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Samba Solar

Wer bei Brasilien vor allem an Zuckerhut und Copacabana denkt, denkt zu kurz. Immerhin ist der südamerikanische Staat weltweit eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften. Um den ebenfalls wachsenden Energiehunger zu stillen, setzt Brasilien seit Jahren auf Erneuerbare, vor allem auf Wasserkraft und Biomasse. Nun hat die staatliche Energiebehörde Agência Nacional de Energia Elétrica (Aneel) damit begonnen, auch die Nutzung der Photovoltaik voranzutreiben: Sie will das nationale Stromnetz für kleine und mittelgroße Erzeuger von Photovoltaikstrom öffnen.

Aneel hat im Zuge dieser Öffnung bereits eine Reihe von Demonstrations- und Pilotanlagen mit bis zu drei Megawatt Leistung genehmigt, die in weniger als drei Jahren den Betrieb aufnehmen sollen. Diese Anlagen werden hauptsächlich von Stromversorgungsunternehmen gebaut und sollen bei der Entscheidung helfen, welche Photovoltaiktechnologie in welchen Bundesstaaten eingesetzt werden soll, sobald die Unternehmen zum Ausbau ihrer Erzeugungskapazitäten bereit sind. Außerdem hat Aneel Mitte April die Einführung des Net Metering verkündet.

Allerdings sind diese neuen Regelungen nicht umfassend genug, um über Nacht einen funktionierenden Photovoltaikmarkt in Gang zu bringen. Nach der Ankündigung im April wurde Charles Lenzi, Präsident des brasilianischen Verbands für saubere Stromerzeugung Abragel, mit den Worten zitiert, die die Gedanken vieler ausdrücken: „Wir wissen, dass man bei Aneel darum bemüht ist, neue Unternehmen zu ermöglichen. Alle damit verbundenen Vorgänge laufen für die Investoren jedoch langsam.“ Und die brasilianische Regierung hat klargestellt, dass bis zu einem weiterenRückgang der Systempreise keine bedeutenden von der Regierung gestützten Deals wahrscheinlich seien. Immerhin hat die Regierung jedoch Steuererleichterungen für Solaranlagen mit bis zu 30 Megawatt zugestimmt.

Bock nicht zum Gärtner machen

Gravierender ist jedoch, dass Aneel bislang nicht festgelegt hat, was für den Netzanschluss einer Photovoltaikanlage notwendig ist. Die örtlichen Energieversorgungsunternehmen könnten für die Einspeisung von Solarstrom in ihr Netz womöglich sehr kostspielige Zweiwege-Zähler für Privathaushalte einsetzen, die tausende Dollar über der Norm liegen könnten, befürchtet João Renato, Geschäftsführer von Blue Sol, einem Solarlieferanten und -ausbilder in Riberão Preto. „Aneel sollte definieren, was zur Netzkopplung erforderlich ist. Überlässt man dies dem örtlichen Versorgungsunternehmen, dann macht man den Bock zum Gärtner“, meint er.

Weiteres Manko ist, dass Privathaushalte durch das Net Metering nur Kreditpunkte erhalten, die maximal 36 Monate einlösbar sind, wobei die Punkte auf ein Tochterunternehmen übertragen werden können. „Aneel hätte einfach einen Preis für erzeugten Strom bestimmen und damit das ganze Punktesystem umgehen können, das einen zusätzlichen bürokratischen Überwachungsmechanismus erforderlich macht“, bemängelt Renato. „Dennoch sind wir mit Blick auf den hiesigen Markt vorsichtig optimistisch, er könnte in ein bis zwei Jahren in Gang kommen. In der Zwischenzeit wachsen wir weiter. Weltweit wird viel im Photovoltaikbereich produziert. Und die Europäer sind darauf erpicht, hier zu verkaufen“, so Renato.

