billigheimer zu dulden hat. „Allerdings kann er, sofern er die Nachrüstung durch den Losnehmer, unter anderem aus Gründen des Garantieverlusts, ablehnt, seinen Wunschinstallateur wählen“, schrieb der Sprecher des BDEW.

Kann er nicht ohne Weiteres. Denn wählt er seinen Wunschinstallateur, muss er die höheren Kosten selbst tragen. Diese Kosten ergeben sich aus der Differenz zu den Preisen, die der Netzbetreiber aufgrund seiner Ausschreibung bezahlen muss. Dazu der Experte des BDEW: „Vergaberechtlich besteht keine Verpflichtung zur Bekanntmachung des Preises, zu dem der Auftragnehmer die beauftragte Leistung erbringt. Im Einzelfall ist festzustellen, inwiefern der jeweilige Netzbetreiber überhaupt vergaberechtlichen Vorgaben unterworfen ist. Wenn vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten sind, können in Abhängigkeit von dem gewählten Vergabeverfahren und dem jeweiligen Auftragswert im Einzelfall Informationspflichten bestehen. Die Information hat jedoch keine Angaben zum Preis zu enthalten, sondern bezieht sich beispielsweise auf die Vergabeart, die Art und den Umfang der Leistung oder den Zeitraum der Leistungserbringung.“ Hier wird handfest gemauert. Wer die Netze wirklich sicher machen will, sorgt für Transparenz.

Schindluder mit fremdem Eigentum

Zwar haben die Verbände Ende 2013 ein Papier vorgelegt, in dem die Berechnung der Mehrkosten dargestellt ist. Ohne Transparenz bei den ausgeschriebenen Preisen ist dieses Papier reine Makulatur. Von Rechtssicherheit kann nicht die Rede sein. Hier wird mit dem Eigentum Hunderttausender Solaranlagenbetreiber Schindluder getrieben, kompetente Installateure werden aus dem Markt gedrängt. Einmal mehr liegt der Schluss nahe: je mehr Photovoltaikanlagen, umso besser. Aber künftig nur noch ohne Netz und doppelten Boden.

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