Die Schweiz erlaubt jetzt auch den Eigenverbrauch von Solarstrom. Die Netzbetreiber dürfen die Betreiber von kleinen Anlagen im Eigenverbrauch nicht mehr mit erhöhten Netzentgelten bestrafen. Außerdem regelt die Schweizer Regierung die Förderung von Kleinanlagen und die Regelung zur Gebäudeintegration neu.
Betreiber von Photovoltaikanlagen in der Schweiz dürfen ihren Solarstrom jetzt auch selbst verbrauchen. Die Regierung in Bern hat mit der Novellierung der Energieverordnung einer entsprechende Regelung zugestimmt. Neu Neuregelung tritt zum 1. April dieses Jahres in Kraft. Nachdem der Eigenverbrauch von Solarstrom vor allem von den Netzbetreiber torpediert wurde, gehen die neuen Regelungen sogar noch weiter als in Deutschland, wo der Eigenverbrauch schon lange Gang und Gäbe und sogar inzwischen zum treiben Faktor des Ausbaus geworden ist. Demnach gilt in der Schweiz keine Personenenidentität zwischen Betreiber der Solarstromanlage und Verbraucher des Solarstroms wie in Deutschland. Die Eigenverbrauchsregelung gilt auch, wenn der Strom von Endkunden im selben Gebäude verbraucht werden. Damit gilt auch der Verkauf von Solarstrom an Mieter in Mehrfamilienhäusern oder an gewerbliche Kunden als Eigenverbrauch, mit den entsprechenden Preisvorteilen. Mit dieser Regelung öffnet Bern die Tür für ein weiteres Geschäftsmodell, dass deutsche Mieter-, Vermieter und Verbraucherverbände auch für die Bundesrepublik fordern.
Bezugsprofil ist entscheidend
Für die Betreiber der Schweizer Stromnetze war der Eigenverbrauch immer ein Unsicherheitsfaktor in der Planung. Deshalb hatten sie für Anlagenbeitreiber im Eigenverbrauch einen separaten Netzkundentarif gebildet. Das ist jetzt für die Netzbetreiber nicht mehr so einfach. „Bei Produzenten mit kleinen Anlagen unter zehn Kilowatt Nennleistung ist die Bildung separater Netztarif-Kundengruppen im Sinne einer Bagatellregel untersagt“, betont das Bundesamt für Energie (BFE) in Bern. „Selbst bei sehr hohem Eigenverbrauchsgrad müssen hier die gleichen Netznutzungstarife wie bei vergleichbaren reinen Endverbrauchern zur Anwendung kommen.“ Liegt die Anlagenleistung über zehn Kilowatt können die Netzbetreiber nur einen höheren Netztarif verlangen, wenn das Bezugsprofil des Anlagenbetreibers oder des Stromkunden erheblich vom Bezugsprofil vergleichbarer Verbraucher abweicht. Eine solche erhebliche Abweichung liegt beispielsweise dann vor, wenn ein Endverbraucher eine überdurchschnittlich hohen Eigenverbrauchsquote hat und deshalb sehr wenig Strom aus dem Netz bezieht. Denn dann muss der Netzbetreiber trotzdem die teilweise sehr hohen Belastungsspitzen abdecken, begründet der Gesetzgeber diese Regelung. Das BFE wird noch in dieser Woche entsprechende Richtlinien zur Umsetzung der neuen Regelungen veröffentlichen.
Investitionszuschuss statt Einspeisevergütung
Ein zweiter zentraler Punkt der Novelle der Energieverordnung betrifft die Förderung von kleinen Solarstromanlagen mit einer Leistung von mindesten zwei und maximal zehn Kilowatt. Die Betreiber solcher Anlagen bekommen in Zukunft keine Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) mehr, sondern einen Investitionszuschlag. Bern zahlt bis zu 30 Prozent der Investitionskosten. Die konkrete Höhe basiert dabei auf den Kosten für eine vergleichbare Referenzanlage. Allerdings können nur Betreiber den Investitionszuschuss in Anspruch nehmen, deren Anlage nach dem 1. Januar 2013 ans Netz gegangen ist. Ist der Solarstromgenerator vorher in Betrieb gegangen, kann der Betreiber nur die Einmalvergütung in Anspruch nehmen, wenn die Anlage bis Ende 2012 auf der KEV-Warteliste eingetragen wurde. Außerdem gilt die Förderung über einen Investitionszuschuss auch für Anlagen zwischen zehn und 30 Kilowatt. Deren Betreiber sind aber in Zukunft nicht grundsätzlich von der KEV ausgeschlossen, sondern können wählen, ob sie die Einmalvergütung oder die KEV in Anspruch nehmen. Die Investitionsförderung für Anlagen, die nach dem 1. Januar 2013 in Betrieb gegangen sind, liegt zwischen 850 und 1.200 Schweizer Franken pro Kilowatt Anlagenleistung.
Kleinanlagen verstopfen die Warteliste
Die Einmalzahlung hat mehrere Vorteile. Zum einen verstopfen diese Anlagen dann nicht mehr das Register für die KEV. Zum anderen wird der Investitionszuschuss so rasch wie möglich ausgezahlt. Die Anlagenbetreiber kommen so schneller zu ihrem Geld als im System der KEV, wo die Wartezeit je nach Anmeldedatum teilweise mehrere Jahre betragen kann. Nach Angaben des BFE stehen insgesamt über 10.000 Anlagen auf der bestehenden Warteliste, die von der Einmalvergütung profitieren können. Der Netzbetreiber Swissgrid wird die Anlagebetreiber noch in diesem Frühjahr schriftlich über das weitere Vorgehen informieren. „Aus organisatorischen Gründen wird die Auszahlung dieser Beiträge noch etwas dauern“, erklärt das BFE. „Spätestens 2015 sollten aber alle Anlagebetreiber, die heute auf der Warteliste sind und ihre Anlage in Betrieb genommen haben, die Einmalvergütung erhalten“, verspricht das Bundesamt.
Eine zweite Funktion übernehmen
Eine dritte Änderung für Photovoltaikanlagenbetreiber betrifft die Definition von integrierten Anlagen. Jetzt reichen ästhetische Kriterien wie die Belegung einer gesamten Dach- oder Fassadenfläche mit Solarmodulen oder der saubere Dachabschluss nicht mehr aus, um als integrierte Anlage zu gelten. In Zukunft muss die Anlage neben der Stromproduktion noch eine zweite Funktion übernehmen. Sie muss dem Wetterschutz, der Wärmedämmung oder der Absturzsicherung dienen. Nur dann kann der Anlagenbetreiber den Bonus für die Gebäudeintegration geltend machen. (Sven Ullrich)