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Solarboom ohne schwarze Schafe

Photovoltaik-Kleinanlagen erleben im Land der Queen dank staatlicher Förderung ein rasantes Wachstum. Seit die britische Regierung im April 2010 den Einspeisetarif eingeführt hat, ist die installierte Kapazität bis Juni 2011 um rund 900 Prozent gestiegen. Das ergibt eine aktuelle Untersuchung der internationalen Beratungsfirma für Nachhaltigkeit AEA. Zwar ist der Zubau in absoluten Zahlen für deutsche Verhältnisse bescheiden. Die Solarwirtschaft auf der Insel stellt er aber vor große Herausforderungen.Die Prognose der Autoren des AEA Microgeneration Index: Wegen einer drohenden Kürzung der Förderung im kommenden Frühjahr werde sich der Trend bei Kleinanlagen sowie im Bereich der Solarparks und im sozialen Wohnungsbau fortsetzen. Allein von April bis Juni dieses Jahres sind laut einer Veröffentlichung der Regierung fast 44 Megawatt Photovoltaikleistung dazugekommen. Das ist enorm für die kurze Zeit. Auch hier soll die Kürzung für Großanlagen zum 1. August eine Rolle gespielt haben. Insgesamt verfügte Großbritannien laut der Regierung im Juni 2011 über fast 122 Megawatt Solarenergie.

Nun wird es wahrscheinlich im Frühjahr 2012 zu einer Kürzung bei Kleinanlagen bis 50 Kilowatt kommen. Noch kann eine Dachanlage aber den großzügigen Einspeisetarif von 0,413 Pfund Sterling (0,50 Euro) pro Kilowattstunde einbringen. Sinkende Modulkosten und Energiepreiserhöhungen dürften die Nachfrage zusätzlich anheizen. Die britische Solarbranche steht nun unter Druck, alle Installationen fristgerecht abzuschließen.

Experten fürchten, dass der Boom zu Qualitätsproblemen führen könnte. Chris Hopkins, Geschäftsführer von Ploughcroft, einem Anbieter von Dachsystemen, Solarinstallationen und Schulungen, sieht in unzureichenden Installationen eine Gefahr für die Branche. „Fachkräftemangel ist ein ernstes Thema, und viele Unternehmen sehen die Solarenergie als die nächste große Möglichkeit“, sagt er. „Wenn die Module nicht ordnungsgemäß auf dem Dach befestigt werden, können ein starker Sturm oder der Winter ernsthafte Probleme zur Folge haben.“ Durch mangelhafte Installationen könnten die Solarpanels etwa bei einem Unwetter vom Dach geweht werden und Schaden nehmen, das Dach selbst beschädigen oder schwere Verletzungen verursachen. Das für die Insel rasante Wachstum stellt laut Hopkins die derzeit gültigen Maßnahmen zur Qualitätskontrolle auf die Probe – Großbritannien setzt bisher auf Selbstregulierung.

Furcht vor Mängeln

Die Solarbranche im Vereinigten Königreich versucht, die Qualität von kleineren regenerativen Energieanlagen und die Qualität der Installationen sicherzustellen. Zu den freiwilligen Normen gehört der REAL Assurance Scheme Consumer Code der Renewable Energy Association (REA) für den Verbraucherschutz. Der Kodex legt fest, dass Käufer und Leasingnehmer von Erneuerbare-Energien-Kleinanlagen oder Energiesystemen mit geringem CO2 -Ausstoß erwarten dürfen, dass Produkte und Dienstleistungen ordnungsgemäß funktionieren und den Qualitätsanforderungen entsprechen.

Zudem wurde vor einigen Jahren das Microgeneration Certification Scheme (MCS) eingeführt. Es weist Installateure von Anlagen im Bereich regenerativer Energien als kompetent aus und soll so die Qualität sichern. Das MCS basiert auf dem international anerkannten Zertifizierungssystem EN 45011. Die britische Regierung hat verfügt, dass Einspeisevergütungen für Solarstrom nur dann gezahlt werden, wenn sowohl Produkte als auch Installateure MCS-zertifiziert sind.

Terry Skee ist kaufmännischer Leiter beim Solarinstallateur Cleaner Air Solutions (CAS) und sieht die Zertifizierungen kritisch: Erstens könne sie jeder Unternehmer bekommen, indem er den Papierkram erledige und eine Gebühr entrichte. „Beim PV-Markt handelt es sich um einen lukrativen und schnell wachsenden Sektor mit derartigen Gewinnmöglichkeiten, dass Leute aus verschiedenen Bereichen versuchen, auf diesem Markt Fuß zu fassen“, so Skee. Zweitens können FirmenSchlupflöcher nutzen: „Unternehmen ohne MCS-Zertifizierung können Module auf Dächern installieren, aber einen zertifizierten Elektriker einsetzen, um alles zu überprüfen und anzuschließen – so stellen sie sicher, dass die Anlagen trotzdem die Einspeisevergütung bekommen.“ Kunden und Unternehmen sollten sich der Grenzen der MCS-Zertifizierung bewusst sein und auch überprüfen, welchen Hintergrund Installateure haben und welche Erfahrungen sie mitbringen, so Skee.

Skee und Hopkins stimmen darin überein, dass die Solarbranche zur Qualitätssicherung weitere Maßnahmen ergreifen muss. Weniger gewissenhafte Solaranbieter und Installationsbetriebe müssten daran gehindert werden, der Branche mit ihren aggressiven Verkaufsmethoden zu schaden und Investitionen in notwendige Schulungen für entsprechende Qualifizierungen zu umgehen. „Die Bereiche Solardach, Solarstrom und Solarschulungen müssen richtiggehend überwacht werden“, so Hopkins. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Installateure gut ausgebildet und verbindliche Zertifizierungen und Normen durchgesetzt würden, mahnt Skee.