Um welche Dimensionen es gehen könnte, zeigen die 18 gerade von Aneel genehmigten Projekte. Sie haben einen Gesamtwert von 203 Millionen US-Dollar und gehören zu einem Forschungs- und Entwicklungsprogramm, das 24,6 Megawatt Photovoltaikkapazität an das nationale Stromnetz anbinden soll. Größtes Einzelprojekt mit 31 Millionen US-Dollar ist das Vorhaben des Unternehmens Tractebel Energia. Hierbei werden sieben verschiedene Photovoltaiktechnologien in acht verschiedenen geografischen Regionen Brasiliens getestet. Danach will das Unternehmen über die optimale Kombination von Technik und Standort entscheiden und eine Drei-Megawatt-Anlage bauen.

Megawatt-Projekte genehmigt

Auch etliche weitere genehmigte Anlagen sind Megawatt-Projekte. Copel Geração e Transmissão will eine netzgekoppelte Ein-Megawatt-Anlage mit einem Akkuspeichersystem testen; eine Drei-Megawatt-Anlage soll mit im Inland gefertigten Modulen im Joaquim Américo Paranaense Athletic Club entstehen. Chesf plant eine Drei-Megawatt-Anlage in Petrolina. Und Furnas will am Firmenhauptsitz in Rio de Janeiro eine Drei-Megawatt-Anlage bauen und plant eine weitere Anlage neben einem bereits laufenden Windpark im Bundesstaat Ceará. „Wir stoßen dieses Projekt an, weil wir wissen, dass die Kombination aus Wind- und Solarkraft die Risiken vermindert“, so Cláudio Semprine, stellvertretender Direktor der technischen Abteilung bei Furnas. Das Unternehmen teste sowohl Photovoltaik als auch Solarthermie an verschiedenen Standorten im Land, immer in Abstimmung mitdem staatlichen Centro de Pesquisas de Energia Elétrica (Cepel), einem Eletrobras-Unternehmen. Semprine rechnet damit, Ende 2012 eine Solaranlage in Betrieb zu nehmen.

Weitere Projekte angestoßen

Neben den Aneel-Projekten, die staatliche finanzielle Unterstützung erhalten werden, laufen auch weitere Demonstrations- und Pilotprojekte. Die Companhia Energética de Pernambuco (Celpe) etwa entwickelt für 2,6 Millionen US-Dollar mit Unterstützung der brasilianischen Luftwaffe eine 400-Kilowatt-Anlage auf Fernando de Noronha, einer Inselgruppe vor der brasilianischen Ostküste. Die Luftwaffe nutzt die Inseln als Basis, unter anderem zum Betanken ihrer Flugzeuge. Finanzielle Unterstützung für das Projekt gibt es auch von der US-Behörde für Internationale Entwicklung (USAID) und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Und im Zuge des Countdowns zur Fußball-WM 2014 hat Odebrecht Energia den Auftrag erhalten, für 6,6 Millionen US-Dollar eine Ein-Megawatt-Anlage auf der Arena Pernambuco in Recife zu installieren, die im Juni 2013 in Betrieb gehen soll. Light Esco und EDF Consultoria wiederum werden für 3,6 Millionen US-Dollar die 391-Kilowatt-Anlage des Maracanã-Stadions in Rio de Janeiro bauen.

Außerdem soll die erste größere Photovoltaikanlage Brasiliens, die Ein-Megawatt-Anlage von MPX im Bundesstaat Ceará, in Zusammenarbeit mit General Electric auf zwei Megawatt ausgebaut werden. Die Genehmigung für eine Erweiterung auf fünf Megawatt liegt bereits vor. Kürzlich hat der private Stromerzeuger den Bundesstaat sogar um die Genehmigung für eine Erweiterung auf 50 Megawatt gebeten – und es gibt Anzeichen, dass der Bundesstaat eine Ausschreibung über den Fundo de Incentivo à Energia Solar für ein derartiges Projekt vorbereitet. Eine Vielzahl von brasilianischen Stromversorgern, die jetzt ihre ersten Solaranlagen bauen, rechnen mit der Versteigerung von Strom aus ihren demnächst vorhandenen Anlagen auf dem unregulierten Strommarkt, so ein Sprecher von Eletrosul Centrais Elétricas, einem staatlichen Energieversorger in Florianopolis im südlichen Bundesstaat Santa Catarina.

