Im vergangenen Jahr traf der saudische Energieminister Ali al-Naimi eine bemerkenswerte Aussage: „Für ein Land wie Saudi-Arabien ist Solarenergie eine der wichtigsten Ressourcen, die es zu entwickeln gilt.“ Das Statement reiht sich ein in eine immer länger werdende Liste an Bekenntnissen zu erneuerbaren Energien und zur Photovoltaik auf der Arabischen Halbinsel. Das ist bemerkenswert, weil der Wohlstand der Golfregion zum Großteil auf dem Export von Erdöl beruht. Dennoch könnte eine Reihe von Forschungsvorhaben, Vorzeigebauten undInfrastrukturprojekten den Weg in eine grüne Zukunft weisen. Bisheriger Höhepunkt und Sinnbild dieser Entwicklung ist die Greentech-Metropole Masdar City, die in Abu Dhabi entsteht und die ursprünglich als „CO2 -neutrale Wissenschaftsstadt“ vollständig durch erneuerbare Energien versorgt werden sollte.
Entsprechend haben immer mehr ausländische Photovoltaikunternehmen die Region auf ihrer Landkarte. „Photovoltaik ist durch die Kostensenkung im vergangenen Jahr in der Region attraktiver geworden und wird zunehmend alsernstzunehmende Alternative angesehen“, beobachtet Karim Asali, Technical Development Manager bei First Solar und Kenner der arabischen Märkte. Auch wenn sich die dortige Entwicklung der Photovoltaik noch im Anfangsstadium befindet: „Wir pflegen Kontakte und beobachten die Ausschreibungen in der Region sehr aufmerksam“, sagt Asali. Doch die Branche müsse sich auf ein paar Besonderheiten einstellen: „Die Region verfügt traditionell über eine monopolistische Versorgerstruktur. Für die Photovoltaik heißt das, dass der Markt von denstaatlichen Versorgern angetrieben wird und sich schwerpunktmäßig in Richtung Großkraftwerke entwickelt“, erklärt Asali. Einen nach europäischem Vorbild von einer staatlich garantierten Einspeisevergütung getriebenen Markt hält er eher für unwahrscheinlich. In der Tat sind konkrete Fördermaßnahmen noch nicht in Sicht.
Erste Referenzanlagen
Dennoch entstehen die ersten Referenzanlagen. So errichtet der deutsche Projektierer Belectric gemeinsam mit dem saudischen Solarunternehmen Sun & Life die mit zehn Megawatt Kapazität größte Solaranlage der Arabischen Halbinsel in Dhahran, einer saudi-arabischen Stadt am Persischen Golf. Die beiden Unternehmen werden den Parkplatz eines Bürokomplexes des Ölförderers Saudi Aramco mit einer Photovoltaikanlage überdachen. Das Solarkraftwerk soll insgesamt 4.500 Parkplätze überspannen und schon Ende des Jahres ans Netz gehen. Daneben gaben Sun & Life, eine Tochtergesellschaft der saudischen ACWA Holding, und Belectric bekannt, ihre Zusammenarbeit mit einem Joint Venture im Bereich der Projektentwicklung auszubauen. Der japanische Hersteller Solar Frontier liefert für das Großprojekt seine CIS-Dünnschichtmodule. „Die Anlage ermöglicht uns, die Leistung unserer CIS-Module in der Wüste zu erproben. Dieses Wissen können wir zukünftig nutzen, um weitere Projekte im Nahen Osten und Regionen mit ähnlichem Klima zu realisieren“, sagt Atsuhiko Hirano, Senior Executive Officer bei Solar Frontier.
