Rückblick ins Jahr 2006: Damals war ich Redaktionsleiter beim Solarpraxis Verlag in Berlin. 2006 befand sich die Solarbranche im ersten Aufbruch. Das EEG hatte spürbaren Aufwind in den Zubau gebracht, und es war klar: Diese Branche brauchte ein professionelles B2B-Medium, verlangte nach Fachinformationen für Installateure, Planer und die Industrie.
Karl-Heinz Remmers, Verleger der Solarpraxis, und Erwin Fidels Reisch, der Verleger des Stuttgarter Gentner Verlages, stellten die Aufgabe. Die schnell wachsende Solarwirtschaft sollte ein innovatives Medium bekommen, wie andere Branchen der Kraftwerkstechnik oder der Haustechnik auch.
Auftakt in Freiburg
Damals gab es in den boomenden Solarfirmen keine Pressestellen, kein strukturiertes Marketing und meistens auch keinen professionellen Vertrieb. Es gab noch keine klar strukturierte Kette der Wertschöpfung, und die meisten Installateure begannen erst, sich mit der Photovoltaik zu befassen.
Uns war bewusst, dass die Photovoltaik sehr schnell eine globale Technik werden würde. Die japanischen Hersteller von Zellen und Modulen waren bereits etabliert, die erste Krise des Marktes in Japan drückte sie nach Deutschland. In China entstanden die ersten Fabriken, verlängerte Werkbänke von Solon und Solarworld. Es ging um ein Medienkonzept, das globales Wachstum abbilden konnte. Gemeinsam mit Jürgen Wendnagel aus Stuttgart schmiedeten wir ein Medium für die Profis unsere Branche. Ihm gilt mein ausdrücklicher Dank, es war eine wunderbare Zusammenarbeit – die bis heute Bestand hat.
Zur Intersolar 2007 – seinerzeit noch in Freiburg – stellten wir die Nullnummer der photovoltaik vor. Regulär startete photovoltaik dann im August 2007. In diesem Monat brachten wir zudem die erste englischsprachige Ausgabe, um das spätere PV Magazine vorzubereiten.
Larry auf dem Titel
Unvergessen das Interview mit Larry Hagman, das Hans-Christoph Neidlein – seinerzeit der erste Mitarbeiter an meiner Seite – in Leipzig führen durfte. Wir hatten Larry auf dem Titel: „Ewing Oil Turns Solar“, das war ein sehr starkes Signal für den damals noch jungen Markt in den USA. Kurz darauf wurde Larry zur Ikone einer Werbekampagne von Solarworld.
Vor zehn Jahren befanden wir uns im Aufbruch, und dieser Aufbruch hat uns seitdem nicht mehr verlassen. Sehr frühe Pioniere wie Shell waren schon wieder ausgestiegen. BP Solar war ein großer Hersteller, verbrannte sich aber buchstäblich die Finger mit defekten Modulen. Siemens kam ins Geschäft, stieg wieder aus, als die Luft dünner wurde. Schüco setzte auf Siliziumdünnschicht. Doch die geringen Wirkungsgrade ließen dieser Technologie – vorerst – keine Chance.
Frühe Phase der reinen Photovoltaik
Vor zehn Jahren standen Solarzellen und Solarmodule, Wechselrichter und Montagegestelle im Mittelpunkt unserer Berichterstattung. Es war die Zeit der „reinen“ Photovoltaik, der netzeinspeisenden Generatoren, die vor allem wegen der Einspeisevergütung gebaut wurden.
Das Geschäftsmodell – besser gesagt: die politische Förderung – lehnte sich an das bekannte Geschäftsmodell aus der Kraftwerkstechnik an: Generatoren erzeugen Strom und speisen ihn in die Stromnetze ein. Das wurde zunächst belohnt.
Dabei war die Photovoltaik ursprünglich anders gestartet: Die Versorgung der US-amerikanischen Raumfähren mit Solarauslegern zielte auf autarke Bordsysteme, nicht auf Stromnetze, etwa zur Erde oder zum Mond.
Kleinsysteme für Afrika, für Hochgebirge oder entfernt gelegene Farmen im australischen Outback waren gleichfalls als autarke Offgrid-Systeme ausgelegt: mit kleinen, handlichen Solarpaneelen und Bleibatterien (zwölf oder 24 Volt).
Wurzeln gerieten in Vergessenheit
Aufgrund des EEG gerieten diese Wurzeln zunächst in Vergessenheit. Der erste Boom der Photovoltaik in Deutschland wurde faktisch durch industriell aufgebaute Solarparks getragen. Sie brachten die Preise ins Rutschen, förderten die Industrie, indem sie Produktion forderten. Sie brachten Kapital in Schwung, sprich: in Umlauf.
In diesem prosperierenden Umfeld etablierte sich die photovoltaik, gewann an Reputation und Marktanteile im Mediengeschäft.
So wuchs die Branche bis zum ersten Kollaps, als die schwarzgelbe Regierung in Berlin die Vergütungssätze dramatisch kürzte.
Neben dem deutschen Markt wuchs die Solarbranche in Österreich, in der Schweiz, in Frankreich, Italien, Spanien und Übersee. Die Internationalisierung nahm Fahrt auf – freilich viel schneller, als 2007 prophezeit.
Ende 2012 wurde die Lage für die gesamte Branche schwierig. Ein B2B-Medium durchläuft alle Höhen und Tiefen der Branche, der es dient und die es mitgestaltet. Da gibt es keine Schonung. So übernahm der Gentner Verlag Anfang 2013 die Anteile der Solarpraxis, um die photovoltaik durch karge Zeiten zu führen. „Graubrotzeit“ war das Wort, das der Verleger dafür prägte – ein passendes Bild. Nun galt es, das erfolgreiche Medium in die zweite Phase der Photovoltaik zu führen.
