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Alles auf Neustart

An Europas größten Solarstandorten in Arnstadt und Freiberg werden weiter Solarzellen und Solarmodule gefertigt. Das ist die gute Nachricht nach der Insolvenz der Solarworld AG. Der alte bleibt der neue Chef, allerdings heißt die Firma nun Solarworld Industries GmbH. Insolvenzverwalter Horst Piepenburg hat den Staffelstab Mitte August 2017 wieder an Frank Asbeck übergeben. Solarworld Industries übernimmt die deutschen Fertigungsstätten von Solarworld sowie die Vertriebsgesellschaften in Europa, Asien und Afrika. Solarworld-Gründer Asbeck hält selbst 51 Prozent der Anteile und Qatar Solar Technologies, ein Tochterunternehmen der Qatar Foundation, besitzt die restlichen 49 Prozent. Zum Plan gehörte es wohl, nicht mehr an der Börse gelistet zu sein.

Fokus auf Perc- und Glas-Glas-Modulen

Das neue Unternehmen hat nach eigenen Angaben bereits mit der Solarzell- und Modulproduktion begonnen. Die neue Solarworld Industries wird sich demnach ausschließlich auf die Herstellung von Premiumprodukten beschränken. Konkret wolle man sich auf monokristalline Perc-Solarzellen und bifaziale Glas-Glas-Module konzentrieren, teilt Solarworld mit. Zudem will Solarworld Industries neben der üblichen Gewährleistung für Neuprodukte besondere Kulanz gegenüber Altkunden der Solarworld-Fachpartner anbieten.

Die Gläubiger und das Bundeskartellamt haben den Neustart von Asbeck abgenickt. „Für den Erhalt der Produktionsstandorte hat Solarworld in den vergangenen Wochen viel Zuspruch bekommen“, verkündet Asbeck. Seinen Angaben nach konnte die neue Gesellschaft schon einen Neuauftrag über 25 Megawatt abschließen. Geplant sei, zunächst mit einer Fertigungskapazität von 400 Megawatt zu starten, die auch wieder auf die bisherige Kapazität von über einem Gigawatt hochgefahren werden könne.

1.200 Mitarbeiter verlieren den Job

Die Bilanz des Verwalters am Übergabetag ist erst einmal ernüchternd: Am Standort Freiberg sind 294 Mitarbeiter zur Solarworld Industries GmbH gewechselt, darunter 67 von Solarworld Innovations, 227 von Solarworld Industries Sachsen. In Arnstadt arbeiten 181 Beschäftigte am Standort beim neuen Arbeitgeber, in Bonn bleiben 40 von rund 160 Beschäftigten. Weitere rund 1.200 Beschäftigte wechseln in eine Transfergesellschaft – rund zwei Drittel aller Mitarbeiter.

In der Startaufstellung der Solarworld Industries arbeiten 515 Mitarbeiter. Davon seien mehr als zwölf Prozent in der Forschung beschäftigt und mehr als fünf Prozent Auszubildende. „Unsere Forschungsabteilung wollen wir zudem stärker für Branchenpartner öffnen, um gemeinsam die Solartechnologie voranzubringen“, verspricht Asbeck. Durch den gemeinnützigen Ansatz könnte er auch auf staatliche Fördergelder hoffen.

Was der Wüstenstaat Katar davon hat

Insolvenzverwalter Piepenburg versucht nun, Stand Ende August 2017, einen oder mehrere Käufer für die Anteile der Solarworld AG an der Solarparc GmbH, an der Deutschen Lithium GmbH sowie an der Solarworld Americas aufzutreiben. Diese drei Unternehmen hat Asbeck nicht übernommen.

Der Investor aus Katar will einiges gelernt haben. Man habe mit der neuen Solarworld Industries nun ein reifes Baby aus der Taufe gehoben, sagte Khalid Al Hajr, Chef von Qatar Solar, bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Das sehr reine Silizium soll künftig aus der Wüste kommen. Zudem könnte Katar durch Solarstrom auf Stadiondächern auf ein sauberes Image bei der Fußball-WM 2022 hoffen, lässt der Botschafter des Landes durchblicken. Immerhin ließ sich das Emirat am Persischen Golf die Dienste des neuen WM-Botschafters und brasilianischen Fußballers Neymar angeblich 250 Millionen Euro kosten.

Ist die Hemlock-Klage vom Tisch?

Dabei hat Piepenburg bestätigt, dass sich weitere seriöse Investoren um Solarworld bemüht hätten. Aber alle hätten mehr Zeit gebraucht, um die Anlage und die Substanz des Solarkonzerns zu prüfen. Und die Zeit hatte der Verwalter nicht, da das Insolvenzgeld Anfang August auslief und die Mitarbeiter nicht weiter bezahlt werden konnten.

Möglicherweise hat Asbeck darauf spekuliert. Dann hätte er hoch gepokert und gewonnen. Der Kaufpreis, den Asbeck für seine eigene Firma bezahlt, besteht im Wesentlichen in der Ablösung von Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern. Die Aktionäre der Solarworld AG erhalten weder Ausschüttungen noch sonstige nennenswerte Vermögensvorteile. Eine Schuld will und kann er aber mit Sicherheit nicht erfüllen: die rund 700 Millionen Euro des Siliziumlieferanten Hemlock aus den USA. Sie schwebte seit 2013 wie ein Damoklesschwert über dem Konzern. Ein US-Gericht hatte Hemlock im Juli 2016 in erster Instanz Recht zugesprochen. Ein US-Berufungsgericht hat das Urteil im August 2017 bestätigt.

Preise sanken schneller

Die Vereinbarung sicherte Solarworld eine bestimmte Menge Polysilizium zum Festpreis, der unter dem Marktpreis lag. Als Silizium immer billiger wurde, geriet die Vereinbarung zum Nachteil. Mit der Neugründung von Solarworld schiebt Asbeck das Thema aus seiner Sicht endgültig vom Tisch. Basta!

Experten kritisierten viele strategische Fehler von Asbeck: Neben dem zu üppigen Liefervertrag für Silizium mit Hemlock werden die Übernahme des Bosch-Werks in Arnstadt oder die Suche nach Lithium in Thüringen angeführt. Besonders intensiv ritt Asbeck aber die Attacken gegen die Konkurrenz aus China – anstatt seine Hausaufgaben zu machen und die Kosten zu senken.

Der Pleitier bleibt am Ruder

Asbeck ist und bleibt einer der Pioniere der Photovoltaik. Ob er zum Sanierer taugt, darf bezweifelt werden. 2013 rettete ein Schuldenschnitt Solarworld nur haarscharf vor der Insolvenz. Eine massive Kapitalspritze aus Katar war nötig. Chef beim Neustart vor vier Jahren war ebenfalls: Frank Asbeck.

www.solarworld.de

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