Der Volksentscheid der Berliner zur Gründung eines eigenen Stadtwerks hat die nötige Zustimmung knapp verpasst. Das Problem war unter anderem die geringe Wahlbeteiligung. Die Initiatoren betonen, dass der Senat den Willen von 600.000 Berlinern nicht ignorieren darf.
In Berlin ist der Volksentscheid zur Gründung eines Stadtwerks gescheitert. Nur 24,1 Prozent der registrierten Wähler stimmten für den Gesetzentwurf des Berliner Energietisches. Die gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung beträgt jedoch 25 Prozent. Gut 20.000 Stimmen haben gefehlt. Gegen den Gesetzentwurf, der die Gründung eines Stadtwerks vorschreibt, das nicht nur die Verteilnetze in Berlin übernehmen, sondern auch die Energiewende vorantreiben soll, sprachen sich 4,5 Prozent der Berliner aus.
Geringe Wahlbeteiligung war Problem
Das Problem war die geringe Wahlbeteiligung. Denn von den Teilnehmenden votierte immerhin mit 83 Prozent eine qualifizierte Mehrheit der Wähler für die Gründung eines solchen Stadtwerks. Nur 16,8 Prozent der teilnehmenden Wähler stimmten dagegen. Die größte Ablehnung schlug der Gesetzesinitiative in den westlichen Stadtbezirken Reinickendorf, Steglitz-Zehlendorf und Spandau entgegen. Aber in auch Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg lag die Zustimmung zum Gesetzentwurf weit unter dem durchschnittlichen Wert für gesamt Berlin. Die meisten Unterstützer fanden die Initiatoren in Friedrichshain-Kreuzberg. Aber auch in Pankow und Mitte lag die Unterstützung für den Gesetzentwurf sehr hoch.
Kritik am Termin
Dass der Abstimmungstermin seinen Teil zum Scheitern des Gesetzentwurfs beigetragen hat, zeigt vor allem die niedrige Wahlbeteiligung. Die lag mit gut 722.000 bei gerade 29,1 Prozent. Die Initiatoren und Unterstützer der Volksabstimmung kritisieren den Termin der Volksabstimmung. „Durch seine Termintrickserei haben sich der Regierende Bürgermeister Wowereit und der Senat haarscharf vor dem Volksentscheid gerettet“, sagt Hartmut Gaßner, Aufsichtsratsvorsitzender von BürgerEnergie Berlin. Die Genossenschaft hat sich um den Kauf des Berliner Stromnetzes beworben, dessen Konzession Ende 2014 neu vergeben wird. „Dem Volksbegehren haben nur wenige Stimmen gefehlt. Hätte das Volksbegehren am Tag der Bundestagswahl stattgefunden, hätte es mit absoluter Sicherheit nicht nur eine überwältigende Mehrheit an Zustimmung gegeben, sondern auch eine Erfüllung des Quorums“, betont Gaßner.
Willen der Berliner nicht ignorieren
Die Initiatoren und Unterstützer sehen die Niederlage allerdings nicht als Scheitern des Willens der Berliner an, dass der Senat die Gründung eines eigenen Stadtwerks vorantreiben soll, dass auch finanzielle entsprechend ausgestattet ist, seine Aufgaben wahrzunehmen. Denn „Wowereit kann sich vor dem Volksentscheid retten, aber nicht vor den Berlinern“, sagt Gaßner. „Der Wille der Berliner und der Auftrag an den Senat ist mehr als deutlich: Gebt uns unser Stromnetz zurück! Die Berliner haben sich gestern deutlich hinter den Netzrückkauf gestellt. Dieses unmissverständliche Signal wird der Senat nicht ignorieren können, auch nicht ohne die bindende Wirkung des Volksentscheids.“ Der Senat hat das auch schon erkannt. Nur eine Woche vor dem Volksentscheid hat er sich dazu entschlossen, ein eigenes Stadtwerk zu gründen. Nicht zuletzt damit hat der Senat dem Volksentscheid einigen Wind aus den Segeln genommen.
Auftrag zur Ablösung von Vattenfall
BürgerEnergie Berlin versteht den Volksentscheid als deutlichen Auftrag, Vattenfall als Netzbetreiber abzulösen. „Wowereit hat jetzt die Chance, im offiziellen Vergabeverfahren auf die Bürger zuzugehen: Er kann auf ein Kooperationsmodell zwischen dem Land Berlin und unserer Bürgergenossenschaft setzen und so dem Volksentscheid gerecht werden“, schlägt Gaßner vor. „Sollte der Senat jedoch die Netzkonzession entgegen dem erklärten Willen der Berliner erneut an Vattenfall vergeben, wäre dies ein massiver Vertrauensbruch – und der politische Schaden für Wowereit und seine Koalition irreparabel.“ Der Berliner Energietisch und BürgerEnergie Berlin wollen in den kommenden Tagen die nächsten Schritte zur Übernahme des Berliner Stromnetzes beraten. (Sven Ullrich)