Zum Glück erwies sich die Branche als erfinderisch, als zählebig und kreativ. Vor allem wandte sie sich ihren Ursprüngen zu. Ab 2014 trat der Eigenverbrauch als tragendes Geschäftsmodell in den Vordergrund. Mit diesem Wandel wurde die stationäre Speicherbatterie auf Lithiumbasis interessant, wuchs eine neue Branche heran, um die Photovoltaik zu ergänzen.
Speicherbatterien seit 2013 im Fokus
Schon 2013 begannen wir, den Speicherbatterien breiten Raum in der Berichterstattung einzuräumen. Damals war diese Branche noch klein und jung, die favorisierte Technik waren Bleispeicher. Das änderte sich schnell, ab 2014 wuchsen die Marktanteile der Lithiumbatterien rasant an. Mit unseren Berichten waren wir weltweit das erste Fachmedium, dass den Eigenverbrauch mit Speicherung favorisierte.
Denn das war der Einstieg in die Sektorkopplung. Die Effizienz der kombinierten Systeme hängt entscheidend davon ab, den Sonnenstrom möglichst preiswert zu speichern. Und die Elektroautos brauchen leistungsstarke Zwischenspeicher, um in kurzer Zeit aufgeladen zu werden.
Alles ist eine Frage der Preise, das hatten wir bereits bei der „reinen“ Photovoltaik gelernt. Solarbatterien bestehen aus Zellen, wie Solarmodule auch. Diese Zellen kann man vollautomatisch fertigen wie Solarzellen, deshalb konnte man bei den Stromspeichern eine ähnliche Preisdynamik wie in der Photovoltaik erwarten.
Das ist tatsächlich eingetreten, und genauso wird es bei den Brennstoffzellen werden. Sie werden die Autarkie abrunden, als Generatoren für den Winterstrom. Der größte ökonomische Hebel für Eigenversorgungssysteme aber sind die Elektroautos – mit der Stromtankstelle am Gebäude. Deshalb haben wir in den zurückliegenden drei Jahren auch diese Produktgruppen und Geräte in unsere Berichterstattung aufgenommen.
Die Domäne der Installateure
Das EEG zementierte das Modell der netzeinspeisenden Generatoren, ein Konzept der herkömmlichen Energiewirtschaft. Bis zum Zeitalter der Eigenversorgung hat sie als produzierende Großindustrie (fossile und nukleare Kraftwerke) ihr Produkt (elektrischer Strom) über eine Netzinfrastruktur an die Verbraucher gebracht. Deshalb gab es in dieser Branche bis dahin nur Großkonzerne mit Gebietsmonopolen.
Nun ändert sich das – sehr schnell. Strom, Wärme, Kälte, Mobilität und Datentechnik wachsen zusammen. Das ist das ureigene Geschäft des Installateurs und des Systemplaners, unseren wichtigsten Lesergruppen.
Das Plus fürs Kilowatt
Das Kilowatt Photovoltaik wird ergänzt durch margenträchtige Umsätze mit Produkten, die den Eigenverbrauch optimieren und mehr als lukrativ machen. Das eigentliche Geschäft lauert künftig in diesem Plus, das über die „reine“ Photovoltaik vor einem Jahrzehnt weit hinausgeht.
Diese Entwicklung steht erst am Anfang. Der Abschied von den Großkraftwerken läutet eine völlig neue Energiewirtschaft ein, in der elektrischer Strom faktisch überall verfügbar ist. Die Strompreise werden rutschen, das deutet sich an den Energiebörsen bereits an. Unabhängigkeit wird zum tragenden Geschäftsmodell. Der Verkauf von Komponenten wird von psychologischen und emotionalen Kriterien geleitet, auch wenn Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit weiterhin eine wichtige Rolle spielen.
In der neuen Energiewirtschaft hat das Stromnetz gänzlich andere Aufgaben als in der Vergangenheit. Es wird zur Spielwiese gänzlich neuer Akteure. Die unteren Verteilebenen der Niederspannung und der Mittelspannung gewinnen an Bedeutung. Hochspannungstrassen hingegen werden verlieren, weil der großräumige Stromhandel nur in bestimmten Regionen Sinn macht – etwa, um jahreszeitliche Schwankungen bei Photovoltaik oder Windkraft auszugleichen.
In Regionen mit gesunder Mischung wird auch lokale Autarkie möglich, beispielsweise auf kommunaler Ebene oder in einzelnen Maschen des Verteilnetzes.
Mein Respekt gilt Ihnen!
Ihnen, geehrte Leserinnen und Leser, gilt mein größter Respekt. Sie haben uns in zehn Jahren die Treue gehalten. Sie gaben uns das Gefühl, dass wir gemeinsam an derselben, großartigen Aufgabe arbeiten.
Nun stehen wir vor einem zweiten Aufbruch. Global ziehen die Märkte stark an, auch in Europa geht es bergauf – nachhaltig und ohne Förderung. Seien Sie versichert: Wir werden auch im kommenden Jahrzehnt an Ihrer Seite stehen. Wir werden Sie weiterhin mit Innovationen und Fachwissen versorgen, werden die Tiefe unserer Berichte noch erhöhen. Glauben Sie mir: Das ist ein wunderbarer Job, und dafür schulden wir im Team der photovoltaik Ihnen allen unseren Dank.