„Der geht nach Deutschland, der nach China, der nach Indien, der nach Europa.“ Kevin Herber zeigt auf die fertig montierten, bis zu 30 Meter langen Öfen im hinteren Teil der Fabrikhalle. „Da sehen Sie mal, wie international wir aufgestellt sind“, sagt der Produktionsleiter stolz. Despatch Industries ist einer der Weltmarktführer bei Industrieöfen für die Solarzellenproduktion. Mehr als 200 Spezialöfen zur Zellenfertigung von über vier Gigawatt Produktionskapazität wurden in den vergangenen fünf Jahren verkauft. 75 Prozent davon gingen in den Export, die meisten nach Deutschland und China. Beliefert werden Zellhersteller wie Q-Cells, Conergy, Trina und Jingao und Anlagenbauer wie Roth & Rau und Manz.
Das Unternehmen unterhält derzeit Niederlassungen in Berlin, Shanghai, Singapur und Taipeh. Für dieses Jahr wird ein Umsatz von über 100 Millionen US-Dollar erwartet.
Angefangen hat alles 1902 mit der Straßenbahn in Minneapolis. Pendler beklagten sich über die klirrende Winterkälte in den ungeheizten Abteilen. Firmengrün der Albert Grapp erkannte die Marktlücke. Der Sohn preußischer Emigranten konstruierte und baute Elektroheizungen, die er an die Straßenbahnfirma verkaufte. Kurz darauf entdeckte der umtriebige Jungunternehmer die um die Jahrhundertwende boomende Mühlenindustrie von Minneapolis als neue Kundengruppe. Er entwickelte einen mit Keramikplatten beschichteten Elektroofen, dessen gleichmäßige Wärme der Mühlengigant Pillsbury zum Testen seines Mehls verwendete. Es folgten Öfen zum Backen von Brot und anderen Lebensmitteln und mit Amerikas Eintritt in den Ersten Weltkrieg auch Öfen für die Waffen- und Stahlproduktion. 1923 begann Despatch seine Zusammenarbeit mit der 3M Minnesota Mining and Manufacturing Company mit der Konstruktion von Öfen zur Herstellung von Scotch Abklebeband. Firmen wie Ford, General Electric, Hewlett Packard, Boeing und Pfizer folgten in den kommenden Jahrzehnten als Kunden von ständig weiterentwickelten thermischen Anlagen. 2001 wurde Ransco Industries, ein Spezialist für Umweltsimulation und Testsysteme, aufgekauft.
Krise als Chance genutzt
Vor fünf Jahren schlitterte Despatch Industries allerdings wie viele andere US-Anlagenbauer in eine Krise. Es wurden deutlich weniger Labor- und andere Spezialöfen für die Pharma- und Halbleiterindustrie abgesetzt. Das Stammwerk in Minneapolis und eine Fabrik in Kalifornien wurden verkauft und die Produktion im nahe gelegenen Lakeville ausgebaut. „Wir nahmen uns Zeit, herauszufinden, was unsere Kunden wollen und wohin sich der Markt entwickelt, und entdeckten die Solarindustrie“, erinnert sich der Vorstandsvorsitzende Patrick Peyton. Innerhalb kurzer Zeit wurden mehrere neue Spezialöfen und -trockner für die Solarzellenproduktion entwickelt. Die Neuausrichtung hat sich gelohnt: Seit 2004 wuchs der Umsatz um jährlich 24 Prozent, der Exportanteil versiebenfachte sich, neue Auslandsbüros wurden eröffnet, und die Belegschaft stieg um mehr als ein Drittel auf über 300 Mitarbeiter. Im vergangenen November kaufte Peyton schließlich die Firma von der bisherigen Eigentümerfamilie Christianson auf.