Kaum Produktion vor Ort

Während der Strommarkt in Bewegung gerät, tut sich bei der Photovoltaikproduktion im Land allerdings wenig, obwohl die brasilianische Regierung die inländische Fertigung von Modulen sowie die Forschung fördert. Aber internationale Hersteller sind sich einig, dass es im Land bisher kaum Anreize für eine Modulproduktion gibt. MPX beispielsweise hat bislang die Solarmodule von Kyocera Solar do Brasil bezogen. Diese wurden jedoch nicht im Land produziert, sondern aus den USA importiert. „Die Regierung bietet uns bisher nicht genügend Anreize, um hier zu produzieren“, so ein kaufmännischer Mitarbeiter von Kyocera Brasil.

Eines der Programme, das Kyocera Brasil beliefert, ist die Initiative Luz Para Todos (Licht für alle), die 2003 im Bundesstaat Bahia vom Bergbau- und Energieministerium ins Leben gerufen wurde. Das Ziel war, etwa 10.000 Menschen im ländlichen Bereich mit öffentlicher Beleuchtung zu versorgen – mit Netzausbau, der Einführung von dezentralen Mininetzen sowie Inselanlagen. Im Rahmen eines weiteren Programms des Bergbau- und Energieministeriums hat Kyocera außerdem etwa 2.000 Photovoltaikanlagen zum Antrieb von Wasserpumpen in ländlichen Gegenden überall im Land installiert.

Internationale Beteiligung

Allerdings gibt es erste Versuche, inländische Unternehmen an dem entstehenden Solarmarkt zu beteiligen. Im April wurde ein neues, kundenorientiertes Solarsiegel eingeführt, das Selo Solar des Instituto Ideal, einer nicht-staatlichen Organisation mit Sitz in Florianopolis zur Förderung von erneuerbarer Energie bei akademischen, gewerblichen und öffentlichen Einrichtungen. Das Siegel, das in Zusammenarbeit mit der von Energieversorgern betriebenen Marketingagentur Câmara de Comercialização de Energia Elétrica (CCEE) und mit finanzieller Unterstützung der GIZ entwickelt wurde, wird nur Unternehmen mit mindestens fünf Jahren Erfahrung im Solarbereich verliehen. Und die Universidade Estadual de Campinas (Unicamp) will in Zusammenarbeit mit dem brasilianischen Technologie-Konzern Tecnometal ein Verfahren zur Reinigung von metallurgischem Silizium für Solarzellen entwickeln. Unabhängig davon hat Tecnometal im vergangenen Jahr bereits die Produktion von Photovoltaikmodulen an seinem Hauptsitz in Vespasiano mit einer Jahreskapazität von 25 Megawatt aufgenommen.

Immerhin: Die nationale Entwicklungsbank Banco Nacional de Desenvolvimento Econômico e Social (BNDES) hat angedeutet, auf die Finanzierung von Großprojekten im Land vorbereitet zu sein. Die Bank verfügt über einen speziellen Klima- und Erneuerbare-Energien-Kreditfonds sowie ein separates Erneuerbare-Energien-Programm mit einer breiteren Palette an Finanzierungsinstrumenten. Und auch an Mechanismen für Auktionen auf Bundesebene, die der Vergabe von Photovoltaikkonzessionen dienen, wird gearbeitet, unter anderem vom nationalen Forschungsinstitut Empresa de Pesquisa Energética (EPE). Ein entsprechender Bericht soll dem Bergbau- und Energieministerium bald vorliegen.

Charles W. Thurston

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