Branchenrat und Baubranche

Wie eine solche Kontrolle aussehen könnte, dazu hat Skee ein paar Ideen. Ihm schwebt eine Art Branchenrat vor: „Es muss für die Solarbranche ein aus Experten und erfahrenen Branchenführern zusammengesetztes Gremium eingerichtet werden, das ein professionelles Forum bietet, auf dem Ideen ausgetauscht und disziplinarische Maßnahmen entschieden werden können.“ Das würde nicht nur die benötigte Qualitätssicherung garantieren. Es würde auch eine rechtliche Infrastruktur schaffen, um die Anzahl möglicher schwarzer Schafe zu dezimieren.

Eine weitere Möglichkeit, die Qualität von Produkten und Installationen zu sichern, steht in Verbindung mit der gebäudeintegrierten Photovoltaik: Man könnte die Baubranche und verwandte Wirtschaftszweige wie das Dachdeckerhandwerk dazu bringen, sie stärker einzusetzen. Die Produkte müssten dann bestehende Qualitäts-, Leistungs- und Lebensdauernormen herkömmlicher Baumaterialien und -komponenten erfüllen.

Gebäudeintegrierte Anlagen müssten von der Baubranche installiert werden. Diese habe bereits den Übergang zu einem professionalisierten Massenmarkt hinter sich gebracht, so Skee. Diese Wandlung, die die konsequente Qualifizierung von Fachleuten sowie die Umsetzung von Gesundheits- und Sicherheitsstandards beinhalte, habe im Baubereich etwa 15 Jahre gedauert. Die Solarindustrie sieht Skee vor ähnlichen Herausforderungen.

Regierung prüft neue Maßnahmen

Andrew Lee, Geschäftsführer des Modulherstellers Sharp Solar UK, sieht in der Verbindung zur Bauindustrie ebenfalls eine Chance: „Das Gesetz für nachhaltigen Wohnungsbau, der UK Code for Sustainable Homes, ist für mich ein wichtiger Faktor.“ 2004 blieb ein Prozent der Produktion von Sharp in Großbritannien. In diesem Jahr soll der Anteil 15 Prozent erreichen, wobei der Großteil für Privathaushalte bestimmt ist. Im walisischen Wrexham soll die Produktionskapazität 500 Megawatt betragen.

Die Regierung prüft derzeit Vorschläge für eine spezifische Einspeisevergütung zur Förderung der gebäudeintegrierten Photovoltaik – im Zuge der umfassenden Überarbeitungder Einspeisevergütung. In der Solarbranche sind allerdings nicht alle optimistisch: Seb Berry, Leiter Public Affairs bei Solarcentury, kritisiert: „Die jetzige Regierung hat mit ihrem Kostensenkungsprogramm bisher wenig Begeisterung dafür gezeigt, sich erneut mit dem Thema zu beschäftigen, trotz der offensichtlichen Vorteile für das Land in Bezug auf Innovation, Qualifikation und Arbeitsplätze in der Baubranche, die mit einem Tarif für gebäudeintegrierte Photovoltaik einhergehen.“ Man bleibe zudem wegen der anhaltenden Bestrebungen der Bauindustrie, die Null-Emissions-Definition des Code for Sustainable Homes zu verwässern, skeptisch. Änderungen hätten schließlich auch auf den Bereich der gebäudeintegrierten Solaranlagen im Neubausegment Einfluss.

Firmen schulen selbst

Solange die Regierung noch eine Förderung für gebäudeintegrierte Photovoltaik prüft, versuchen Firmen selbst, die Qualität der Installationen zu sichern. Etablierte Unternehmen engagieren sich dazu in der Weiterbildung von Installateuren. So brachte Hopkins für Ploughcroft im Jahr 2006 nach Gesprächen mit Fachorganisationen ein firmeneigenes Solar-Schulungsprogramm für Dachinstallationen auf den Weg. Es soll das größte für Spezialisten aus dem Dachdeckerhandwerk landesweit sein. „Ich wurde von der National Federation of Roofing Contractors gebeten, für die Dachdeckerbrancheein Schulungsprogramm für Solarinstallationen aufzustellen“, so Hopkins. Man lehne viele Bewerber ab, die nicht über die nötige Erfahrung verfügten und daher kein ausreichendes Wissen über die Arbeit mit verschiedenen Ziegelvarianten und Dachkonstruktionen hätten. „Sie werden sich natürlich woanders für eine Schulung bewerben. Überall gibt es neue Kursangebote, das ist ein profitabler Bereich.“ Wer die Kurse von Ploughcroft absolviert hat, erhält die sogenannte Nationale Berufsqualifikation (NVQ). Sie bestätigt, dass der Kandidat die nötige Kompetenz im Einklang mit den erforderlichen Normen besitzt. Im Rahmen des Programms werden monatlich 45 bis 50 Installateure ausgebildet.

Die Firma CAS, die ihre Module von Sharp bezieht, hat ebenfalls in eine umfangreiche Schulungsinitiative für erneuerbare Energien mit dem Namen „Renewable Energy Academy“ in Durham investiert, um die Qualifizierung ihrer Installateure zu gewährleisten. Viele der Teilnehmer werden als zertifizierte Sharp-Installateure später Franchise-Nehmer im nationalen Netzwerk von CAS. Einige Kurse finden auch in Wrexham bei Sharp selbst statt. Der Modulhersteller hat seine Schulungsakademie im April 2011 eröffnet. Andrew Lee erklärt, man wolle damit die Qualifikation der Installateure sicherstellen. „Langfristig kommt dies unserem Geschäft zugute, da sie unsere Kunden von morgen sind.“

Sara Ver-Bruggen

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