Auch der deutsche Projektierer Phoenix Solar konnte den ersten Großauftrag verbuchen. Das Unternehmen wird ebenfalls für Saudi Aramco einen Solarpark mit einer Spitzenleistung von 3,5 Megawatt errichten. Das Solarkraftwerk sollauf dem Gelände des im Bau befindlichen King Abdullah Petroleum Studies and Research Center (KAPSARC) nahe der saudischen Hauptstadt Riad entstehen. Für den Betrieb der Anlage sind Suntech-Module und SMA-Wechselrichter vorgesehen. Ist sie einmal installiert, handelt es sich bei ihr um die erste bodenmontierte Großanlage in Saudi-Arabien. Glaubt man Klaus Friedl, Geschäftsführer von Phoenix Solar in Oman, so kommt solchen Pilotprojekten mit „Vorführcharakter“ zum jetzigen Zeitpunkt einegroße Bedeutung zu. „Wir leisten Pionierarbeit in der Wüste, da die besonderen Bedingungen der Region mit Sandstürmen und Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius die Photovoltaik vor besondere Bedingungen stellen.“ Phoenix Solar gründete bereits 2009 im Sultanat Oman eine Tochtergesellschaft, mit der sie die Golfregion beliefert. „Es war uns wichtig, früh in den Markt einzusteigen“, sagt Friedl. „Die Arabische Halbinsel bietet ein großes Potenzial für Solarkraftwerke, und wirwollen mit unserem Know-how die Einführung erneuerbarer Energien in der Golfregion bestmöglich unterstützen.“
Spezielle Herausforderungen
Mit einer ersten Solarstromanlage bei einer Kapazität von zwei Megawatt auf dem Dach der neu gegründeten King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) konnte das deutsche Unternehmen Conergy erste Erfahrungen mit den Bedingungen im Wüstenklima machen. Um mehr Erkenntnisse über die Funktionsfähigkeit der Anlagen im Nahen Osten zu gewinnen, stehe die Dachanlage unter ständiger Beobachtung, berichtet Marc Lohoff, Regional Director Asia-Pacific bei Conergy. „Wir checken den Output der Anlage täglich – und können sehr zufrieden sein, denn bisher liegen die Ergebnisse über unseren Prognosen.“ Und das unter anspruchsvollen Bedingungen: „Wir messen Temperaturen von bis zu 60 Grad Celsius auf dem Dach. Das ist schon heftig.“ Doch nicht nur hohe Temperaturen stellen die Anlage vor Probleme. „Wartung und Reinigung von Photovoltaikanlagen werden in dieser Region wichtiger sein als in anderen Teilen der Welt. Aufgrund von Sandstürmen und Regenmangel können die Moduloberflächen schnell mit Staub bedeckt sein“, sagt Lohoff. Dabei biete es sich nicht unbedingt an, die Module ausschließlich mit Wasser zu reinigen, denn Wasser ist im Nahen Osten teilweise teurer als Strom. Stattdessen hat es sich bewährt, die Oberflächen der Module regelmäßig abzufegen.
Neben solchen klimatischen Unterschieden sei aber auch die Art des Geschäftemachens im arabischen Raum sehr speziell, hält der Regional Director von Conergy fest. „Die arabischen Märkte funktionieren nicht so wie andere Märkte in Europa oder Asien.“ Ständige und beharrliche Kontaktpflege zu potenziellen Investoren sei ein wichtiger Bestandteil des Marktes. „Man muss sich darauf einstellen, mehrere Monate lang Tee zu trinken, bevor ein Geschäft in die entscheidende Phase eintritt“, so Lohoff.
Zuletzt erschütterte eine Welle von politischen Unruhen den gesamten arabischen Raum, die viele Investoren verunsicherte. In Ägypten wurde Präsident Hosni Mubarak durch Massenproteste zum Rückzug gezwungen. Auch in Syrien, Bahrain und im Jemen halten die Protestbewegungen gegen die undemokratischen Verhältnisse und despotische Alleinherrscher seit Monaten an. „Die Unruhen im arabischen Raum haben sich erfreulicherweise nicht auf unser Geschäft ausgewirkt“, beschwichtigt Lohoff von Conergy. „Das liegt auch daran, dass wir unsere Zielmärkte in der Region auch nach ihrer politischen Stabilität ausgesucht haben.“ Conergy konzentriert sich auf die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Oman und Katar. „Das sind die Länder, die interessante Möglichkeiten bergen und konkrete Fahrpläne vorweisen, wie erneuerbare Energien ausgebaut und gefördert werden sollen“, so Lohoff.
Saudi-Arabien setzt auf Forschung
Besonders viel Aktivität zeigt sich im Bereich der wissenschaftlichen Forschung. So loten mehrere wissenschaftliche Einrichtungen die Einsatzmöglichkeiten regenerativer Energien bei Hitze und Sand in der Wüste aus. An vorderster Front ist dabei das Königreich Saudi-Arabien, das nach Schätzungen rund 100 Millionen Dollar in die Erforschung von Anwendungsgebieten für Solarenergie investiert hat. Entstanden sind gleichmehrere Hochschulen und Forschungseinrichtungen, darunter das King Abdullah Petroleum Studies and Research Center (KAPSARC) für Energie- und Umwelttechnologien. Es soll das größte Energieforschungszentrum der Welt werden. Auch die wichtigste staatliche Forschungsbehörde, die King Abdulaziz City for Science and Technology (KACST) in Riad, beschäftigt sich am Energieforschungsinstitut mit Photovoltaik. Zudem entsteht in der Hauptstadt Riad mit der King Abdullah City for Atomic and Renewable Energy (KACARE) ein weiteres Forschungszentrum, das Strategien für die Nutzung der Atomenergie wie auch der erneuerbaren Energien erarbeiten soll. Nicht zuletzt aufgrund dieser üppigen Forschungslandschaft versteht sich Riad ganz selbstbewusst als „Energiezentrum der Welt“. Bereits im September 2009 öffnete die King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) in Thuwal, 80 Kilometer nördlich von Jeddah, ihre Pforten. Die KAUST soll Saudi-Arabiens neue Elite-Universität nach westlichem Vorbild werden. Rund 2.000 internationale Studenten sollen sich Zukunftstechnologien wiePhotovoltaik widmen und ihren Nutzen für den Staat erforschen.