Qualität wird großgeschrieben
Konzentriert schaut Sam Path-Prathna auf das Display des Teststands. „Qualitätssicherung hat bei uns oberste Priorität. Viele Kunden fliegen eigens für zwei bis drei Tage ein, um vor Ort bei unseren Tests dabei zu sein“, sagt der Ingenieur. Denn die Infrarotöfen müssen auch bei Temperaturschwankungen von mehreren hundert Grad Celsius präzise arbeiten, um eine fehlerfreie Dotierung der Solarzellen bei hohem Durchlauf zu garantieren. So kann der weiterentwickelte starke Trocken- und Brennofen aus der CF-Serie von Despatch mit zwei Fertigungsbahnen mehr als 2.400 Zellen pro Stunde verarbeiten und ist auf eine jährliche Zellproduktion von 60 Megawatt ausgelegt. Bei der laufenden Produktionskontrolle des ISO 9001 zertifizierten Unternehmens werden Parameter wie die Materialbeständigkeit ebenso geprüft wie das einwandfreie Funktionieren der Software. „Jeder Ofen ist anders, denn er wird an die speziellen Kundenwünsche angepasst“, sagt Produktionsleiter Herber. Gefertigt wird deshalb bei Despatch hauptsächlich in Handarbeit. Zwei Arbeiter packen gerade vorgestanzte Metallteile aus, ihre Kollegen einige Meter weiter schneiden Keramikplatten zurecht. Um die Ecke werden Ofenrahmen aufgebaut. Im nächsten Hallenabschnitt wird eifrig verkabelt. Auch ohne Fließbänder zählt jedoch neben der Qualität die Zeit. „Wir konnten in den vergangenen Monaten die Durchlaufgeschwindigkeit unserer Produktion verdop
Welche Länder sind für den Absatz Ihrer Spezialöfen für die Photovoltaikindustrie am wichtigsten?
Asien und Europa halten sich die Waage, was unsere Verkaufszahlen angeht. Doch Europa und vor allem Deutschland sind für uns besonders wichtig, weil dort die Musik bei der technologischen Weiterentwicklung der Photovoltaik spielt. Zudem sitzen unsere wichtigsten Kunden wie Q-Cells, Roth & Rau oder Manz in Deutschland.
peln“, sagt Herber. So konnte die durchschnittliche Produktionszeit für einen der Spezialöfen auf rund dreieinhalb Wochen verkürzt werden. Erreicht wird dies unter anderem durch zunehmendes Outsourcing an gut ein Dutzend überwiegend regionaler Subunternehmer.
So unabdingbar Auslagerungen für die „Just-in-Time“-Produktion sind, so wichtig ist für Firmenchef Peyton die eigene Belegschaft. „Meine Mitarbeiter und ihre Erfahrungen sind das größte Kapi
Wie sieht es mit Ihrem Heimatmarkt, den USA, aus?
Wir haben hier nur wenige Photovoltaik-Kunden, weil sich der Markt erst allmählich zu entwickeln beginnt. Unsere traditionellen nordamerikanischen Kunden sind in unseren anderen Märkten, wie der Elektronik oder bei Karbonfasern, tätig. Ich glaube, dass auch der US-Markt einige Innovationen und technologischen Verbesserungen bei der Photovoltaik bringen wird. Doch er wird deutlich hinter dem Rest der Welt hinterher tal“, sagt er. Stolz verweist er darauf, dass die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit mit über 20 Jahren weit über dem US-Durchschnitt liegt. Auch mit seiner 106-jährigen Firmengeschichte fällt Despatch Industries in den USA etwas aus dem Rahmen. Dort sind nur drei Prozent aller Unternehmen mehr als 100 Jahre alt. Für Peyton ist das Alter seiner Firma kein Nachteil. „Wenn ich nicht an die Zukunft glauben würde, hätte ich Despatch nicht kürzlich gekauft.“ hinken, Europa und Deutschland werden hier die Nase weiter vorne haben.
Erhalten Sie denn vor Ort Unterstützung? Gibt es beispielsweise Kooperationen mit staatlichen Forschungseinrichtungen wie dem National Renewable Energy Laboratory?
Mit der Kommune und dem Staat Minnesota arbeiten wir als Despatch Industries schon immer gut zusammen. Doch aus Washington oder von nationalen Behörden erhalten wir keinerlei Unterstützung, weder finanziell noch ideell. Ich bin sehr enttäuscht über die Energiepolitik der USA, es fehlt ein klares Verständnis für die Bedeutung der erneuerbaren Energien.