100 Megawatt für Masdar City
Dass sich die Aktivität in dem großflächigen Wüstenstaat so vermehrt, ist beileibe kein Zufall. Glaubt man den Angaben des staatlichen Energieversorgers Saudi Electricity Company (SECO), verbrennen täglich rund 800.000 Barrel Öl in den Kraftwerken des Landes, um den Energieverbrauch der Bevölkerung zu decken. Die Regierung würde lieber sehen, dass das kostbare Gut für gutes Geld exportiert wird. „Unsere Politik bedeutet, intensiv an der Sicherung der Energiebasis zu arbeiten und jedes Barrel Öl, das eingespart werden kann, für den Export bereitzustellen“, sagt etwa Saleh Al-Awaji, Saudi-Arabiens Minister für Wasser und Elektrizität.
Im Emirat Abu Dhabi konzentriert sich alles auf die Öko-Stadt Masdar. Die Initiative hat ihr insgesamt drittes großes Solarprojekt ausgeschrieben. Das „Noor 1 Photovoltaic Solar Project“ ist auf eine Kapazität von 100 Megawatt ausgelegt. Ursprünglich war eine solarthermische Anlage vorgesehen, doch wegen des starken Preisverfalls bei Modulen kommt nun Photovoltaik zum Einsatz. Frank Wouters, Direktor von Masdar Power, erklärte bei der Bekanntgabe, dass aufgrund der verbesserten Effizienz und derLernkurve der Photovoltaikindustrie die Anlage Noor 1 weniger kosten werde als Shams 1, das solarthermische 100-Megawatt-Kraftwerk, das 2012 fertiggestellt werden soll. Masdar könnte den Auftrag für Noor 1 noch in diesem Jahr vergeben. Abgesehen davon gab es zuletzt aber hauptsächlich negative Schlagzeilen um das ambitionierte Masdar-Projekt. Wegen finanzieller Schwierigkeiten musste Masdar im vergangenen Jahr mehrere Baupläne abspecken. Die Gesamtkosten für die Stadt sollen 10 bis 15 Prozent geringer ausfallen als die ursprünglich vorgesehenen 22 Milliarden US-Dollar. Zudem ist wohl erst im Jahr 2025 mit einer endgültigen Umsetzung der Projektpläne zu rechnen.
Fußballweltmeisterschaft 2022
In Katar ruhen die Hoffnungen der Branche auf der Fußballweltmeisterschaft 2022, um die sich das Emirat erfolgreich beworben hat. Für das sportliche Großereignis sind Hightech-Fußballstadien geplant, die durch den Einsatz erneuerbarer Energien betrieben werden. Mit Hilfe von Photovoltaik möchten die Planer beispielsweise die Stadien auf erträgliche Temperaturen kühlen. Die Diskussionen um die technische Umsetzung und die Planungen dazu laufen schon. Anfang 2015 möchte das Emirat die Bauaufträge für zwölf Fußballstadien zurAusrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2022 vergeben. Qatar Solar Technologies plant derweil eine Produktionsanlage für Silizium in der Industriestadt Ras Laffan nördlich von Doha. Das Unternehmen wurde im März 2010 als Joint Venture von der Qatar Foundation, der deutschen Solarworld und der Qatar Development Bank ins Leben gerufen. Das Projekt befindet sich derzeit in der Projektierungsphase. „Wir gehen davon aus, dass wir 2013 mit der Siliziumfertigung beginnen“, so Thomas Heidbrink, PR-Manager bei Solarworld. Die Gesamtkapazität der Produktionsanlage soll 3.600 Tonnen pro Jahr betragen.
Im Sultanat Oman investierte der Regent Qabus ibn Said zuletzt in den Ausbau der Ölförderung, um aufkeimenden Unruhen im Zuge der Protestwelle im arabischen Raum entgegenzuwirken. Die Ölförderquote zu erhöhen stellt in den arabischen Ländern noch immer das einfachste Mittel dar, um die wirtschaftliche Stimmung aufzubessern. Zuletzt hieß es aber auch, die Regierung plane ein erstes großangelegtes Solarprojekt mit einer Kapazität von 200 Megawatt. Beobachter rechnen in Kürze mit einer offiziellen Ausschreibung des Großprojektes.
Noch reicht das Engagement der Staaten in der Nahostregion nicht aus, um von einer erkennbaren Belebung des Photovoltaikmarktes zu sprechen. Und Zweifel bleiben angebracht, inwiefern das grüne Engagement der weiterhin Öl exportierenden Länder tatsächlich nachhaltig ist. Doch die Vorzeichen für die Entwicklung des Marktes sind positiv. Dafür spricht etwa, dass Energieversorger wie Saudi Aramco ein Interesse am Sonnenstrom entwickeln. Einen Markt nach europäischem Vorbild wird es allerdings auch in Zukunft so schnell nicht geben.