Im September 2007 eröffneten Sie ein Büro in Berlin. Welche Unterstützung erhielten Sie denn dafür?
Wir erhielten keine finanzielle Förderung, das haben wir auch gar nicht erwartet. Es ist jedoch überwältigend, wie wir willkommen geheißen wurden und wie uns geholfen wurde, unsere Niederlassung in Berlin zu starten und uns bekannt zu machen. Verschiedene Behörden und Organisationen in Berlin, die Stadt, die Handelskammer und andere, haben uns unterstützt, und darüber bin ich sehr dankbar. Unsere Berliner Niederlassung hat bisher alle unsere Erwartungen übertroffen. Die Mitarbeiter, die wir dort anwerben konnten, sind phantastisch. Nicht nur aufgrund ihrer Fähigkeiten, sondern auch wegen ihrer Motivation und ihres Enthusiasmus. Wir werden auf alle Fälle unsere Präsenz in Berlin ausbauen.
Wie sehen Ihre Planungen aus?
Wir möchten unser Büro in den kommenden zwei Jahren um 20 Mitarbeiter aufstocken und um ein Technologiezentrum im Raum Berlin mit ebenfalls mindestens 20 Mitarbeitern ergänzen. Hierzu suchen wir vor allem Ingenieure und technische Entwickler. Auch in unserer Niederlassung in Shanghai wollen wir ein Technologiezentrum einrichten. Wir werden zudem einen neuen technischen Leiter bei Despatch einstellen, der seinen Sitz in Berlin haben soll.
Was versprechen Sie sich davon?
Wir wollen näher bei unseren wichtigsten Kunden sein. Sie sollen in das Technologiezentrum kommen können, um sich von
unserer Technologie überzeugen und unsere Maschinen testen zu können, ohne den langen Weg nach Minnesota machen zu müssen. Wir wollen dort gemeinsam mit unseren Kunden Lösungen für technische Optimierungen entwickeln. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir über sehr qualifizierte Mitarbeiter in Minnesota verfügen. Doch für mich ist klar, dass wir näher am Puls der Innovationskraft in der Welt der Photovoltaik sein müssen, und der schlägt nicht in den USA. Wir wollen deshalb mehr Mitarbeiter in Berlin und Shanghai gewinnen, die über entsprechende Erfahrungen verfügen. Wir wollen schließlich weiter weltweit die Nase vorne haben. Deshalb wird unser neuer technischer Leiter in Deutschland angesiedelt sein.
Wollen Sie auch Ihre Produktion aus Minnesota nach Deutschland oder China verlagern?
Wenn wir ausschließlich für die Photovoltaikindustrie arbeiten würden, müssten wir ganz nach Deutschland gehen. Doch wir sind ja breiter aufgestellt und produzieren auch für andere Anwendungen, deshalb werden wir weiterhin hierbleiben. Die meisten unserer Kunden im Bereich der Elektronik, der pharmazeutischen Industrie und der Luftfahrt sind in den USA. Unsere Mitarbeiter in Lakeville kümmern sich ja auch um diese Kunden. Es ist gerade einer unserer Wettbewerbsvorteile, dass wir hier Innovationen aus verschiedenen Märkten und Anwendungen zusammenbringen können.
Wird sich die Bedeutung der Photovoltaik weiter vergrößern?
Wir werden weiterhin eine breite Produktpalette anbieten, das ist Teil unserer Strategie. Ein wichtiger Grund, warum Despatch Industries 106 Jahre alt ist, ist, dass wir nicht nur von einem Markt abhängig sind. Wir werden immer Wellenbewegungen in den Märkten haben, das ist heute nicht anders als früher. So ist heute der Halbleiter- und Elektronikmarkt am Boden, während die Photovoltaik ganz oben ist. Doch ich rechne damit, dass der Anteil der Photovoltaik von 60 Prozent an unserem derzeitigen Umsatz weiter wachsen wird. Die Einstellung eines Photovoltaikspezialisten als neuen technischen Leiter in Deutschland und der Aufbau unserer Technologiezentren zeigt ja, dass ich hier verstärkt investieren will.